Erntedank. Ein Allgäukrimi

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Datum: 15.11.2009 | VÖ: 26.09.2009 | Herausgeber: KNM Home Entertainment | Kategorie: Film

Kommissar Kluftinger isst gerne Kässpätzle, benutzt häufig das merkwürdige Wort "Primel" und fühlt sich wohl in seinem gemütlichen Allgäu. Er ist kein Star-Kommissar, der hochspektakuläre Fälle löst, er ist eher Misanthrop denn Menschenfreund und sein Umfeld hat sich an seine Brummbär-Mentalität gewöhnt. Dabei ist er meist unfreiwillig komisch und zauberhaft sympathisch.

Die Figur Kluftinger stammt aus der Feder des Erfolgsduos Volker Klüpfel und Michael Kobr. Bereits fünf Bücher um den Kemptner Kommissaren haben die beiden Allgäuer geschrieben und diese Bücher finden reisenden Absatz. Die Autoren tingeln durch das Land und die Fernsehlandschaft und erwecken in vielen mit ihrer lustig-herzlichen Art die Lust, die Bücher zu kaufen und Kluftinger endlich selber kennen zu lernen. Vielleicht auch, weil jeder so einen schroffen Liebhabbär in seinem Umfeld findet?

Obwohl diese Romane in meinem näheren Umfeld im Familien- und Bekanntenkreis zahlreiche Fans fand und sogar Nichtleser zu wahren Leseratten mutieren ließ, habe ich bisher keinen einzigen Fall des verschrobenen Kässpatzen-Kommisars gelesen. Daher wird es im Folgenden keine Vergleiche mit dem Original geben und ich werde mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, ob Kluftinger und andere Figuren aus dem Buch gut adaptiert wurden. Ich kenne die Buchvorlage nicht, also wird es rein um den vorliegenden Film gehen. Aber zunächst einmal zum Inhalt:

Besagter Kriminalhauptkommissar Kluftinger wird während eines wichtigen Apfelmost-Einsatzes zu einem Mordopfer gerufen. Der Tote ist dekoriert mit einer toten Krähe und seine Augen wurden mit einer Sense ausgestochen. Bald gibt es eine zweite Leiche: Eine junge Frau wird in einem Fluß gefunden, auf ihrer Stirn wurde die Zahl 11 eingeritzt. Ein Serientäter, der dem Polizeiinspektor von Kepmten gar nicht in den Kram und seine Kandidatur als CDU-Abgeordneter passt. Kluftinger muss also schnell handeln und kommt dahinter, dass der Täter nicht nur ein Serien-, sondern auch ein Ritualmörder sein muss: Er orientiert sich bei seinen Morden an Allgäuer Sagen. Kluftinger gerät bei der Spurensuche immer tiefer in die mystische Welt des Allgäu und dabei will er eigentlich nur eins: Dass alles so bleibt, wie es bisher war.

Herbert Knaupp besetzt die Rolle des Kommissars Kluftinger. Er hat sich extra 12 Kilo dafür angefuttert, wie man im Making of erfährt. Außerdem erfährt man, dass Knaupp sogar Allgäuer ist und so " back to the basics " kein Problem mit dem Allgäuer Dialekt hat. Einen Dialekt anzutrainieren ist wirklich schwer, daher empfiehlt es sich immer, Rollen mit denen zu besetzen, die den Dialekt auch beherrschen. Das geling nicht immer im vorliegenden Film. Kluftingers Frau zum Beispiel verfällt zeitweise in einen merkwürdigen schweizer Akzent und Kluftingers Kollege Mayer, der anscheinend badisch sprechen soll, bemüht sich viel zu sehr und es klingt aufgesetzt. Respekt gebührt in diesem Fall auf alle Fälle Hubert Mulzer, der Kluftingers Chef Lodenbacher spielt: Eigentlich eher des Schwäbischen mächtig, hat er sich ein einwandfreies Münchner Bayrisch antrainiert. Amüsant zu sehen sind hier auch seine Ausführungen zu diesem Thema im Making of.

Doch zurück zu Knaupp: Mich überzeugt er als Kluftinger, wobei ich wie gesagt den Roman nicht kenne und nicht weiß, wie Fans daher über die Besetzung denken. Knaupp spielt den Kluftinger kautzig, verschroben, tappsig. Einfach zum Knuddeln. Das macht die Figur sehr sympatisch. Aber auch die feinen Details innerhalb der Geaschichte " zum Beispiel Kluftingers unendliche Suche nach Essbarem, vor allem Fleisch " macht den Charakter Kluftinger sehr nahbar und menschlich.

Die Handlung selbst ist eher nebensächlich, vor allem weil man sich ab einem bestimmten Punkt denken kann, wie es weitergeht bzw. wer der Schuldige ist. Aber darum geht es gar nicht so sehr.

Regisseur Rainer Kaufmann wollte gar keinen herkömmlichen Krimi machen. Es geht hier eher um eine Charakterstudie im Lokalcholorit. Wichtig war hier unter anderem auch die Bilder der Allgäuer Landschaft, die immer ein bisschen zu echt wirken, nicht von oben gefilmt und mit Licht und Schatten gespielt, so dass eine Traumlandschaft entsteht, sondern sehr klare Bilder, sehr real. Im Gegensatz dazu stehen die "Traumsequenzen", wenn Kluftinger eine Art Vision hat. Diese Bilder sind verzerrt und begleitet von Kluftzingers Stimme, die Strophen aus einem Erntedank-Gedicht rezitiert. Diese Sequenzen muten fast mystisch an und machen den Film im Zusammenhang mit den Morden, die nach Sagenmotiven begangen werden, fast zu einem Thriller.

Abgesehen davon ist Erntedank aber auch ein lustiger Film. Immer wieder schmunzelt man über die Figuren, insbesondere natürlich über die Hauptfigur. Und da liegt manches Mal die Krux: Als jemand, der die Buchvorlage nicht kennt, ist es ab und an schwierig, der Geschichte zu folgen, auch bedingt durch die Traumsequenzen. Teilweise hat man das Gefühl, es werde zu viel Wert auf die Gags gelegt, denn auf den Inhalt. Sie treten an manchen Stellen aus der Handlung heraus und stehen in keinem Bezug zu dem bisher passierten.

Der BR verfilmte mit "Erntedank" einen erfolgreichen Krimi und ging damit beim zweiten Teil der Reihe "BR-Heimatkrimi" auf Nummer sicher. Der erste Teil spielte im fränkischen Teil des Bundeslandes Bayern und hieß "Freiwild. Ein Würzburg-Krimi". In dieser Serie sind weitere Folgen geplant. So erfährt man in der DVD-Hülle, dass demnächst "Sau Nummer Vier. Ein Niederbayernkrimi" und "Die Süße des Lebens. Ein Chiemgaukrimi" erscheinen werden.

Das Bonusmaterial der DVD ist erstaunlich vielfältig für eine Fernsehproduktion: Neben einem sehr amüsanten Making of, das Einblicke in die Dreharbeiten gibt und einige Schauspieler und den Regisseur vorstellt, gibt es auch noch weggefallene Szenen zu sehen. Sehr zu empfehlen ist außerdem das Interview "Unter 4 Augen mit Klüpfel und Kobr". Insgesamt umfasst das Bonusmaterial ca. 80 Minuten und hat daher einen Extrapunkt verdient. Noch ein kleiner Tipp an die Fans: Volker Klüpfel spielt selbst mit in der Rolle des Pathologen Georg Böhm.

Fazit: Erntedank ist ein kurzweiliger, netter Krimi mit liebenswerten Figuren und toller Besetzung. Die Fans der Bücher werden wohl eher zweigespalten sein ob der Umsetzung und wenn sie des Allgäuer Dialekts nicht mächtig sind, könnten Sie Schwierigkeiten bekommen. Alles in allem ist "Erntedank" eine nette Gratwanderung zwischen ernsthafter Ermittlungsarbeit und hinterwäldlerischer Heimatkomödie. (sak)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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