Leroy

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Datum: 22.10.2007 | VÖ: 27.09.2007 | Herausgeber: Armin Völckers | Kategorie: Film

Alles fing mit einer Ketten-E-Mail an, die einen Link und die Textzeile "Toller Film, wat hab ich jelacht" beinhaltete. Kaum hatte ich den Link in mein Browser-Fenster kopiert, startete er schon: Der Kurzfilm "Leroy räumt auf"… Als die 20 Minuten durch waren, informierte ich mich kurz und fand heraus, dass es mittlerweile einen ganzen Kinofilm dazu gibt. Da sowohl mir als auch meiner Freundin der Kurzfilm gefallen hat, beschlossen wir kurzerhand, am nächsten Tag ins Kino zu gehen, um uns den Spielfilm zu geben, der "nur" noch "Leroy" heißt.

Neben uns Beiden waren noch drei weitere Pärchen im Saal. Es handelte sich zweimal um zwei Freundinnen im Teenageralter und einmal um ein Pärchen, welches schon jenseits der 60 gewesen sein dürfte. Wie sich nach der Vorstellung herausstelle, waren diese jedoch keineswegs falsch, sondern waren sehr interessiert, was den Film und seinen Hintergrund angeht. Da waren viel eher die beiden jungen Damen fehl am Platz, die sich hinter uns gesetzt haben. Denn ebenso wie Achmed, ein Freund des Protagonisten im Film, der "Was ist Shaft? Schuhgeschäft?" fragte, kam auch die Frage bei den Damen hinter uns auf, wer Odin sei, als Leroy in einem Dialog meinte "Ihre Brüder werden mich auf einer germanischen Thingstätte zerhacken und dazu Odin! Odin! rufen".

Lange Rede, kurzer Sinn: Für Leroy braucht man ein gewisses Maß an Allgemeinbildung, sonst bleibt der Streifen so oberflächlich wie so manch hingerotzter Hollywood-Streifen.

Aber erst einmal zum Inhalt: Leroy ist ein 16-Jähriger Schüler aus Berlin-Schöneberg. Er verliebt sich in das hübsche Mädchen Eva. Das Problem ist nur, dass Leroy ein schwarzer Junge mit einem nicht unauffälligen Afro ist und Eva aus einer rechts gesinnten Familie kommt. Ihr Vater ist Politiker in einer rechtsgerichteten Partei und ihre Brüder sind allesamt brutale Neonazis.

Eine nicht uninteressante Grundsituation, die sowohl im Kurzfilm, als auch im Kinofilm vorhanden ist. Der Autor und Regisseur Armin Völckers, der mit "Leroy" sein Spielfilmdebüt abgeliefert hat, wartet mit einer sehr interessanten Mischung auf. Die doch sehr ernste Thematik wird sehr lustig und äußerst überspitzt dargestellt. Das Herzstück des Films sind jedoch die sehr tiefsinnigen aber dennoch amüsanten Dialoge.

Diese Überspitztheit und der Humor, der in Verbindung mit den Dialogen aufkommt, bringt den Zuschauer zwar zum schmunzeln - verhältnissmäßig oft sogar zum lachen - doch aufgrund des ernsten Hintergrundes, bleiben diese Lacher so manchen im Halse stecken.

Wie es in einem abendfüllenden Spielfilm so ist, muss eine Spannungskurve her " also eine Dramaturgie muss in die Geschichte mit eingebaut werden. So wird Leroy zwar Kinokonform, doch ihm wird so sehr viel Schwung genommen. Zudem wird die Moralkeule plötzlich ein wenig geschwungen, die im Kurzfilm auf einer sehr erfrischenden Art und Weise kaum vorhanden war. Völckers schaffte es den Zuschauer alte Themen auf einer neuen Art und Weise neu nahe zu bringen und dies sorgt dafür, dass man es schafft, manche Dinge aus einer neuen Sicht zu betrachten und somit eine neue Art von Umgang gewinnen kann.

Dieses Stilmittel ist zwar im Film wieder stark vertreten, jedoch nicht so sehr wie im Kurzfilm, was mich ein wenig gestört hat. Während im Kurzfilm der Monolog und der Dialog die führende Kraft ist, hat man den Eindruck, dass Völckers im Kinofilm ein wenig davon abgelenkt ist, eine Story hinter der eigentlichen Thematik zu erzählen. Er scheint sich mehr damit zu beschäftigen, den Film auf nahezu 90 Minuten zu ziehen, eine Spannungskurve einzubauen und am Ende den auch eher einfachen Zuschauer etwas vermitteln zu können, als durch tiefsinnige Situationen und Dialoge ein Zeichen zu setzen und kinematographische Geschichte zu schreiben.

So spitzt sich die Situation im Film immer mehr zu. Leroy besucht das erste Mal seine Freundin und wird alles andere als willkommen geheißen. Trotz Schlichtungsversuche des Vaters kommt es immer mehr zur Eskalation. Die Brüder hetzen ihre Kameraden auf, den "Neger" zu "klatschen" und am Ende erwischt es Eva selbst, da sie ihren Freund helfen wollte. Leroy beschließt sich zur Wehr zu setzen und mobilisiert all seine Freunde, bis es in einer Halle zum Showdown und natürlich am Ende zu einem "Happy End" kommt, welches zwar sehr Standardisiert wirkt, aber den Film bei weitem nicht kaputt macht.

Während sowohl der Kurzfilm, als auch der Spielfilm an manchen stellen unnötig überdreht ist, hat man auf einige Kernpunkte des Kurzfilms im Kinofilm leider verzichtet. So kommt beispielsweise weder der positive Rassismus zur Sprache, noch wird die Mentalität der Deutschen nach dem letzten Krieg so ausführlich unter die Lupe genommen wie es noch in der Kurzfilm-Version der Fall war. Positiv ist, dass ein paar Charakteren ausgebaut wurden. Außerdem hat der Kinofilm einen hammermässigen Soundtrack, der zu Berlin und dem Berliner Lebensgefühl des 21. Jahrhunderts passt wie die Faust aufs Auge.

Fazit: Leroy ist ein Film über Identität, über Freiheit und Liebe. Er erzählt die Geschichte eines jungen Berliners, der hervorragend von Alain Morel verkörpert wurde. Durch den Kurzfilm "Leroy räumt auf" hat man (leider) Vergleichsmöglichkeiten, die den Kinofilm etwas schlechter erscheinen lässt, als er eigentlich ist. Faktum ist jedoch, dass Armin Völckers eine neuartige Stilmittel-Mischung verwendet hat für diesen Film, der schon jetzt neue Maßstäbe gesetzt hat. "Leroy" ist absolut empfehlenswert. Wie in den ersten Zeilen jedoch schon erwähnt, braucht man für diese Art von Film eine gewisse Vorbildung, da die Überspitztheit im Film bei den einfachen Zuschauern für Verfestigungen von Vorurteilen sorgen könnte " außerdem kommen sonst viele Aussagen, die mehr zwischen den Zeilen zu finden sind, nicht an. Meine Daumen gehen aber klar nach oben. (sk)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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