• Ich war am Wochenende auf einer Veranstaltung, auf der die fraktionslose Landtagsabgeordnete Claudia Stamm auftrat. Sie war bis vor kurzem Mitglied der Grünen und trat aus, weil ihr die Grünen zu sehr Mainstream wurden. Zusammen mit anderen hat sie die Partei Mut gegründet.
    Ich bin gespannt, was das wird. Ein paar kluge Köpfe sind auf jeden Fall schon mal dabei, und ihr Auftritt war schon sehr beeindruckend :)
    No Nick hat ja vor der Bundestagswahl gesagt: Es gibt auch Alternativen zu den Alternativen ;) Ich hoffe, das wird endlich mal eine :)
    https://www.zeitzuhandeln-bayern.de/

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Na, mal schauen. Mut ist so eine Sache. Mutig ist für mich der, der zugibt, feige zu sein.


    Ich selbst kann mit dem Begriff "zu sehr Mainstream" nicht wirklich viel anfangen. Man muss auch nicht alles anders machen als der Rest der Welt, aber Veränderungen lassen sich nun mal nicht von heute auf morgen verwirklichen.


    Ich vermute mal, Frau Stamm war nicht so recht damit einverstanden, dass die Grünen gerade versuchen, Kompromisse in den Bereichen Braunkohle und Flüchtlinge auszuloten. Das heißt doch nicht, dass man die eigentlichen Ziele für immer aufgeben muss. Alles auf einmal kann niemand durchsetzen. Es sei denn, Mut kriegt 50%+X bei der nächsten Wahl.

  • Da unterschätzt du Frau Stamm schon etwas. Sie hat in dem Vortrag einiges aufgezählt, was ihr nicht gefallen hat, und da ging es kein einziges Mal um die anstehenden Sondierungsgespräche.
    Und für mich persönlich ist die Prosecco-Ökologie der Grünen momentan sehr unglaubwürdig. Aber auch das war es nur bedingt, was Frau Stamm angesprochen hat. Man darf auch nicht vergessen, dass die Partei Mut schon vor fast einem Jahr gegründet wurde und offenbar in der Presse im Moment totgeschwiegen wird.


    Teilweise anderes Thema:
    Nach der Wahl wurde von einem Politiker der CDU gesagt, dass über 20% der deutschen Wähler Parteien gewählt haben, die eine grundsätzliche Veränderung der deutschen Gesellschaft wollen, konkret also die AfD und die Linke. Bei den Leuten bin ich zwar aus wahltatktischen Gründen nur zu 50% dabei, aber ich bin froh, dass ich überhaupt dazu gehöre.


    In der deutschen Politik ist für mich schon eine verhängnisvolle Tendenz in der Politik darin zu erkennen, die kapitalistische Demokratie als etwas selbstläuferisches Gottgegebenes anzusehen, besser als alles andere. Und es wird routinemäßig gefordert, das immer wieder neu zu erkämpfen. Diese Routine funktioniert zunehmend nicht mehr. Ein Beispiel, aber jetzt wirklich nur ein Krasses: Ihr Näschen für Diktaturen hin oder her, in Sachsen und in Thüringen bauen sich zunehmend mehr rechtsradikale Netzwerke auf bzw. haben sich aufgebaut. Möglicherweise gilt das für Sachsen-Anhalt genauso, wobei ich hier keine konkreten Aussagen zur Hand habe. Anderen Leuten in ganz Deutschland ist es total egal und akzeptieren sogar Diktaturen, Hauptsache sie sind gut. Der ehemalige Kurzzeitministerpräsident Günther Beckstein war bei der Veranstaltung mit Claudia Stamm auch. Er fordert von der Ev. Kirche Deutschlands ein Verhalten, die sie nach Jahrhunderten schnurstracks ins Dritte Reich und zur den Deutschen Christen geführt hat...

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  • Andererseits wird auch Mut nicht so tun können, als wären ihre Positionen gottgegeben und damit nicht verhandelbar.


    Und ich bin überzeugt, dass unser System das überlegene ist. Es soll doch mal keiner glauben, die Menschen würden freiwillig ein System befürworten, das ihre Freiheit einschränkt. Wer derarteige Parteien wählt, verfolgt andere Ziele, nämlich, irgendwann über den anderen zu stehen.


    Denn mal ehrlich: Frei ist in einer Diktatur nur der Diktator und die, die sich in dessen Dunstkreis sonnen. Dass das nicht ungefährlich ist, bekamen jüngst einige Verwandte Kim Jon-Uns zu spüren.

  • Was Mut betrifft: Stimmt, da werden sie definitiv einiges beweisen müssen. Aber dass die Grünen extrem viel an Individualität und Glaubwürdigkeit verloren haben, ist auch eine Tatsache.


    Zum zweiten Punkt: Mit deiner Schlussfolgerung gebe ich dir absolut recht. Aber mir macht es schon Sorgen, dass man in Sachsen der Gefahr der Entstehung von rechtsextremen Netzwerken alles runtergespielt und weitgehend ignoriert hat, wahrscheinlich um nirgendwo anzuecken, und wenn man dann wie Stanislaw Tillich kurz versucht ins rechte Horn zu blasen und sich dann vom Acker macht, dann läuft einfach gewaltig was schief. Und ein Selbstläufer ist Demokratie trotzdem nicht. Dafür gibt es in der Geschichte viele Beispiele.


    Zu Punkt 3: klar!

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  • Ich glaube, ein Knackpunkt bei den Grünen war auch der Konflikt in Jugoslawien. Joschka Fischer hat sich für den NATO-Einsatz stark gemacht und dafür einen Farbbeutel an den Kopf geworfen bekommen. Er meinte daraufhin, man könne ja Milosevic für den Friedensnobelpreis vorschlagen.


    Politik ist immer die Kunst des Möglichen. Wenn sich aber einer absolut querstellt, wird es schwierig. Es ging ja auch um Menschenleben. Jetzt, da die Grünen in Baden-Württemberg stärkste Partei sind und in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg stets das Direktmandat für den Bundestag holen, wäre es an der Zeit für die Grünen, die Muskeln spielen zu lassen. Wenn sie anderen Parteien entgegenkommen, dürfen sie keinen Schritt zu viel gehen. Das ist schwierig.


    Was die Grünen durchgesetzt haben, ist der Ausstieg aus der Kernenergie. Es war zwar nicht direkt ihr Verdienst, aber sie haben das Thema stets beackert, das Erdbeben in Japan 2011 tat sein Übriges.


    Nicht Mut muss man haben, sondern Zeit und Geduld. ;)


  • Nicht Mut muss man haben, sondern Zeit und Geduld.


    Das ist mir definitiv zu generalisiert. Tatsache ist es nun einmal, dass viele Leute von der Politik enttäuscht sind und sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen. Und dann sind Alternativen auf jeden Fall wichtig. Ganz unabhängig davon, wie man die AfD beurteilt: Es ist eine Tatsache, dass sie viele Nichtwähler mobilisiert hat und viele Wähler von anderen Parteien abgezogen hat, die dort keine richtige Heimat mehr hatten.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Das ist mir definitiv zu generalisiert.


    Ich würd's vielleicht abändern: Nicht nur Mut muss man haben, sondern auch Zeit und Geduld. Wenn deine Zeit gekommen ist, dann kannst du etwas bewegen. Davor muss man es ansprechen.


    Doch bewegen muss man auch sich selbst. Das wird auch die AfD noch merken, insbesondere im kommunalen Bereich, wo es keine Regierungsbündnisse gibt und sie jetzt schon mitgestalten kann.

  • Zu deiner ersten Bemerkung: Das kann ich durchaus so stehen lassen. Vermutlich würden beim Thema "ansprechen" unsere Meinungen ein wenig auseinandergehen, aber man muss hier jetzt ja kein neues Fass aufmachen :D


    Was die Kommunalpolitik der AfD angeht, habe ich ehrlich gesagt nicht den geringsten Einblick. Hast du da genauere Informationen?


    Allerdings muss ich schon sagen, dass ich letztes Wochenende entsetzt war, wie leichtfertig manche Menschen Stimmen vergeben. Nachdem auf der Veranstaltung, auf der Claudia Stamm ihr Programm vorstellte, auch Günter Beckstein aufgetreten war, der ja auch in der evangelischen Kirche aktiv ist, habe ich den Auftritt mit der Bemerkung, er sei mir definitiv zu sehr Politiker und zu wenig Christ kommentiert. Da hat mein Nebenmann, der vielleicht so Ende sechzig war, geantwortet: "Also ich bin froh, wenn sich in der heutigen Politik überhaupt noch jemand als Christ bezeichnet." Auf meine Antwort, dass das überhaupt nichts aussage, denn das würden z.B. Beatrix von Storch und Björn Höcke auch, war seine Antwort: "Die kenne ich gar nicht. Sind das welche von der AfD?" Bei so einer Bemerkung kann man sich einfach nur an den Kopf langen. Wenn solche Leute zum Wählen gehen, braucht man sich wirklich über nichts zu wundern. :thumbdown:

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Was die Kommunalpolitik der AfD angeht, habe ich ehrlich gesagt nicht den geringsten Einblick. Hast du da genauere Informationen?


    Nur was die Arbeit hier in Neukölln angeht. Hier blamiert sich dei AfD nach Kräften.


    Der ältere Herr sieht das alles skeptischer, als es ist. Das Bekenntnis zum Christentum ist einigen in der Politik sogar zu viel, weil sie für eine Trennung von Staat und Kirche plädieren. Doch in der Präambel des Grundgesetzes steht immer noch: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen...", was ein wenig auf die christlichen Wurzeln unseres Landes hinweist. Das muss er nicht glauben, das jemand seinen christlichen Glauben verschweigen müsste.


    Aber politische Bildung tut not, nicht nur bei der Jugend.

  • Ich finde kleine und neue Parteien suuper und auch wichtig!! Denn ich habe von der aktuellen Politik die Nase voll -- kann aber auch mit der AFD nix anfangen und finde es nicht gut, daß dies in den Bundestag geschafft haben. Ich war immer sehr für die Piraten..... . diese MUT-Partei hört sich interessant an! Das les ich mir glatt mal durch!
    Nun habe ich mir aber mal den Bericht reingezogen den NONick verlinkt hat. Und hab mir auch die Kommis angeschaut. Ich bin nämlich sehr vorsichtig geworden mit der Berichterstattung. So sehr ich die AFD nicht mag! So sehr weiss ich aber auch, wie in den Medien gelogen und gefälscht wird. Gerade auch der AFD wegen. Und unterm Strich kann mann von der Aussage des AFD-Typs da denken was man will (ich finde, dass das einfach 'ne ausrede ist um die Aktion mit den Steinen zu verhindern - der weiss nur kein bessres Argument zu sagen) - aber das was der von der CDU gesagt hat, ist doch das, daß falsch ist. Oder irre ich mich?! Hier eine Frau, das noch lebt und die so einen Stein gekriecht hat: https://de.wikipedia.org/wiki/Margot_Friedlander

  • Gut aufgepasst. :thumbup:


    Vermutlich wird es von den Bezirken unterschiedlich gehandhabt, das weiß ich nicht.


    Doch wäre ich grundsätzlich nur dafür, die zu ehren, die nicht selbst Schaden angerichtet haben. Honecker hat als Verfolgter des NS-Regimes eine Rente bekommen. Dass er aber als Demokrat Widerständler war, kann man nun wirklich nicht behaupten.


    Tja, die Piraten waren in der Tat eine interessante Partei. Sie scheiterten wohl daran, dass sie glaubwürdig sein wollten. Und das kriegst du als Partei eben nicht hin.

  • Der ältere Herr sieht das alles skeptischer, als es ist. Das Bekenntnis zum Christentum ist einigen in der Politik sogar zu viel, weil sie für eine Trennung von Staat und Kirche plädieren. Doch in der Präambel des Grundgesetzes steht immer noch: "Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen...", was ein wenig auf die christlichen Wurzeln unseres Landes hinweist.


    Wobei man hier der Vollständigkeit halber vielleicht noch darauf hinweisen sollte, dass dieser Satz mit einigem "Bauchgrimmen" aufgenommen wurde. Der Grund war der, dass man nach der Aushebelung aller Menschenrechte im Dritten Reich einen Ausdruck gesucht hat, der die Würde und den Wert der Verfassung betonen sollte. Und da hat man sich letztendlich auf diesen Ausdruck in der Präambel geeinigt, weil man tatsächlich nichts anderes gefunden hat.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)