David Copperfield

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Datum: 24.12.2009 | VÖ: 27.11.2009 | Herausgeber: Polyband & Toppic Video / WVG | Kategorie: Film

Es geht auf Weihnachten zu, also treten wieder bestimmte Worte in Erscheinung, die im Rest des Jahres seltener zu hören sind: Weihnachtsbaum, Nikolaus, Lebkuchen, Adventskranz, Geschenke, Dickens... Dickens? Jawohl! Denn Dickens "Eine Weihnachtsgeschichte" ("A Christmas Carol") gehört zu Weihnachten wie "Dinner for One" zu Silvester. Doch deswegen allein gehört der Brite noch nicht zu den bedeutendsten Schriftstellern der Weltliteratur, dazu waren noch andere wertvolle Arbeiten erforderlich wie z. B. "Oliver Twist", "Das Heimchen am Herd", "Eine Geschichte aus zwei Städten" und natürlich " "David Copperfield". Während der Name Charles Dickens regelmäßig zu Weihnachten wieder auftaucht, hört und sieht man ihn merkwürdigerweise während des restlichen Jahres kaum " dagegen ist selbst "Weihnachtsmann" öfter zu hören. Diesmal tritt er mit der Filmproduktion "David Copperfield" aus dem Jahr 2000 auf DVD in Erscheinung. Also schau’n mer mal:

Ein junger Mann spaziert durch einen englischen Garten und verursacht in einem Garten-Café einen kleinen Eklat, bevor er in sein Zimmer zurückkehrt und eine Überschrift schreibt: "Die Lebensgeschichte und Erfahrungen von David Copperfield, dem Jüngeren". Der Schreiber ist nämlich David Copperfield (Hugh Dancy, "Basic Instinct 2"), der ab hier in Rückblenden die Geschichte seines Lebens und Werdegangs erzählt.
David Copperfield wurde nach seinem Vater benannt, der bereits ein halbes Jahr vor seiner Geburt verstarb. Die schwangere Carla Copperfield (Sarah Smart, "Kommissar Wallander") ist also schon sehr jung verwitwet und lebt nun mit ihrer Bediensteten Carla Peggotty (Judy Cornwell, "Doctor Who") allein im Haus. Kurz nach dem Dahinscheiden des Gatten reist aber die Tante des Verblichenen an, denn der war ihr Lieblingsneffe, auch wenn der Kontakt seit der Hochzeit abgebrochen war. Die einflussreiche und strenge Dame namens Betsy Trotwood (einfach großartig: Sally Field, "Mrs. Doubtfire") übernimmt denn auch gleich das Ruder im Hause Copperfield. Weil die Tante zudem sehr rechthaberisch ist, erwartet die nichts anderes als ein Mädchen als Nachwuchs, denn sie könne es schließlich fühlen, wie sie behauptet. Als es entgegen der Gefühle von Tante Betsy nun doch ein Junge wird, reist die resolute Dame sofort pikiert ab " sehr zur Erleichterung von Carla und Peggotty, die David nun ohne besserwisserische Einrede anderer erziehen.

Knapp eine Handvoll Jahre später stellt sich ein Mr. Murdstone (Anthony Andrews, "Sherlock Holmes muss sterben") der jungen Mutter vor und umwirbt sie. Kurz darauf verreist der junge David (Max Dolbey) für zwei Wochen mit Peggotty zu deren Bruder Dan Peggotty (Nigel Davenport, "Der Opiumkrieg"), der in einem alten auf den Strand gelegten Fischkutter lebt. Dan stellt sich als ein herzensguter Freidenker heraus, denn er hat mehrere Waisen aufgenommen und lebt unverheiratet mit einer armen Witwe zusammen. Als David nach Hause zurück kehrt, ist seine Mutter mit Mr. Murdstone verheiratet, dieser also nun sein Stiefvater. Auch dessen Schwester Jane Murdstone (Eileen Atkins, "Vanity Fair") zieht in das Anwesen mit ein. Zusammen legt das Geschwisterpaar nun eine Gefühlskälte und Strenge an den Tag, gegen die sich die zarte Clara vergeblich auflehnt. Die zierliche Mutter ist hilflos gegenüber der Rohheit ihres Gatten und welkt regelrecht dahin. David muss regelmäßig Züchtigungen mit dem Rohrstock über sich ergehen lassen, bis er schließlich auf Anordnung seines Stiefvaters in ein Internat in der Nähe Londons geschickt wird. Dieses wird von Mr. Creakle (Peter Woodthorpe, "Die Bibel " David") geleitet, der sich selbst als Wüterich bezeichnet und nichts anderes ist als ein gemeiner Sadist, dessen größte Freude es ist, die Kinder quälen und schlagen zu können " ganz im Widerspruch dazu hängt in übergroßen Buchstaben über dem Kamin der Spruch "Spare the rod and spoil the child" ("Schone den Stock und verwöhne das Kind"). Dort lernt David den fast schon erwachsenen James Steerforth (Paul Bettany, "Sakrileg") kennen, Sohn einer reichen Witwe, der vor niemandem Angst hat und ihn vor Creakle Ausbrüchen schützt.

Während der Schulzeit stirbt Davids Mutter. Nun wird er von seinem Stiefvater in einer seiner Fabriken geschickt, wo er mit bloßen Händen Flaschen in fast kochendem Wasser spülen muss. Eines Tages taucht ein Mr. Micawber (Michael Richards, "Seinfeld") auf, seines Zeichens als Vertreter für die Fabrik tätig. David soll künftig bei ihm wohnen. Der großspurige Micawber leidet aber unter ständiger Geldknappheit und landet schließlich sogar im Schuldgefängnis, seine treue Frau begleitet ihn aber auch hierhin. Der mittellose David flüchtet vor den Häschern des Waisenhauses und entscheidet sich, zu der Tante Betsy zu reisen, die er lediglich aus Erzählungen kennt. Völlig erschöpft und entkräftet trifft er dort ein. Seine überraschte Tante versorgt ihn und fährt mit ihm anderntags zu ihrem Anwalt Mr. Wickfield (Edward Hardwicke, "Enigma " Das Geheimnis") und dessen Schreiber Uriah Heep (Frank McCusker, "Frauen unter sich/Agnes Browne"), sagt aber noch nicht, warum. Kurz darauf tauchen aber die Geschwister Murdstone bei Tante Betsy auf und wollen David mitnehmen. Doch Tante Betsy weiß inzwischen, wer die beiden sind und macht den beiden rigoros klar, was sie von ihnen hält. Dann wirft sie die beiden kurzerhand aus dem Haus. Sie und ihr etwas naiver, aber liebenswürdiger Lebenspartner Mr. Dick (Dudley Sutton, "Die Villa") entschließen sich zu Davids Vormundschaft. Ab jetzt beginnt für David Copperfield ein neues Leben...

Dickens Bücher zählen zu den großen Kindheits- und Jugendromanen. Das ist eigentlich ein Irrtum, denn Dickens schrieb weniger Geschichten _für_ Kinder, sondern vielmehr _über_ Kinder " und zwar _für_ Erwachsene. Er schrieb von denen, mit denen es das Leben nicht gut meinte: Von Waisen, von Straßenkindern, die von allen geprügelt und ausgenutzt werden. Ausgenutzt von Erwachsenen zu Betrügereien, zu Diebstählen, zu gesundheitsgefährdenden und/oder gefährlichen Arbeiten, zu schwersten Arbeiten über und unter Tage. In Webereien beispielsweise musste oft unter den Maschinen etwas korrigiert werden (gerissen Fäden verknoten etc.), doch weil ein Maschinenstillstand ja Geldverlust bedeutete und nur wenig Platz unter den Maschinen war, ließ man Kinder diese gefährliche Tätigkeit ausüben. Viele wurden von den laufenden Webmaschinen erfasst und getötet, doch ein neues Kind war für die Fabrikbesitzer immer noch billiger als das kurzzeitige Pausieren der Maschinen. Und Unfallverhütung war das letzte, womit sich die Besitzer beschäftigten. Charles Dickens war einer der größten Kritiker seiner Zeit bezüglich Kinderarbeit und Waisenhäuser, die damals oft die Hölle auf Erden waren. Dabei beruht seine Kritik nicht auf Hörensagen, sondern auf ureigenste Erfahrungen, denn gerade in "David Copperfield" hat Dickens viele autobiographische Passagen aus seiner eigenen Jugend eingebracht, als er als Kind in Lagern und Fabriken Schwerstarbeit verrichten musste.

Der Film ist mit für eine TV-Produktion erstaunlich großem Ausstattungsaufwand in Dublin, Irland, gedreht worden, die schmutzigen Londoner Straßen und Fabriken sind ebenso detailreich wie die oft ärmlichen Wohnungen. Der Aufwand ist wirklich überall sichtbar, angefangen bei den Kostümen über die Frisuren bis hin zu den Fahrzeugen und Häusern. Man hält sich eng an das Buch, der Geist Dickens ist sehr gut eingefangen worden. Der Zuschauer wird in eine Zeit zurückversetzt, in der der Standesdünkel zu den größten Werten gehörte. Weil der Film ursprünglich für das Fernsehen produziert wurde, resultiert daraus sowohl das 4:3-Format als auch die Aufteilung als Zweiteiler (2 x 90 Minuten). Die Farben und Konturen sind einwandfrei, das Bild ist klar und fast rauschfrei, auch die Schärfe ist akzeptabel. Der DD-2.0-Ton liegt in Deutsch und Englisch vor, Untertitel sind leider keine enthalten. Auch sonstige Extras sind nicht vorhanden. Die DVD befindet sich in einer stilvoll aufgemachten Klappbox im Kartonschuber. Auch wenn der Film eine FSK-6-Freigabe erhalten hat, habe ich doch meine Zweifel hinsichtlich jüngeren Kindern als Zielgruppe. Es ist kein leichter, lustiger, unterhaltsamer Film für die ganze Familie, sondern zeigt eine harte Lebensgeschichte aus der dunklen Zeit des britischen 19. Jahrhunderts, die nicht als Tränendrücker à la "Titanic" daherkommt. Er dürfte daher erst für Kinder ab 12 Jahre nachvollziehbar sein, jüngere werden viele Situationen, Zusammenhänge und Anspielungen kaum schon verstehen können. Alles in allem aber eine durchaus solide Produktion, die ein Thema aufgreift, welches heute noch in vielen Ländern aktuell ist. Dass auch "David Copperfield" wie "Oliver Twist" eine der Dickenschen Sozialkritik ist, vergisst man angesichts der durchaus interessanten und atmosphärisch dichten Handlung sehr schnell. Im Endeffekt erhält man hier einen äußerst sehens- und bemerkenswerten Film mit hervorragenden Darstellern (allen voran: Sally Field) " ganz im Stil und Sinne Charles Dickens. (gh)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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