Das Jahr 1968: Deutschland befindet sich im Umbruch, die Studenten gehen auf die Straße, alte Werte und Aufgesetztheit werden nieder gelegt und die freie Liebe zieht zusammen mit der Sexwelle durchs Land. Die Jungen Menschen lernen, dass Sexualität etwas normales und natürliches ist und haben endlich die Möglichkeit, auch das körperliche Erwachsenwerden ohne Scham oder Hemmungen auszuleben. Im Zuge dessen gab es aber auch Nachholbedarf was die Aufklärung angeht und vor allem aber auch den verstärkten Voyeurismus, der mit der Freizügigkeit in den Medien aufkam. Bis zu dieser Zeit war diese Freizügigkeit für die Masse nicht zugänglich. Illustrierte und Magazine, aber gerade auch das Kino haben in dieser Hinsicht viel Abhilfe verschaffen können. Während Sexualität bis zu dieser Zeit in Filmen lediglich angedeutet wurde, ging es im Verlauf der 60er und 70er Jahre auf der Leinwand immer heftiger zur Sache. Erst als im Jahr 1975 die Pornografie legalisiert wurde, normalisierten sich die Verhältnisse langsam wieder. Kinematografische Pioniere der Sexwelle waren vor allem Oswalt Kolle und Erwin C. Dietrich. Während Dietrich von Anfang an fiktive Filme auf die Leinwand brachte, verstand sich Kolle als "Aufklärer der Nation" und verband seine Filme mit wissenschaftlichen Intentionen.

Nur knapp ein Jahr nach der Uraufführung seiner ersten Dokumentation "Das Wunder der Liebe" feierte schon sein drittes Werk namens "Deine Frau " das unbekannte Wesen" Premiere. Wie schon bei den ersten zwei Kolle-Werken besteht der Kern des Filmes aus episodenhaften Erzählungen, die als Beispiele für partnerschaftliche, sexuelle und zwischenmenschliche Probleme dienen sollen. Diesmal ist der Fokus auf das Denken und das Handeln der Frau im Rahmen dieser naturgetreuen Szenarien gesetzt. Die erste Geschichte zeigt, wie sich zwei siebzehnjährige Mädchen über ihre bisherigen Erfahrungen mit Männern und Sexualität unterhalten. Die zweite Geschichte dreht sich um eine junge Ehefrau, dich beginnt, sich sexuell und partnerschaftlich zu emanzipieren. In der dritten Geschichte dreht sich alles um eine junge Frau, die zusammen mit ihrem Mann ihr erstes Kind erwartet. Die Geschichte verdeutlicht, welchen Sorgen und Problemen werdende Mütter ausgesetzt sind und welchen Ursprung diese haben.

"Deine Frau " das unbekannte Wesen" unterscheidet sich von den bisherigen Oswalt Kolle Dokumentationen darin, dass hier noch mehr die einzelnen Geschichten zur Geltung kommen. Einleitende Worte des Autoren sind dieses Mal nicht zu hören und auch auf eine Expertenrunde mit anderen Wissenschaftlern hat man verzichtet. Nach dem Vorspann geht es direkt mit der ersten Episode los und Kolle bekommt man nur einmal nach der ersten Geschichte für nicht einmal eine Minute zu sehen. Danach sind seine Kommentare ausschließlich aus dem Off zu hören. Im Vergleich zu den vorherigen Filmen sind aber auch diese weniger geworden. Somit hat man ganz auf die Aussagen der einzelnen Filme gesetzt und diese sprechen selbstverständlich auch für sich, Kolles Kommentare sind lediglich eine Ergänzung und Untermauerung der eigenen Gedanken, die man sich zu den Filmen gemacht hat. Der aufklärerische Aspekt bleibt der Gleiche, doch die nicht vorhandenen Diskussionsrunden und Kolles Kommentare, die bestimmte Themen noch einmal auf den Punkt bringen und hier einfach etwas mager ausfallen, haben dafür gesorgt, dass der Charme der Filme etwas verloren geht. Allein die sehr ruhig erzählten Geschichten können den Film nur sehr schwer über die knapp 90 Minuten halten. Das sorgt dafür, dass Langeweile aufkommen könnte und Menschen, die sich mit älteren und ruhig erzählten Filmstoffen schwer tun, sehr schnell die Lust verlieren.

Die DVD-Veröffentlichung zu "Deine Frau " das unbekannte Wesen" ist wieder ansprechend und im Stile der Zeit gestaltet. Aber auch diesmal gibt es wieder keinerlei besondere Extras. Lediglich die Trailer der acht Oswalt Kolle Dokumentationen, die von 1967 bis 1972 entstanden sind, kann man als Bonusmaterial auf dieser DVD finden. Ein ausführliches Interview mit Kolle oder ein Beiheft mit weiteren Hintergrundinformationen wären sehr wünschenswert gewesen.

Im Vergleich zu den ersten beiden Aufklärungsfilmen von Oswalt Kolle ist "Deine Frau " das unbekannte Wesen" deutlich schwächer ausgefallen. Die Brisanz und vor allem die Notwendigkeit dieser Filme waren in den ersten Produktionen noch deutlich spürbar. Diesmal wurden deutlich weniger Probleme angesprochen und man hat den Eindruck, dass das, was dieser Film aus wissenschaftlicher Sicht vermitteln soll, schon in den vorherigen Filme gesagt wurde. Lediglich die Thematik Schwangerschaft ist neu, doch auch der richtige Umgang mit einer Schwangeren Frau erschließt sich eigentlich im Zuge der umgesetzten sozialen Notwendigkeiten, die man schon bei "Das Wunder der Liebe" gelehrt bekommt. Auch wenn die behandelten Themen selbst heute noch ihre Gültigkeit haben, bekommt man eigentlich kaum ein Szenario zu sehen, das in ähnlicher Form nicht schon in den anderen beiden Kolle-Filmen behandelt wurde. (sk)

Wertung: (4 von 10 Punkten)