Streng vertraulich - Briefe an die Anstalt

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Datum: 01.03.2009 | VÖ: 20.02.2009 | Herausgeber: WortArt | Kategorie: Hörbuch

Zusammen mit einer Hand voll Sprechern inszenierte der Autor Herbert Hoven in der Bibliothek des Westdeutschen Rundfunks eine außergewöhnliche Lesung. Dort wurden Briefe der vergangenen fünfzig Jahren vorgetragen, die an den Westdeutschen Rundfunk gerichtet waren oder die innerhalb des Westdeutschen Rundfunks verschickt wurden. Der Musiker Harald "Sack" Ziegler hat dieser Veranstaltung in Form eines Waldhornes eine musikalische Untermalung gegeben. Die Idee zu diesem Projekt hatte Birgit Bernard, Leiterin des historischen Archivs des Westdeutschen Rundfunks. Das Alles wurde nicht nur im WDR5 gesendet, sondern jetzt auch vom Label WortArt auf CD veröffentlicht.

Zu Beginn konnte ich mit der Gestaltung des Titelbildes und mit dem Namen der CD wenig anfangen. Ich vermutete, dass es sich dabei um eine CD-Veröffentlichung der ZDF-Kabarett-Sendung "Neues aus der Anstalt" handelte. Doch damit lag ich komplett falsch. Ohne, dass ich mich vorher weiter über diesen Tonträger informiert habe, legte ich ihn in den CD-Spieler ein. Schnell wurde mir klar, um was es sich hierbei handelt. Die Idee, Leserbriefe in Form eines Hörbuches vorzutragen, finde ich großartig. Schließlich bekommt ein Sender im Laufe der Zeit sehr viel Zuschauer- und Zuhörerpost und darunter befinden sich immer wieder witzige und interessante Texte. Gerade rückblickend betrachtet, sind diese Beiträge hoch interessant. Schließlich hatte das Publikum vor vierzig Jahren einen anderen Geschmack und eine andere Sichtweise, wie es die Leute heute haben. Daraus resultiert natürlich ein gehöriges humoristisches Potential, gerade bei den überaus ernst gemeinten Texten, der oftmals steifen und konservativen Menschen der 50er und 60er Jahren. Damit diese Beiträge akustisch auch gut zu unterscheiden sind, hat man sechs unterschiedliche Sprecher engagiert, die abwechselnd die Briefe unkommentiert vorlesen. Thematisch ist dabei alles vorhanden. Ob es nun grammatikalische Fehler bei Fußballreportern sind, Beschwerdebriefe zu verschiedenen Programmen, interne Briefwechsel über angebliche Trinkgelage beim WDR oder der Wunsch nach einem Musikmitschnitt der Fernsehsendung "Raumpatrouille Orion". Nicht nur, dass der unterhaltsame Aspekt sehr stark vorhanden ist, man lernt auch vieles über die Zeit der jeweiligen Briefe und bekommt auch so manche ernste Themen zu Gehör. Als zum Beispiel die Regisseurin Leni Riefenstahl zu Gast in der Talkshow "Je später der Abend..." war und ihre Zeit im Nationalsozialismus sehr kritisch hinterfragt wurde, hagelte es massenweise Beschwerdebriefe, warum man sie nicht besser behandelt hat.

Im Rahmen von 70 Minuten bekommt man zahlreiche Zuschriften zu allen möglichen Themenbereichen zu hören. Langweilig wird es dabei nicht " im Gegenteil " man wird köstlich unterhalten und kann sich nur schwer von dieser Reise durch die Geschichte des WDRs und der bundesdeutschen Gesellschaft los reißen. Das ist eines dieser Hörbücher die man auch gerne noch einmal hört und sich auch nebenbei einmal einlegt, wenn man gerade kocht oder andere Tätigkeiten ausübt. Das CD-Artwork ist sehr gut gelungen und bietet neben in einem edlem Digipak ein Beiheft mit weiteren Informationen, einigen Fotos und zahlreichen Zitaten, die man auch auf der CD zu hören bekommt.

"Streng vertraulich " Briefe an die Anstalt" ist ein hervorragend gelungenes Projekt. Es bleibt zu hoffen, dass auch andere Sender, Anstalten und Einrichtungen ihre Kellerräume, Bibliotheken, Lager und Archive für solche und ähnliche Projekte zur Verfügung stellen. Schließlich schlummern in unzähligen Gebäuden und Räumlichkeiten große Mengen Zeitgeschichtliches Material, das es wert ist, noch einmal hervor geholt zu werden. "Briefe an die Anstalt" war ein erster Schritt und man kann nur hoffen, dass weitere solche Projekte in den nächsten Jahren angegangen werden. (sk)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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