Zitat
Was magst Du denn nicht an dem Film, Ludwig traut man ?
Das hat verschiedene Gründe. Als er rausgekommen ist, hat er mir auch sehr gut gefallen, aber damals hatte ich noch ein grundlegend anderes Verhältnis zum Soldatentum. Ich fand damals den Film wirklich spannend. Das Ende habe ich als notwendiges "Übel" angesehen, weil ein Film über ein U-Boot im Dritten Reich eben kein Happy-End haben kann, und man kann den Film ja auch anschauen und das Ende ausklammern. Das ergibt sich ja nicht zwangsläufig aus der Handlung. Martin Semmelrogge wird zwar kurz am Ende tot gezeigt, aber da merke ich den Bruch besonders stark, weil der Typ, den er spielt, eigentlich so etwas Ernstes wie den Tod gar nicht kennt, und so kurz wie er zu sehen ist, kann ich mich da auch nicht umstellen.
Der Film ist ja auch wirklich spannend gemacht, aber das reicht mir bei einem Film nicht aus, der immer wieder zum besten deutschen Film aller Zeiten gewählt wird. Ich finde, bei einem Film, der mit so einem Aufwand gedreht wurde und so ein Thema hat, reicht es nicht aus, einen spannenden Abenteuerkriegsfilm raus zu machen, der nebenbei von der Art der Spannung her auch vor einer anderen Kulisse spielen könnte. Die ganzen Anknüpfungspunkte werden hergeschenkt. Zum Beispiel: Wenn ich mir vorstelle, so lange mit so vielen unterschiedlichen Charakteren auf einem Kriegsschiff zusammengepfercht zu sein, theoretisch bei jedem Angriff einer von allen zu sein, der zusammen mit dem Schiff sinkt... Da sind zum Beispiel viele innere Spannungen, die überhaupt nicht aufgenommen werden. Es gab auch nicht wirklich eine Person, an die ich mich "anklinken" konnte. Klaus Wennemann fand ich auch sehr spannend, aber eben deshalb, weil er mir als Typ so gut gefällt, aber das bringt er in den Film mit rein und hat mit seiner Charakterzeichnung nichts zu tun. Zumindest im Director's Cut findet so eine Charakterzeichnung gar nicht statt - zumindest nicht in dem Teil, den ich gesehen habe. Aber das kann in der Fernsehserie natürlich anders sein.
"Bester deutscher Film aller Zeiten" hängt die Latte halt auch sehr hoch. Das bedeutet, er muss sich mit Filmen wie M messen, und wenn ich daran denke, was Fritz Lang schon in der ersten Viertelstunde für eine Intensität aufbaut: Die Gefahr, die überall lauert, der psychische Druck und die Angst und Hilflosigkeit der Mutter, die überall präsente Lücke, die die verschwundene Elsie hinterlässt. Da möchte ich ihrer Mutter am liebsten helfen, ihr irgendetwas sagen oder mit ihr nach ihrer Tochter suchen. Aber ich bin als Beobachter genauso hilflos und kann es fast nicht ertragen zu wissen, dass die Wahrheit ihrer Mutter bald grausam vor Augen geführt wird ob ich will oder nicht - und dann muss sie damit klarkommen, und ich weiß nicht ob sie das schafft... Die Hinterhofatmosphäre, der unkontrollierbare Trieb des Täters... All das schafft Lang mit Schnitten, Bildkompositionen und natürlich auch einigen entsprechenden Darstellern.
Da kann DAS BOOT natürlich mit einer tollen Kulisse, spannenden Kriegsszenen und Action aufwarten. Auch einer sehr guten Kamera. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber in künstlerischer Hinsicht kommt er an die wirklich großen deutschen Filme nicht ran. Und das Ende finde ich nebenbei ziemlich aufgepfropft - "politisch korrekt" könnte man sagen . Wobei ich fairerhalber auch sagen muss, dass ich beim Director's Cut nicht den Eindruck hatte, dass der Regisseur den Anspruch hatte, in künstlerischer Hinsicht den "besten deutschen Film aller Zeiten" zu drehen.
Aber wie gesagt, das ist meine persönliche Ansicht.
Ich habe letztes Jahr einen tollen Film von einem Filmemacher (ich glaube jetzt) aus der Schweiz gesehen. Sein Vater hatte ihm seine Kriegstagebücher aus dem Russlandfeldzug gegeben, und er ist um 1990 rum an die Orte gereist, die sein Vater in den Tagebüchern erwähnt hat. Christoph Boekel war entsetzt, was er da alles gelesen hat, aber gleichzeitig verurteilte er nicht einfach, sondern ließ seinen Vater, der damals noch am Leben war, aus dem Off die Einträge kommentieren und seine Sicht der Dinge darstellen. Eine Szene ist mir besonders nachdrücklich in Erinnerung geblieben. Boekel war enstetzt, was sein Vater für eine "Kampfmaschine" zu sein schien. Und brachte das zum Ausdruck. Und sein Vater sagt fast sogar verzweifelt, aber absolut authentisch: "Christoph, du weißt nicht wie das ist. Es steht ein Angriff bevor, und du weißt nicht ob du danach noch am Leben bist. Du rennst einfach los, und jede Bewegung macht dir Angst. Du siehst überall die Gefahr und schießt auf alles, was sich bewegt, und wenn du drüben angekommen bist, bist du einfach nur froh, dass du noch am Leben bist." Da war etwas fast Verzweifeltes in seiner Stimme, was ich nie vergessen werde.
Diese psychologische Tiefe fehlt im Director's Cut völlig. Das ist Kriegsabenteuer. Fritz Lang bringt das in M definitiv rein.
Aber nochmal: Das ist meine persönliche Sicht der Dinge. Ich will dir DAS BOOT natürlich nicht schlechtreden