Die Schüssel als Tor zur Welt

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Datum: 22.08.2010 | Kategorie: Der Satellitenhimmel über Europa

Bevor ich in meine erste Kolumne in der neuen Rubrik rund um das Satellitenfernsehen einsteige, möchte ich unbedingt noch etwas voranstellen. In meiner Beteiligung an dieser Rubrik, die auch eine Idee von mir war, steckt nämlich ein scheinbarer Widerspruch. Zwar werde ich ab heute gelegentlich über das Thema Satellitenfernsehen schreiben, jedoch habe ich selber keinen Satellitenempfang zuhause. An diesem Zustand wird sich vorläufig auch nichts ändern, denn meine Wohnung ist schlicht und ergreifend auf der falschen Seite des Hauses. Wenn man aber häufiger in bestimmte Internetforen schaut, könnte man den Eindruck bekommen, dass viele Menschen nicht begreifen, dass es außer dem Süden noch weitere Himmelsrichtungen gibt und dass Balkons und Fenster nicht nur an Südseiten der Häuser zu finden sind. Und selbst der Blick Richtung Süden ist noch keine Garantie auf Satellitenempfang, denn wenn ein Baum oder ein Haus im Weg steht, ist es mit der Freiheit, die vom Himmel kommt, ebenso Essig. Aber die Sat-Nutzer können es trotzdem nicht lassen, den Zwangskabelgefrusteten gebetsmühlenartig immer wieder den Umstieg auf Sat-Empfang zu empfehlen. Das nervt! Für diejenigen, die zwangsweise am Kabeltropf hängen und eben nicht die Möglichkeit zum Wechseln haben, sei es aus rein physikalischen oder auch aus rechtlichen Gründen, klingen diese Empfehlungen wie Hohn. Aber andererseits kann ich auch nachvollziehen, dass viele begeisterte Sat-Zuschauer ihren Empfangsweg teilweise mit missionarischem Eifer weiterempfehlen, denn dieser Empfangsweg ist dem Kabelfernsehen einfach haushoch überlegen.

Die Vorzüge und die Möglichkeiten des Satellitenempfangs sollen im Mittelpunkt dieser neuen Kolumnenrubrik stehen. Zuhause komme ich zwar leider nicht in den Genuss der Fernsehvielfalt aus dem Weltall, doch gelegentlich habe ich die Möglichkeit, wenigstens für ein paar Stunden vom Sat-Empfang Gebrauch zu machen und darüber hinaus informiere ich mich aus persönlichem Interesse regelmäßig über die Vorgänge am Satellitenhimmel. Doch kommen wir nun endlich zur Sache.

Millionen von deutschen Fernsehhaushalten empfangen ihre Programme heutzutage über Satellit und die Anzahl steigt stetig an. Vor allem in den östlichen Bundesländern und in Bayern ist dieser Empfangsweg besonders populär. Mitte der 1980er Jahre war der Satelliten-Direktempfang hingegen hierzulande noch eine absolute Seltenheit und damals außerdem noch genehmigungspflichtig. Ende der 1980er begann dann die allmähliche Etablierung des Satellitenempfangs in Deutschland, vor allem wegen der Astra-Satelliten, deren Empfang mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand möglich war und außerdem ein für damalige Verhältnisse attraktives Programmangebot bieten konnte. Satellitenempfang setzte sich seit den 1980ern vor allem dort durch, wo es keinen Kabelanschluss gab, zumindest bei den einheimischen Zuschauern. Für Einwanderer war der Satellitenempfang dagegen immer schon eine Möglichkeit, Fernsehprogramme aus ihrer Heimat sehen zu können.

In den folgenden Jahren wurde der Satellitenempfang zu einem Massenphänomen in Deutschland. Doch warum schauen hierzulande viele Menschen über Satellit und welche Anforderungen stellen diese Zuschauer an diesen Empfangsweg? Es wird wohl der Fall sein, dass die große Masse der deutschen Sat-Zuschauer auch nur ihre gewohnten, regelmäßig geschauten Programme sehen wollen und mehr nicht. Das könnte zumindest erklären, warum im deutschsprachigen Raum noch so viele Zuschauer analogen Satellitenempfang haben. In Europa gibt es heutzutage nur noch Sender in deutscher und französischer Sprache, die über Satellit noch analog senden. In anderen Teilen Europas hat man diesen alten Zopf schon längst abgeschnitten. Über die wohl mit Abstand populärste Satellitenposition in Deutschland und Österreich, nämlich die mit mehreren Astra-Satelliten bestückte Position 19,2° Ost, strahlen viele deutschsprachige Sender ihr Programm aus. Daher kann man davon ausgehen, dass von den deutschen Zuschauern so gut wie jeder die Schüssel auf 19,2° Ost gerichtet hat, aber die meisten davon ausschließlich auf diese Position. Ich möchte sogar behaupten, dass viele Sat-Zuschauer vermutlich gar keine andere Satellitenposition kennen. Nicht viel anders wird es bei den Einwanderern aussehen, die lediglich ihre Heimatprogramme sehen wollen. Auch einem großen Teil von ihnen möchte ich unterstellen, dass sie nicht unbedingt an Programmen aus allen möglichen Ländern interessiert sind, sondern nur an Sendern aus ihrem Land oder in ihrer Muttersprache. So bietet beispielsweise Türksat auf 42° Ost eine große Menge an türkischen Sendern. Bei Auswanderern aus der ehemaligen Sowjetunion wird man hingegen schon eher Schüsseln sehen, die mehrere Positionen anpeilen, da hier die interessanten Programme auf mehrere Satelliten verteilt sind.

Es gibt aber auch Sat-Zuschauer, die sich mit einer Sat-Position bei Weitem nicht zufriedengeben, sie wollen mehr. Sie wollen die geradezu erdrückende Vielfalt an Programmen aus allen möglichen Ländern, die von vielen Satelliten abgestrahlt werden, ausnutzen. Den vollen Zugriff auf diese Vielfalt hat man aber in der Regel nur, wenn man seine eigene Schüssel nutzen kann, an einer Gemeinschaftsschüssel hat man diese Möglichkeit nicht oder nur eingeschränkt. Es gibt zwei Möglichkeiten, mehrere Satellitenpositionen zu empfangen, nämlich der Multifeed-Betrieb oder die Verwendung eines Drehmotors. Bei einer Multifeed-Anlage werden zwei oder mehr LNBs für die gewünschten Satellitenpositionen an einer Schüssel montiert. Dafür sollte allerdings eine Schüssel mit einem größeren Durchmesser verwendet werden, um einen ausreichenden Empfangspegel auf jedem Satelliten zu gewährleisten. Außerdem muss man sich auf bestimmte Satelliten festlegen. Prinzipiell ist eine Multifeed-Anlage erweiterbar, was aber von Fall zu Fall anspruchsvoll werden kann und ggf. einen Austausch der Komponenten erfordert. Teilweise gibt es auch vorgefertigte Lösungen für den Multifeed-Empfang, etwa die Multytenne von TechniSat, mit einem speziellen Monoblock-LNB für vier Positionen. Ein großer Vorteil der Multifeed-Lösung ist, dass damit auch Gemeinschaftsanlagen möglich sind und somit mehrere Haushalte davon profitieren können.

Die totale Vielfalt hat man aber wirklich nur mit einer drehbaren Schüssel. Eine Satellitenantenne mit Drehmotor kann aber nur in je einem Fernsehhaushalt genutzt werden. Dafür kann man aber auch wirklich alles empfangen, was der Satellitenhimmel bietet und was die Schüsselgröße hergibt. Je größer die Schüssel, umso besser können schwache Signale dekodiert werden, womit auch mehr Sender zu empfangen sind. Aber selbst mit einer kleinen drehbaren Schüssel könnte man schon ein Vielfaches vom dem empfangen, was man mit einer Nur-Astra-Anlage hereinbekommt. Im Prinzip kann man die gesamte Hemisphäre über dem Wohnort abgrasen, von einem Horizont zum anderen, je nach dem, wie frei die Sicht ist.

Doch was bekommt man auf diesen Tausenden Sendern auf vielen Satelliten aus zig Ländern und in zig Sprachen zu sehen? Alles und nichts! Die Auswahl ist erschlagend. Vollprogramme, Nachrichtensender, Musiksender, Dokumentationssender, religiöse Sender, aber auch Shoppingsender, Spielesender und natürlich auch Erotiksender. Selbst wenn man nur durch alle Sender durchzappen wollte, könnte man schon den ganzen Tag damit verbringen. Die Motivation, mehrere Satelliten empfangen zu wollen, kann natürlich auch sehr vielfältig sein. Bestimmte Serien, Filme oder Formate in der Originalsprache sehen zu wollen, Sendungen zu sehen, die es im deutschen Fernsehen nicht gibt, Interesse an Fremdsprachen oder an fremden Ländern im Allgemeinen oder auch einfach nur der Wille, möglichst viele Sender empfangen zu wollen, was auch immer diese zeigen mögen. Bei manchen Sat-Nutzern ist es wie ein Sammeltrieb, so wie andere Menschen Briefmarken oder Bierdeckel sammeln, so sammeln diese Fernsehkanäle. Jede Neuaufschaltung und jeder Frequenzwechsel wird registriert oder schon im Voraus gespannt abgewartet. Es sind die sogenannten Sat-DXer, welche die Herausforderung suchen, möglichst viele und möglichst exotische Sender zu empfangen und dabei auch möglichst die schwächsten Signale noch dekodieren zu können. Es geht oftmals nicht um den Inhalt der Sender, nur der Empfang zählt. Hierbei ist die Ausstattung der Anlage besonders wichtig. Ein möglichst großer Schüsseldurchmesser und möglichst hochwertige Komponenten, rauscharme LNBs, Kabel mit geringer Dämpfung und Receiver mit empfindlichem Tuner. Ein Billigreceiver aus dem Baumarkt eignet sich nicht zum DXen.

Doch nicht nur die frei empfangbaren Sender haben die DXer im Blick. Auch auf den verschlüsselten Sendern kommt es gelegentlich vor, dass die Verschlüsselung aus technischen Gründen für kurze Zeit aufgehoben wird und man so als Zaungast einen Einblick in diese Sender erhält, die man normalerweise nicht sehen kann. Aber dafür muss man nicht einmal ein DXer sein, denn auch auf Astra 19,2° Ost gibt es genug verschlüsselte Sender, die ab und zu "offen" sind, insbesondere die niederländischen Sender. Es gibt aber nicht nur reguläre Fernsehsender auf den Satelliten, sondern auch Direktübertragungen und Überspielungen, z. B. von Nachrichtenbeiträgen. Das sind die sogenannten "Feeds", die auf viele Sat-DXer eine Faszination ausüben. Wenn beispielsweise ein Reporter vor Ort für eine Nachrichtensendung berichtet und eine Schalte in diese Nachrichtensendung per Satellit ermöglicht wird, so kann man auch diese Satellitenübertragung, die eigentlich nicht für den Ottonormalzuschauer gedacht ist, anzapfen. Hierfür sind aber auch große Schüsseln und geeignete Receiver (mit Blindscan-Funktion) notwendig.

Sat-Empfang ist nicht gleich Sat-Empfang. Zwischen den Durchschnittszuschauern, die mit einer kleinen Schüssel einfach nur ihre gewohnten Programme sehen wollen und den DXern, die mit größeren, drehbaren Schüsseln unzählige Sender aus aller Welt empfangen wollen, liegen Welten. Für die DXer ist eine Sat-Anlage nicht einfach nur ein Gebrauchsgegenstand für den Alltag. Sat-DXen ist nicht einfach nur Fernsehen für sie, es ist ein leidenschaftliches Hobby. Einige von ihnen haben sogar riesige Schüsseln mit Durchmessern von drei Metern und mehr. Das zeigt auch, dass extremes DXen eigentlich nur möglich ist, wenn man im Besitz eines Eigenheims mit Garten ist. Auf einem Balkon einer Mietwohnung dürfte in der Regel bei einer Schüsselgröße von 1,20 m die maximal mögliche Größe erreicht sein. Aber auch mit 1,20 m Durchmesser lässt sich eine Unmenge an Sendern empfangen. Entscheidend ist letztendlich, auf wie viele Satelliten die Sicht frei ist. (jh)