Hannah Ahrendt

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Datum: 04.01.2014 | VÖ: 10.10.2013 | Herausgeber: EuroVideo Medien GmbH | Kategorie: Film

New York, Anfang der 60er Jahre. Die jüdische Theoretikerin und Dozentin Hannah Ahrendt, die 1933 aus Deutschland ins Exil geflohen war, führt ein Leben als angesehene Intellektuelle zusammen mit ihrem Gatten Heinrich. Derweil ergreift der israelische Geheimdienst in Buenos Aires den ehemaligen NS-Funktionär Adolf Eichmann auf und entführt ihn nach Jerusalem, damit ihm dort der Prozess gemacht wird. Ahrendt setzt sich mit der Zeitung "The New Yorker" in Verbindung und bietet an, sich als Berichterstatterin über den Eichmann-Prozess nach Jerusalem entsenden zu lassen. Das Blatt fühlt sich geschmeichelt und Ahrendt fliegt nach Jerusalem.
Der Prozess selbst und vor allem Eichmanns auftreten als ein innerlich leerer Bürokrat, der sich auf seinen Fahneneid und die Befehle, die er zu befolgen hatte, beruft, regen Ahrendt zu neuen Überlegungen über das absolute Böse an. Erst seine innere Leere, der Unwillen oder die Unfähigkeit, im eigenen Innern über die Geschehnisse zu reflektieren, haben einen mittelmäßigen Menschen wie Eichmann - und viele andere auch - erst dazu befähigt, Teil einer Maschinerie des absolut Bösen zu werden. Darüber hinaus beschäftigt sie die Frage, welche Rolle die jüdischen Führungskräfte in der Zeit des Holocaust spielten.
Zurück in New York verfasst Ahrendt eine lange Abhandlung über den Prozess und ihre Schlussfolgerungen. Eine ihrer Aussagen stellt die Frage, ob es möglicherweise weniger Opfer unter den Juden gegeben hätte, wenn die jüdischen Funktionäre sich nicht zu einer Form der Kooperation hätten zwingen lassen. Fertig ist der Skandal und Ahrendt sieht sich einem Sturm der Empörung, der Verschmähung und der Anfeindung gegenüber. Man wirft ihr vor, Eichmann zu verteidigen und die jüdischen Opfer zu beschuldigen. Selbst unter ihren engsten Freunden findet Ahrendt Personen, die sich von ihr abkehren.

"Hannah Ahrendt" hat als Film etwas Seltsames an sich. Zum einen setzt er sich mit großen Zusamenhängen auseinander, bleibt dabei doch immer auf die Hauptperson fixiert und wirkt dadurch kleiner als er vermutlich in Wirklichkeit sein mag. Hannah Ahrendt selbst wird als liebende Frau ihrem Gatten gegenüber und selbstbewusste Denkerin dargestellt und in ihrer Rolle als Denkerin kann sie nicht von ihrem Standpunkt abweichen. Der Film zeigt, wie schnell sich die Betroffenen gekränkt fühlen und feste Bande zu engen Freunden wegwischen, wenn das klar umrissene Bild von Gut und Böse, das sie verkörpern (wollen), hinterfragt wird. Ahrendt selbst wirkt stolz und distanziert dem Skandal gegenüber, aber man hat auch das Gefühl, dass es sich der Film etwas zu leicht macht, sie als konsequent hinzustellen.
Was den Dialogen manchmal fehlt ist das wirklich glaubwürdige Gefühl von Authentizität. Es wirkt alles manchmal etwas zu deutlich gespielt, zu sauber artikuliert. Möglicherweise war das gewollt, denn der Film bewegt sich ja auch im intellektuellen Milieu.
Als Porträt einer Frau funktioniert der Film nicht, denn sie bleibt in meinen Augen zu strukturlos, es gibt zu wenige Tiefeneinblicke - trotz der eingestreuten Rückblenden auf ihre Studentenzeit. Was Ahrendt wirklich im Innersten bewegt, wird nicht deutlich.
Als Einblick in eine brisante Diskussion und einen von vielen Aspekten bei der Aufarbeitung der Vergangenheit Deutschlands taugt der Film hingegen sehr gut.

Die Extras bestehen leider nur aus DVD-typischen Materialien wie entnommenen Szenen. Ein kleiner Exkurs über die wirklichen biographischen Hintergründe der Hauptfigur oder etwas ähnliches hätte nicht geschadet. (mp)

Wertung: 5 von 10 Punkten (5 von 10 Punkten)

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