Okami

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Datum: 14.10.2011 | VÖ: 09.02.2007 | Herausgeber: Capcom | Kategorie: PlayStation 2

Das Land Nippon sieht seinem Untergang entgegen und nur ein weißer Wolf kann helfen. Vor hundert Jahren wurde eine dunkle, böse Macht nur mit vereinten Kräften zwischen einem großen Krieger und einem göttlichen Wolf mit weißem Fell gebannt. Nun ist die Bedrohung zurück und der Wolf wird wieder gebraucht: Amaterasu wird erneut erweckt, nach einhundert Jahren, die sie als Statue verbracht hatte.
Soviel zur Ausgangslage, aber eins nach dem anderen: wir befinden uns im klassischen Japan, hier im Spiel "Nippon" genannt (was eigentlich auch nur "Japan" auf Japanisch heißt) und sind natürlich der Heldencharakter, der die dunkle Macht zurückdrängen und besiegen muss. Die Anwesenheit der bösen Macht zeigt sich durch einen schweren Fluch, der auf dem Land liegt: Bäume stehen kahl herum, belebende Winde sind verstummt, wichtige Quellen versiegt. Als Spieler steuert man den wieder "aktivierten" göttlichen Wolf mit dem weißen Fell: Amaterasu und belebt die Natur wieder, hilft den Menschen, nährt die Tiere und stellt die natürliche Ordnung der Dinge Stück für Stück wieder her, während man sich immer näher an den Kern des ganzen Übels heranarbeitet. Man bereist also Nippon, stets in Begleitung des "Reisenden Künstlers" Issun, einem kleinen grünen Männchen, das man am ehesten als einen wohlgesonnenen Floh bezeichnen kann. Unterwegs trifft man Mensch und Tier und muss sehr viel wieder ins Lot bringen, z.B. den heiligen Wind der ein ganzes Tal belebt und beschützt aus der Gefangenschaft durch den bösen Rothelm befreien.

Vorrangig besteht das Spiel daraus, die Ländereien zu erkunden und den Aufgaben der Bewohner Nippons nachzugehen: Hundekrieger wiederfinden, eine gewisse Anzahl Bäume wieder erblühen lassen oder einen besonders schweren Fluch, der auf einem Dorf lastet, aufheben. Man betrachtet Amaterasu aus der Verfolgerperspektive mit drehbarer Kamera und zwei verschiedenen Zoomstufen. Amaterasu kann wie ein einfacher Wolf, rennen, graben, bellen, springen und einen Vorstoß vollführen. Befindet man sich in einer Kampfsituation, wechseln die Funktionen der Controller-Tasten und Amaterasu greift und blockt mit ihren Waffen: heilige Spiegel (wird als Schild gebraucht) oder Gebetsketten (mit ihnen peitscht man) kommen zum Einsatz.
Generell ist die Steuerung sehr klar strukturiert, gradlinig und logisch aufgebaut. Man muss keine langen Tastenkombinationen lernen, sondern kommt sehr schnell in die Bedienung, findet sich rasch zurecht und weiß Amaterasu zu bewegen, sowohl beim Erkunden als auch beim Kämpfen. Das ist aber noch lange nicht alles, denn "Okami" hat einen Kniff, der zu einer zusätzlichen Ebene der Bedienung des Spiels führt.

Das gesamte Spiel ist optisch so aufgezogen, dass man den Eindruck hat, auf raues Papier, das mit Tintenzeichnungen bemalt ist, zu schauen. Jede Figur, jedes Objekt, Himmel und Erde " alles ist Tusche auf Papier und sieht fantastisch aus. Durch den Trick mit der Tusche gibt es so gut wie keine Spur des klassischen Problems körniger Kanten und grober Polygone, denn die Tusche ist mit schwungvollem Strich gezeichnet und bewegt sich immer irgendwie ein Bisschen. Es gibt keine scharfen Kanten und somit kann die Optik auch aktuell noch vollkommen überzeugen. Man ist sowieso damit beschäftigt, die Welt zu bestaunen und konzentriert sich daher gar nicht auf konventionelle Aspekte von Spielgrafik.

Der Clou ist nun aber der Umgang des Spiels mit der Tatsache, dass alles Tuschezeichnung ist: drückt man R1 "kippt" die Spielwelt gewissermaßen nach hinten weg und wird zu einem zweidimensionalen Bild, das vor dem Spieler liegt. Man kann nun mit einem Pinsel Striche und Formen auf das Papier, das die stillstehende Spielwelt zeigt, malen und Einfluss auf die Welt nehmen!
Steht man vor einem kahlen Baum, wechselt man in die Pinsel-Perspektive und malt mit dem Analog-Stick einfach einen Kreis um die Baumkrone. Wechselt man dann wieder in die Spielwelt, wird die soeben gemalte Kreisform zu einem Zauberspruch " in diesem Fall zum Spruch "Blühen" und der Baum wird wieder frische Blätter tragen. Im Laufe des Spiels lernt man immer mehr Formen, die man zeichnen kann und beherrscht nach und nach immer mehr Elemente. So kann man später Wasser umleiten, Winde wehen lassen oder gar den Wechsel zwischen Tag und Nacht bestimmten: einfach Mond oder Sonne in den Himmel malen.
Eine derart geniale Funktion findet man in Spielen selten und hier zeigt sich einmal mehr, was für eine Ausnahmeerscheinung "Okami" ist.

Ein paar "typische" Elemente gibt es aber auch: man hat ein Inventar, in welchem man Knochen zum Heilen von Lebensenergie oder Power-Ups sammelt, kann Fähigkeiten durch gesammeltes "Glück" steigern und Primär- und Sekundärwaffe frei belegen, insofern man bereits mehr als eine Waffe hat.
Inhaltlich ist alles auch leicht zugänglich: oftmals geht es darum, einen wichtigen Gegenstand zu finden, einen Zugang zu öffnen, jemanden zu erretten oder zu besiegen usw.
Im Inhaltlichen und im Missionsdesign liegt auch die enorme Schwäche des Spiels. Die hier verfasste Rezension basiert auf den ersten zwanzig Stunden des Spiels. Weiter konnte ich es nicht mehr ertragen, immer wieder das gleiche zu tun: irgendetwas finden und bringen oder jemanden suchen. Immer und immer wieder Such&Bring-Missionen. Man kann das humoristisch nehmen, da man ja einen Vierbeiner spielt und diese gern zum Apportieren trainiert werden, aber man möchte als Spieler unterhalten werden und hier traten für mich extreme Abnutzungserscheinungen im Spielspaß auf. Man erschließt sich einen neuen kleinen Teilabschnitt der Spielwelt und bekommt recht früh schon wieder eine Such&Bring-Mission. Immer und immer wieder. Irgendwann reichte es mir einfach.
Ebenfalls anstrengend ist die "Sprachausgabe". Jede Figur gibt anstelle von menschlicher Sprache brabbelnde Laute von sich, während im unteren Teil des Bildes Text die eigentliche Aussage transportiert. In simplen Zwischensequenzen kann man den Text per Knopfdruck beschleunigen und somit das Gebrabbel verkürzen " in großen, wichtigen Sequenzen nicht. Da ist man dann der Langsamkit des Texts und der Fortdauer des Gebrabbels schutzlos ausgeliefert. Gleich zu Beginn des Spiels, als die Vorgeschichte erzählt wird, muss man zweiundzwanzig(!) Minuten hiervon durchstehen. Beinahe hätte ich da schon hingeschmissen.

"Okami" ist also ein Spiel in einem hochinteressanten Setting, das mit einer grandiosen Idee und Inszenierung aufwartet. Die Steuerung ist intuitiv, die Welt wunderschön, die Optik wie ein Traum und all das wird leider durch ein simples und frustrierend repetitives Missionsdesign entwertet. Liebend gern würde ich hier eine uneingeschränkte Spielempfehlung aussprechen, denn so wundervoll inszeniert ist so schnell kein anderes PS2-Spiel, aber die nur von der Umgebung her unterscheidenden Such&Bring-Missionen haben mir den Spielspaß tödlichst vergiftet. (mp)

Wertung: 6 von 10 Punkten (6 von 10 Punkten)

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