Alexander Binder, Gregor Harlip, Tita Binz , Helmuth von Gaza & Co.

  • Alexander Binder war einer der erfolgreichsten Porträtfotografen der 10er und 20er Jahre. Bei ihm müssen sich die Promis, u.a. jede Menge Filmstars, buchstäblich die Klinke in der Hand gegeben haben. Nach Binders Tod 1929 wurde sein Geschäft als "Atelier Binder" noch einige Jahre weitergeführt. Der Namenszug "Binder" ziert unzählige Sammelbilder und Ross-Postkarten. Ende der 30er Jahre war Tita Binz eine ähnlich produktive Fotografin, auch ihren Namen liest man auf einer Vielzahl von Starpostkarten der späten 30er bis frühen 50er Jahre. Spätestens ab Ende der 40er Jahre spielte dann das "Gaza-Studio" auf diesem Gebiet eine wichtige Rolle (es war vermutlich nach dem Fotografen Helmuth von Gaza benannt).

    Mehr als die kurzen wikipedia-Artikel zu A. Binder und T. Binz hergeben, war für mich bisher nicht in Erfahrung zu bringen. Über andere große Fotografen dieser Jahre (wie z.B. Gregor Harlip) ist im www fast nichts zu finden. Ist ihr Lebensweg denn wirklich nirgendwo näher betrachtet worden? Mich würde auch interessieren, wie das ablief: Wie kam der Star ins Studio (von selbst oder auf wessen Veranlassung) und wie sein Konterfei auf die Karten bzw. in die Illustrierten etc. (welche Rolle spielten dabei z.B. Fotoagenturen)? Hat einer von Euch darüber mal etwas in der (Memoiren-)Literatur gelesen? Oder in Illustrierten, wurde da z.B. mal die Fotosession eines Stars dokumentiert?

  • Das einzige, was ich dazu weiß, ist, was ich über Gilda Langer bei Olaf Brill gelesen habe (Ich hoffe, dass ich das richtig zusammenkriege.) Von Gilda Langer wurde schon eine Postkartenserie erstellt, bevor sie im Film in größeren Rollen aufgetreten war. Soviel ich weiß, hatten Carl Mayer und Paul Czinner eine Starkarriere für sie geplant, was sich dann allerdings erledigt hat, weil es zum Bruch zwischen ihnen kam. Deshalb lag es auch nahe, ihren frühen Tod marketingtechnisch auszuschlachten. Und so entstand die Legende, Gilda Langer sei kurz vor ihrem Durchbruch gestorben. Hans Janowitz' bekannter Nachruf ist auch in diesem Zusammenhang entstanden.


    Ach ja, und Erna Morenas Image der "exotischen Schönheit" wurde auch zu einem großen Teil über Starpostkarten lanciert, die nachbearbeitet wurden. Auch was ihre Kleider und ihren Blick angeht, ist der immer ganz ähnlich arrangiert, z.B. zur Seite oder an der Kamera vorbei - nie zum Betrachter hin. Ich habe neulich ein Privatfoto von ihr gesehen. Da sah sie ganz anders aus.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Danke für Deine Hinweise! Das sind genau die Art Anekdoten/Beobachtungen, die mich gerade interessieren. Gut, dass ich Olaf Brills Buch schon habe (Du kannst ja nur das Caligari-Buch meinen) – nun habe ich endlich einen Grund, auch mal reinzuschauen :)

    Für alle, die das Thema auch interessiert: Literatur zum Thema Modefotografie ist da ebf. relativ ergiebig.

  • Gut, dass ich Olaf Brills Buch schon habe (Du kannst ja nur das Caligari-Buch meinen) – nun habe ich endlich einen Grund, auch mal reinzuschauen :)

    Ja, das Buch lohnt sich wirklich. Ich hab es vor sieben oder acht Jahren gelesen, und es ist immer noch unglaublich präsent bei mir.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ist toll recherchiert, gar keine Frage. Großes Lob auch an den Belleville Verlag, der seit vielen Jahren immer wieder solche Nischenprodukte ermöglicht ("Metropolis", "Freaks", Max Schreck, Brigitte Helm, Erna Morena, Sybille Schmitz, Ulli Lommel ... und Fritz Langs Notizbuch!)

    Aber um noch mal auf meine Eingangsfrage zurückzukommen: Über die großen Fotostudios, denen wir all die Starporträts zu verdanken haben, ist überraschend wenig in Erfahrung zu bringen: Zu Binder und Binz kann man im www ein ganz klein wenig finden, aber was ist mit (Arthur) Hämmerer und (Helmuth von) Gaza und all den anderen ...? Im Unterscheid zu solchen bis heute namhaften bzw. wiederentdeckten Fotografen-Künstlerinnen wie Yva oder Gerty Simon (beide unter den Nazis Verfolgte) scheint man diesen "Gebrauchsfotografen" noch nicht so richtig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben.

  • Da gäbe es eine ganze Reihe weiterer Namen, wo man auch mal nachforschen könnte. Anny Eberth, Wilhelm Willinger und Ernst Schneider zum Beispiel. Wer z.B. Ross-Karten oder Leiser-Karten sammelt, stößt noch auf viele weitere. Ich finde auch, wenn man sich ansieht, wie sorgfältig diese Motive teilweise arrangiert sind, ist es wirklich bedauerlich, wie wenig die Künstler dahinter beachtet werden (Wobei das andererseits auch in der Natur der Sache liegt, wenn es sich um Starpostkarten handelt.) Da kommt Alexander Binder sogar noch vergleichsweise gut weg, weil sein Name immer noch zu den bekanntesten zählt.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Wirklich interessant, wenn es auch eher um die Fotografie des 19. Jh. geht. Sehr erfreulich, dass auch das Thema Fotografie hier nun einen kleinen Thread hat.

    Hier, Nicola Perscheid, wurde in einem Artikel, den ich gefunden habe (und im Moment leider nicht finde) auch als Piktorialist bezeichnet. Und damit wären wir auch tatsächlich im 20. Jahrhundert. Von ihm gibt es zahllose Autogrammkartenmotive. Madame d'Ora und Arthur Benda waren auch Schüler von ihm.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Hier ist was über Karl Schenker. Der Katalog für die Ausstellung könnte mit Glück noch irgendwo zu kriegen sein.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Danke, ist doch ein spannendes Thema! Den Schenker-Katalog habe ich mir beschafft (ist super!), einige andere auch, w.z.B. "Shooting Girls" über jüdische Fotografinen aus Wien zwischen 1900 und 1930, in dem u.a. Trude Fleischmann gewürdigt wird, die ja auch jede Menge Filmstars vor der Linse hatte. Gut recherchierte Biografien von Fotografen bleiben leider die Ausnahme, oft sind nicht einmal die Lebensdaten bekannt. Sie wurden im ersten Jahrhundert der Fotografie ganz offensichtlich nicht im selben Maß als Künstler wahrgenommen wie z.B. Maler.