Die ersten deutschen Cinemascope-Filme

  • Am 03.12.1953 lief mit dem Historienfilm "Das Gewand" (Regie: Henry Koster) von Centfox der erste Cinemascope-Film in den deutschen Kinos an. Am 16.02.1954 folgten ebenfalls von der Centfox der Dokumentarfilm "Elizabeth II. auf der Weltreise" (R: Sir Gordon Craig) und am 02.04.1954 die Komödie "Wie angelt man sich einen Millionär?" (R: Jean Negulesco). Damit nahm Cinemascope bei Hollywood-Produktionen Fahrt auf, bald folgten die ersten Filme der übrigen Majors: "Die siebente Nacht" (Warner, 18.05.1954, R: David Butler), "Die Ritter der Tafelrunde" (MGM, 17.12.1954, R: Richard Thorpe), "Der eiserne Ritter von Falworth" (Universal, 17.12.1954, R: Rudolph Maté), "Meine Schwester Ellen" (Columbia, 29.01.1955, R: Richard Quine) und "Der Eroberer" (RKO, 17.08.1956, R: Dick Powell). Alle genannten Filme waren in Farbe, ebenso wie die ersten deutschen Produktionen in Cinemascope.



    Als erster Cinemascope-Film mit deutscher Beteiligung lief am 18.03.1955 als deutsch-französische Co-Produktion zwischen Luggi Waldleitners Roxy-Film und der Pariser Criterion das exotische Melodram "Oase" (R: Yves Allégret) im Verleih der Centfox an. Der Film wurde parallel in deutscher und französischer Fassung mit teilweise unterschiedlicher Besetzung gedreht.

    Der erste rein deutschsprachige Cinemascope-Film war das Remake des Bauernschwanks "Krach um Jolanthe" aka "Das fröhliche Dorf" von Kurt Ulrichs Berolina-Produktion im Verleih der Gloria. Der erste deutsche Regisseur, der in Cinemascope drehte war somit - wer hätte es gedacht - Rudolf Schündler!


    Ulrichs Berolina schob mit "Ja, ja, die Liebe in Tirol" (15.12.1955, R: Géza von Bolvary, Verleih: Constantin) und "Die Christel von der Post" (20.12.1956, R: Karl Anton, V: Constantin) noch zwei weitere leichte Heimatstoffe in Cinemascope nach. Ulrichs nächster Cinemascope-Film sollte dann erst im Jahr 1960 folgen, nachdem die Produktion in Kurt Ulrich Film umfirmiert hatte.


    Die Münchner Carlton-Film schickte am 06.10.1955 im Verleih der NF das Remake des Ufa-Films "Der Kongreß tanzt" (R: Viktor Tourjansky) ins Rennen. Nach der Verfilmung von Carl Millöckers Operette "Der Bettelstudent" (18.10.1956, R: Werner Jacobs, V: Constantin), die ebenfalls das Remake eines Ufa-Films war, machte die Carlton mit Cinemascope ebenso schnell wieder Schluß.


    Weitere einmalige Scope-Ausflüge aus rein deutscher Produktion waren noch "Kleiner Mann ganz groß" (12.02.1957, Produktion: Franz Seitz, R: Hans Quest, V: Constantin) und "Heiraten verboten" aka "Der Glockenkrieg" (13.06.1957, P&R: Heinz Paul, V: Deutsche Film Hansa); jeweils in Superscope hergestellt.


    Weiterhin waren die Filme "Flucht in die Tropennacht" (01.03.1957, R: Paul May, P&V: Constantin) und Waldwinter (26.03.1956, R: Wolfgang Liebeneiner, P: Apollo, V: Deutsche London Film) in Cinemascope angekündigt worden, wurden dann jedoch nur im Normalformat hergestellt. Der 1955 in Cinemascope angekündigte deutsche Spielfilm "Albert Ballin, ein Leben für Deutschland" wurde überhaupt nicht produziert.


    Insgesamt blieben rein deutsche Cinemascope-Produktionen zur Zeit des Cinemascope-Booms von 1953 bis Ende der 50er Jahre rar; viele Produktionen zur waren Co-Produktionen mit deutscher Beteiligung. Herausragend hierbei sind Max Ophüls "Lola Montez" (12.01.1956, V: Union) und der von der Bavaria co-produzierte Caterina Valente/Gilbert Becaud-Revuefilm "Casino de Paris", der parallel in deutscher, französischer und italienischer Fassung gedreht wurde (31.10.1957, R: André Hunnebelle, V: Schorcht). Eine Besonderheit ist der Film "Der Rommelschatz" mit Unterwasseraufnahmen von Hans Hass. Er wird als italienisch-amerikanische Produktion geführt, wurde jedoch vom deutschen Herzog-Filmverleih mitfinanziert (15.03.1956; R: Romolo Marcellini).



    Der erste DDR-Spielfilm in Totalvision, wie es dort hieß, geriet 1955 sogleich zum Debakel. Wolfgang Staudtes farbige Verfilmung von Berthold Brechts Bühnenstück "Mutter Courage und ihre Kinder" mußte wegen unüberbrückbarer Differenzen zwischen Regisseur und Autor nach zwei Wochen abgebrochen werden und blieb unvollendet.


    Somit wurde erst die Millöcker-Operettenverfilmung "Mazurka der Liebe" unter der Regie von Hans Müller im staatlichen Progress-Verleih der erste Totalvision-Film der DDR (05.03.1957). Der nächste Totalvision-Film, die farbige Co-Produktion zwischen der DDR und Schweden "Spielbankaffäre" (R. Artur Pohl) wurde für den Kinoeinsatz der DDR aus politischen Gründen nur im Normalformat und in s/w kopiert. Der aufwendigste Scope-Film der DDR in den 50er Jahren sollte die in Co-Prodution mit Frankreich und in Technirama hergestellte Verfilmung von Victor Hugos "Die Elenden" (23.01.1959, R: Jean-Paul Le Chanois) sein. Während in der BRD Cinemascope nahezu nur für Frabfilme eingesetzt wurde, produzierte die DDR bis Ende der 50er-Jahre auch einige Totalvision-Filme in schwarzweiß, so "Das Lied der Matrosen" (10.11.1958, R: Kurt Maetzig).



    Der einzige österreichische Cinemascope-Film der 50er Jahre blieb als Co-Produktion von Neusser/Cosmos im Verleih der deutschen NF Franz Antels Remake des Ufa-Klassikers "Der Kongreß tanzt" (25.11.1955). Dann folgten 5 Jahre, in denen es keine Cinemascope-Produktion in Österreich hergestellt wurden.



    Die Schweiz ließ sich gar bis 1964 Zeit, ehe mit der in Cinemascope und Eastmancolor gedrehten Jeremias Gotthelf-Verfilmung"Menschen der Berge" aka "Geld und Geist" (R: Franz Schnyder) der erste eidgenössische Film in Scope das Licht der Leinwand erblickte.



    Fazit: Cinemascope hatte in der deutschsprachigen Kinoproduktion keinen guten Start, wurde als die Welle einsetzte nur spärlich genutzt und vielfach bei eher seichten Filmen und Sujets eingesetzt, für deren Zielgruppe die neue Technik kaum einen merklichen Mehrwert darstellte. So kam die Bereitschaft deutscher Produzenten in Scope zu drehen rasch wieder zum erliegen. Bei Co-Produktionen war die Initaitive für das Format wohl weitgehend durch die ausländischen Partner bedingt.



    Betrachtet man die Geschichte der deutschen Cinemascope-Filme, so ergibt sich vor allem ein Eindruck verpasster Chancen und ungenutzter Möglichkeiten. Folgende deutschsprachige Filme aus den 50er Jahren wären z.B. für Cinemascope sehr viel mehr prädestiniert gewesen als Kurt Ulrichs Heimatklamotten, wurden jedoch nur im Normalformat gedreht:


    Ludwig II. (14.01.1955, R: Helmut Käutner, P: Aura, V: Schorcht)

    Sissi (21.12.1955, R: Ernst Marischka, P: Erma, V: Herzog)

    Sissi, die junge Kaiserin (19.12.1956, R: Ernst Marischka, P: Erma, V: Herzog)

    Herrscher ohne Krone (16.01.1957, R: Harald Braun, P: Bavaria, V: Schorcht)

    Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin (18.12.1955, R: Ernst Marischka, P: Erma, V: Herzog)

    Peter Voss, der Millionendieb (16.10.1958, R: Wolfgang Becker; P: Kurt Ulrich, V: UFA)

    Der Tiger von Eschnapur (22.07.1959, R: Fritz Lang, P: CCC, V: Gloria)

    Das Indische Grabmal (07.08.1959, R: Fritz Lang, P: CCC, V: Gloria)

    Peter Voss, der Held des Tages (22.12.1959, R: Georg Marischka; P: Kurt Ulrich, V: UFA)

    Herrin der Welt I. Teil - Die Formel des Todes (14.04.1960, R: Wilhelm Dieterle, P: CCC, V: Gloria)

    Herrin der Welt II. Teil - Angkor-Vat (24.06.1960, R: Wilhelm Dieterle, P: CCC, V: Gloria)



    In der Übersicht der deutschsprachigen Cinemascope-Filme von 1954 bis 1960, einschließlich Co-Produktionen komme ich auf 36 Filme.

    Deutsche Cinemascope-Filme bis 1960.pdf


    Stellt man die Frage, welche dieser Filme heute in Cinemascope und HD verfügbar sind, erhält man eine Bilanz des Jammers. Das Gros der Filme ist - wenn überhaupt - bis heute nur in verheerenden Uralt-TV-MAZen im falschen Bildformat greifbar. Totalversagen zeigt sich wiederum bei den Filmen, die in staatlicher Hand liegen wie etwa "Mädchen und Männer", "Casino de Paris" (Murnau-Stiftung) oder "Mazurka der Liebe und "Das Lied der Matrosen" (DEFA-Stiftung).



    Fazit 2: Von den ersten rein deutschen Cinemascope-Filmen kann man heute quasi nur "Ja, ja die Liebe in Tirol" und "Die Christel von der Post" aus dem Kirch-Stock in annehmbarer Qualität in Cinemascope ansehen.