Eurovision-misere

  • Die deutsche Sängerin Gracia landete beim Eurovision Song Contest auf dem letzten Platz, der Katzenjammer ist groß. An der Grand-Prix-Misere von Kiew zeigt sich jedoch vor allem die Krise des deutschen Vorentscheids, den der NDR nun endlich in fähigere Hände legen sollte.

    Raab-Kandidat Mutzke: Enttäuschender achter Platz
    Das deutsche Format von Meier-Beers Gnaden konnte sich nie vom Ruch befreien, eine popmusikalisch eher auf Krawall, denn auf nachhaltige Förderung von Nachwuchs setzende Show zu sein: Acts wie jene von Rudolf Moshammer und dem "Big Brother"-Viertelstunden-Promi Zlatko oder Skandale um Talentchen, die sich eher auf halbpornografische Auftritte als auf ernsthafte Musik konzentrierten, machten der Musikindustrie schwer zu schaffen. Einerseits befand man sich seit Anfang 2000 selbst in der Umsatzkrise-Krise, andererseits wollte man zum Grand-Prix-Vorentscheid nicht die unpolierten Juwelen schicken, denen man mehr zutraute als eine Eurovisionskrone: Wir sind Helden, Juli, Silbermond, Fettes Brot oder Annette Louisan. Sie alle hätten gewollt, wenn man sie gelockt hätte - aber sie wurden als zu newcomerhaft abgelehnt.


    Von Nachteil für die Musikindustrie war auch, dass der NDR verstärkt auf die Boulevardkraft der "Bild"-Zeitung setzte. Statt um Musik ging es oft nur um Krawall: Kleine Skandale waren willkommen, größere Skandale galten sogar als quotenfördernd. Nur Stefan Raab machte dabei nicht mit. Schon vor fünf Jahren, bei seiner eigenen Eurovisionsteilnahme in Stockholm, hatte er jeden Kontakt zum größten Revolverblatt der Republik rabiat verweigert - und wusste, nachdem dies gelang, dass man in Deutschland auch ohne dieses Medium leben kann. Mehr noch: Man konnte Quote machen, ohne ein gutes Image zu verlieren.


    Voriges Jahr schließlich wurde spürbar, wie fadenscheinig das Eurovision-Konzept des NDR geworden war: Raab hatte durch eine eigene, inzwischen Grimme-Preis-gekürte Castingshow ein Talent ausgegraben, das den Grand-Prix-Vorentscheid mit Abstand gewann. Max Mutzke belegte mit seinem "Can't Wait Until Tonight" in Istanbul allerdings nur den für ihn wie für Raab enttäuschenden achten Platz. Raab nahm dies als Zeichen, das Grand-Prix-Format zu kopieren, aber in nationalen Grenzen zu halten.


    Möglicherweise wäre eine Lösung die Beste: Man überträgt weiter den internationalen Song Contest - und betraut Stefan Raab mit der deutschen Vorentscheidung. Dass er das kann, wird in keinem Mikromilieu der TV- oder der Musikbranche in Zweifel gezogen.

    "Wo Liebe wächst, gedeiht Leben - wo Hass aufkommt droht Untergang"


    - 8-facher "Mr. TV-Kult" -