Der letzte Friedenssommer - Europa 1938 in privaten Farbfilmen

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Datum: 23.01.2012 | VÖ: 06.12.2011 | Herausgeber: Polar Film | Kategorie: Dokumentation

Diese in der DVD-Reihe der Firma Polarfilm erschienene Geschichtsdokumentation (Regie: Karl Höffkes) unterscheidet sich in der Machart wenig von den zahlreichen Vorgängern mit Farbfilmen aus dem Dritten Reich, die das Label herausgebracht hat. Immerhin wird hier nicht mehr der Versuch unternommen, historische Ereignisse stringent oder chronologisch zu berichten, vielmehr zielt der Film recht konsequent auf ein aus verschiedensten Amateuraufnahmen zusammengesetztes Stimmungsbild der damaligen Zeit ab. Was diese Produktion von ihren Vorgängern unterscheidet, ist die Tatsache, dass nur die erste Filmhälfte (relativ beliebiges) Material aus Deutschland zeigt. Die zweite Hälfte bringt in aller Ausführlichkeit zahlreiche andere europäische Schauplätze, im Einzelnen Aufnahmen aus den Niederlanden (Volendam), Frankreich (Paris, Kriegsgräber bei Douaumont und Verdun), Großbritannien (London), Irland (Galway), Schottland (Pitlochry), Schweden, Ungarn (Budapest), Schweiz (Alpen, Lago Maggiore) und Italien (Venedig, Pisa, Florenz, Rom).

Die Kommentierung fällt erfreulicherweise zurückhaltender aus als in den meisten anderen Polarfilm-Dokus. Gut umgesetzt ist vor allem der touristische Blickwinkel, der dem Publikum die gezeigten Landschaften und Städte mit interessanten zeitgeschichtlichen Informationen näherbringt. Weniger überzeugend sind die lyrischen Entgleisungen, die, falls es sich um Zitate handeln sollte, nicht als solche erkennbar sind und auch aus dem Zusammenhang gerissen erscheinen. Ein Beispiel: "Dem flüchtigen Betrachter bleibt Paris verborgen. Die Stadt will entdeckt werden. Wer seine Sinne öffnet, taucht in fremde Welten ein und begegnet unbekannten Gerüchen (!), Geräuschen und Genüssen."
Ein Manko stellen die beiden Sprecher dar, vor allem die Sprecherin Jovita Dermota, die den Eindruck erzeugt, als würde Oma Opas alte Filmaufnahmen kommentieren und einem dabei die wichtigsten Stichworte ins Ohr brüllen " dies könnte allerdings zum Teil auch auf die schlechte Tonmischung zurückzuführen sein.
Das oben und unten auf Breitwandformat beschnittene Bild ist jedem Puristen ein Graus und trägt nicht zu einem positiven Seheindruck bei. Gleiches gilt für das dauerhaft eingeblendete Wasserzeichen, das auf dem Bild einer Kauf-DVD nichts verloren hat.

Ein weiterer Minuspunkt ist die Tatsache, dass der Titel des Films auf wackeligen Füßen steht, denn längst nicht alle gezeigten Filme stammen wirklich vom Sommer 1938. Hier wurde nicht unsauber recherchiert, sondern die Materialien bewusst willkürlich ausgewählt " auch da, wo es dem aufmerksamen Zuschauer auffallen muss. Warum z.B. wehen im Paris des Jahres 1938 Hakenkreuzfahnen? " Ganz einfach: Weil die Aufnahmen in Wirklichkeit von der Weltausstellung des Vorjahres stammen. Und wenn der Kommentator am Schluss Bilanz zieht ("Als das Jahr zu Ende geht"), bekommen wir Aufnahmen vom 1. Mai ("Tag der deutschen Arbeit") zu sehen. Auch das "Recycling" von Material aus anderen Polarfilm-Dokumentationen fällt negativ auf: So bekommen wir Aufnahmen aus Schweden geboten, die in einem früheren Film ("Hitler-Deutschland in Farbe") noch auf die Kriegsjahre datiert und uns als geheimes Diplomaten-Meeting verkauft wurden. So darf man sich nicht wundern, wenn sich so mancher Zuschauer für dumm verkauft fühlt.

Warum sollte man sich den "letzten Friedenssommer" dennoch ansehen? - Antwort: Wegen des verwendeten Filmmaterials! Die Aufnahmen als solche sind überwiegend von einer atemberaubenden Farben- und Stimmungsqualität. Wer den Ton abschaltet, darf verblüffend gut erhaltenen Filmdokumente betrachten, die bis auf Laufstreifen und Verschmutzungen ein tadelloses Bild ergeben und faszinierende Einblicke in die untergegangene Epoche unseres Kontinents erlauben.

Die schmucklos gestaltete DVD kommt in einem Amaray-Case daher, das bis auf einen Werbeflyer keine Beigaben bietet. Extras enthält sie ebenfalls keine, nicht einmal Trailer oder ein Kapitelmenü " für einen nur 62 Minuten langen Film also ein reichlich mageres Angebot. (df)

Wertung: 5 von 10 Punkten (5 von 10 Punkten)

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