Uwe E. Kraus

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Am 3. März 2010 hatten wir erstmals die Gelegenheit, das historische Farbfernsehversuchslabor der Bergischen Universität Wuppertal zu besuchen. Mit Prof. Dr.-Ing. Uwe E. Kraus, dem Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Nachrichtentechnik, haben wir im Anschluss daran folgendes Interview per E-Mail-Fragebogen geführt. Prof. Kraus hat bereits in seiner Studienzeit im Farbfernsehversuchslabor des WDR mitgewirkt und wurde später zu einem der Pioniere des digitalen Fernsehens in Deutschland. Für seine Verdienste um die Entwicklung des digitalen Fernsehens ist er in diesem Jahr von der weltgrößten Ingenieurvereinigung, dem Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE) ausgezeichnet worden.

Redaktion: Herr Prof. Dr. Kraus, Sie haben bis vor kurzem das Farbfernsehversuchslabor am Institut für Nachrichtentechnik der Bergischen Universität Wuppertal geleitet. Können Sie bitte in wenigen Sätzen zusammenfassen, was der Zweck und die Aufgabe dieses Labors war?

Das Labor diente hauptsächlich der Lehre und der Bereitstellung von Farbfernsehsignalen für die Forschung am Lehrstuhl für Nachrichtentechnik. Das Labor enthält technik-historisch wertvolle Unikate, die erhaltenswert sind und neben der vorhandenen historischen Literatur die Basis für weitere technik-historische Forschungen bilden können.

Redaktion: Wie sind Sie damals als Diplomand zur Mitarbeit im Farbfernsehversuchslabor gekommen und was war Ihre Aufgabe in dieser Arbeitsgruppe?

Ich habe an der RWTH Aachen die Vorlesungen von Herrn Dr. In der Smitten, seinerzeit Leiter des Farbfernsehversuchslabors des WDR und Lehrbeauftragter für Fernsehtechnik in Aachen, gehört. Durch gezeigtes Interesse an der Fernsehtechnik - ich habe mich als Funkamateur seit 1965 mit der Fernsehtechnik experimentell befasst - habe ich von Dr. In der Smitten ein Angebot bekommen, meine Diplomarbeit in seinem Labor zu schreiben. Es handelte sich um ein Thema zur Aufzeichnung von Farbbildern auf schwarz/weiss Film.

Redaktion: Die ersten Farbfernsehversuche fanden in der Bundesrepublik Deutschland 1963 statt. In den USA war das Farbfernsehen bereits seit den frühen 1950er Jahren auf Sendung. Hatte man in der Bundesrepublik auch schon vor 1963 an der Entwicklung des Farbfernsehens gearbeitet?

Hierüber müsste ich recherchieren, mir ist bekannt, dass es ausser PAL noch das FAM Verfahren von Dr. Norbert Mayer gab. Hierbei wurde der Farbhilfsträger mit einem Farbdifferenzsignal in der Frequenz und mit dem anderen in der Amplitude moduliert, dieses Verfahren hat sich aber nicht durchgesetzt.

Redaktion: Die Farbfernsehversuche haben 1963 begonnen, aber auf Sendung ging das Farbfernsehen in der Bundesrepublik erst im Jahr 1967. Das lässt vermuten, dass umfangreiche Versuche notwendig waren, bis das Farbfernsehsystem ausgereift war. Was waren die größten Schwierigkeiten, die in dieser Testphase aufgetreten sind?

Eine Schwierigkeit bestand darin, die in Betracht kommenden Systeme hinsichtlich einer guten Kompatibilität zum bestehenden Schwarz/weiss Fernsehen zu optimieren; Farbsendungen sollten auch auf seinerzeit noch in der Überzahl befindlichen Schwarz/weiss Empfängern in schwarz/weiss empfangbar sein, ohne dass die zusätzliche Farbinformation störend wirkt.
Es waren umfangreiche Untersuchungen über den Einfluss von Kanalstörungen nötig. Alle Farbfersehsysteme unterscheiden sich bei idealem Übertragungskanal kaum in der Bildwiedergabequalität. Bei unvermeidlichen Störungen, wie Rauschen, Nichtlinearitäten, Echos etc. hat sich PAL als das robusteste Verfahren herausgestellt.
Meiner Erinnerung nach hätte man auch schon etwas früher mit Farbsendungen beginnen können, die Industrie wollte aber erst noch mehr Schwarz/weiss Empfänger verkaufen.

Redaktion: Warum hat man sich in der Bundesrepublik für die Einführung des PAL-Systems entschieden und nicht das in den USA übliche NTSC-System übernommen?

Die Farbwiedergabequalität wurde als für Europa zu schlecht empfunden; insbesondere Farbsättigungs- und Farbtonfehler als Folge amplituden- und phasennichtlinearer Verstärker waren ein ernstes Problem. SECAM vermeidet diese Fehler zumindest theoretisch, bei PAL erscheint der Übertragungsfehler positiv und negativ und kann daher im Empfänger durch Mittelung automatisch entfernt werden.

Redaktion: Bereits in den 1980er Jahren wurden Experimente mit analogem HDTV durchgeführt. Wie beurteilen Sie rückblickend die Qualität des damaligen analogen hochauflösenden Fernsehens und warum konnte sich der analoge HDTV-Standard nicht durchsetzen?

Es handelte sich um das Verfahren HD-MAC, das von der Europäischen Industrie unter Federführung von Philips, Eindhoven/NL entwickelt wurde, die Signalverarbeitung war bereits weitgehend digital, die Übertragung aber analog. Es bestand die Forderung, dass HD-MAC zu D2MAC (Standardauflösung) kompatibel sein sollte. Hierzu waren viele technische Kompromisse nötig, die zu einer deutlichen Verschlechterung der Bildqualität führten.

Redaktion: Sie gelten als einer der Pioniere des digitalen Fernsehens in Deutschland und haben zu diesem Thema habilitiert. Wann hat man die ersten Versuche zur Ausstrahlung digitalen Fernsehens in Deutschland durchgeführt und wie liefen diese Tests ab?

Meine Habilitation beschäftigte sich mit der Datenreduktion von digitalisierten Fernsehsignalen, speziell um einen Vergleich von prädiktiven- und Transformations-Verfahren.
Die ersten Versuche zur Ausstrahlung digitalen Fernsehens haben im September 1992 stattgefunden. Es handelte sich um eine Kooperation von WDR, der Firma Thomson, der ich zu dieser Zeit angehörte, und dem Lehrstuhl für Nachrichtentechnik der Bergischen Universität Wuppertal (Prof. Dr. In der Smitten). Die Sender und Empfänger wurden von Thomson gestellt, der WDR stellte einen Sendemast am Standort Langenberg zur Verfügung und empfangen wurde an der Bergischen Universität, im Gebäude I an der Fuhlrottstrasse.
In einem Kolloquium wurden Vertretern aus Industrie und Wissenschaft die Sendungen vorgeführt und erläutert. Es wurde die heute bei DVB verwendete OFDM gesendet allerdings mit nur 512 Trägern und einm Datenstrom von 34 MBit/s, da MPEG noch nicht standardisiert war. Es wurde ein auf einer digitalen Maschine aufgezeichneter Kölner Karnevalszug gesendet.

Redaktion: Vor kurzem haben Das Erste und das ZDF den HDTV-Regelbetrieb aufgenommen. Wie schätzen Sie die Entwicklung und den Erfolg von HDTV in Deutschland in naher Zukunft ein?

Die Zeit für HDTV ist jetzt reif, die Bildschirme und Empfangsgeräte sind vergleichsweise preisgünstig. Für einen dauerhaften Erfolg sind zudem hochqualitative Programme erforderlich.

Redaktion: elche technische Innovation seit den Farbfernsehversuchen ab 1963 ist Ihrer Meinung nach am bedeutendsten gewesen und wie stark prägt diese das heutige Fernsehen?

Neben der Weiterentwicklung der Schaltungstechnik ist besonders entscheidend die Entwicklung der Halbleitertechnik, insbesondere die Entwicklung analoger und vor allem digitaler Schaltkreise gewesen. Waren die ersten Studiogeräte und Heimempfänger mit Elektronenröhren bestückt, so können heute äusserst umfangreiche Systeme auf kleinem Raum und bei geringem Stromverbrauch realisiert werden. Weiterhin bietet der Halbleiter-Bildspeicher zahlreiche neue Anwendungen; ein weiterer grosser, allerdings gegen enorme Schwierigkeiten erkämpfter Fortschritt ist der grosse flache HDTV- fähige Bildschirm. Auch das Zusammenwachsen von Unterhaltungselektronik und Computertechnik hat wesentlich zum Fortschritt beigetragen.

Redaktion: Wie beurteilen Sie rückblickend das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen Ihrem Lehrstuhl und dem Westdeutschen Rundfunk?

Die Zusammenarbeit mit dem WDR ist ein über mehrere Jahrzehnte dauernde Erfolgsstory. Mein Vorgänger im Amt, Herr Prof. Dr. In der Smitten, Leiter des Farbfernsehlabors beim WDR und zuletzt stellvertretender Technischer Direktor, hat den Lehrstuhl für Nachrichtentechnik an der Bergischen Universität Wuppertal mit dem Schwerpunkt Rundfunk- und Fernsehtechnik im Jahre 1975 gegründet und Kooperationen mit dem WDR auf dem Gebiet der analogen und digitalen Signalverarbeitung von Bild- und Tonsignalen unterhalten. Als ich den Lehrstuhl im Jahre 1994 übernahm, habe ich die technische Entwicklung und Forschung der Zeit und meiner Industrietätigkeit entsprechend hauptsächlich auf die digitale Übertragung von Fensehrundfunksignalen umgestellt. So wurden Sender und Empfänger für das amerikanische digitale HDTV Verfahren nach dem ATSC Standard entwickelt und mit einem amerikanischen Institut in Washington erprobt. Für den WDR wurde zunächst ein DVB-T Sender entwickelt und in einem weiteren Auftrag die Übertragungseigenschaften insbesondere bei Inhouse-Empfang und vergleichend im VHF- und UHF-Bereich getestet.

Redaktion: Kommen wir schließlich zur Zukunft des Farbfernsehversuchslabors. Es gibt Pläne, das Labor in absehbarer Zeit auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gibt es bereits Ideen oder Konzepte, wie man dieses Vorhaben umsetzen möchte? Welches Publikum sollte dabei besonders angesprochen werden?

Es soll sowohl das Historische Farbfernsehlabor mit seinen technik-historischen Unikaten als auch weitere Exponate, die die Entwicklung hin zum heutigen Digitalfernsehen und HDTV aufzeigen, der interessierten Öffentlichkeit durch Führungen mit den entsprechenden Erläutertungen zugänglich gemacht werden. Es wird auch den Pionieren der Nachrichtentechnik, insbesondere der Fernsehtechnik die gebührende Beachtung zukommen.
In Kooperation mit dem Westdeutschen Rundfunk Köln und unterstützt durch die Leitung der Bergischen Universität und den Fachbereich Elektrotechnik, Informationstechnik, Medientechnik wird das Labor weiter ausgebaut und die Präsentation an verschiedene Zielgruppen, Fachleute und technikinteressierte Laien, angepasst.
Allen Beteiligten liegt besonders daran, junge Leute für die Technik und den Ingenieurberuf bzw. für ein entsprechendes Studium in Wuppertal zu begeistern.

Redaktion: Vielen Dank für Ihre Auskunft!

Der Beitrag wurde am 22.03.2010 von jh verfasst.

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