Straßen der Vergangenheit - Die Reichsautobahnen 1933 bis 1945

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Datum: 21.10.2013 | VÖ: 23.09.2013 | Herausgeber: Polar Film | Kategorie: Dokumentation

Wir leben in einer Zeit, in der sich die Sprache in einem Tempo verändert, wie es in dieser Form wahrscheinlich noch nie der Fall war. Neben Veränderungen, die durch Globalisierung und mediale Einflüsse - meist aus dem englischen Sprachraum - entstehen, gibt es weitere Veränderungen, die künstlich hervorgerufen werden. So gibt es politische Bemühungen, bestimmte Worte und Redewendungen zu unterbinden. Gleichberechtigung, Anti-Rassismus, Feminismus und demokratische Grundwerte sind dafür jeweils die Argumente, wobei in manchen Fällen man die Gründe nur bedingt nachvollziehen kann. Bei genauerer Betrachtung stellt sich früher oder später heraus, dass die neuen Wörter in manchen Fällen eine nicht weniger diskriminierende Wirkung haben bzw. haben können, als die historisch entstandenen Vorgänger.

Eine weitere Gruppe von Wörtern werden in manchen Situationen gerne untersagt, weil sie in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus stehen und so gehen bei manchen Leuten die Alarmglocken sofort an, sobald es Menschen gibt, die diese Worte arglos verwenden, um sie dann aufgrund dieser Wortwahl in eine Ecke zu stellen. Dabei handelt es sich um alles in allem wertfreie Worte die einen festen Platz im deutschen Wortgebrauch haben. Eines dieser Alarm-Worte ist "Autobahn".

Dabei denkt in der heutigen Zeit nur eine Minderheit direkt an den Nationalsozialismus, wenn dieses Wort fällt. Denn diese Fernverkehrsstraßen sind eben nicht nur ein Phänomen der 30er Jahre, sondern auch eines der Jahrzehnte danach. Es ist ein geschichtlich sehr interessantes Thema und wenn man darüber berichten möchte, kommt man natürlich nicht am Nationalsozialismus vorbei. Doch beginnen muss man vorher, denn noch im Jahr 1932, wie inzwischen allgemein bekannt ist, wurde die erste deutsche Autobahn-Teilstrecke zwischen Köln und Bonn von niemand geringeren als den späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer eröffnet. Damals war er noch Oberbürgermeister der Stadt Köln. In den Jahren darauf wurde das Thema dann von Adolf Hitler und den Nationalsozialisten aufgegriffen.

Historisch seriöse Abhandlungen zu diesem Thema findet man bereits seit vielen Jahren im Buchhandel. Filmdokumentationen zu diesem "bewegenden" Thema sind dagegen rar gesät. Nun kam von der Firma Polar Film eine neue Dokumentation dazu auf den Markt, die direkt auf DVD veröffentlicht wurde. Um den unvoreingenommenen Zugang zu erleichtern, hat man im Titel das Reizwort "Autbobahn" klein gehalten und nannte den Film "Straßen der Vergangenheit". Erst im Untertitel heißt es "Die Reichsautobahnen 1933-1945". Große TV-Sender hätten das bewusst anders gemacht, weil das auch die Kasse klingeln lassen würde, wenn man Neben "Autobahn" ggf. auch noch "Hitler" im Titel hätte. Dies würde dem Gesamtthema aber nicht gerade gerecht werden, wenn man es so verkürzt darstellt. Deswegen ist es sehr lobenswert, dass man hier Mut beweist und versucht das Thema in einem historisch passenden Kontext zu präsentieren.
Die Dokumentation hat eine Laufzeit von 65 Minuten und wird ihrem Namen in jeder Form gerecht. Denn hier wird dokumentiert und nicht, wie im TV heute üblich, gewertet oder abgeurteilt. Und das Ergebnis ist hoch interessant! Und das, obwohl ich alles andere als ein Auto- oder (Fern-)Verkehrs-Interessent bin. Das Thema interessiert mich eigentlich nur sehr bedingt, die historischen Entwicklungen und Zusammenhänge sind jedoch sehr spannend und informativ.

So beginnt die Dokumentation mit der Weimarer Republik und den ersten Anfängen der Autobahnplanung, wobei der Fokus schnell auf das totalitäre Herrschaftssystem von Hitler gerichtet wird. Denn in dieser Zeit wurden die Autobahnen erstmals im großen Rahmen gebaut. Dabei ist man als Konsument der Dokumentation jedoch sehr erstaunt, als nach und nach mit vielen Vorurteilen über die Autobahn aufgeräumt wird. So erfährt man, dass sie nur einen unbedeuteten Teil dazu beigetragen hat, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Ebenso wurde sie nicht, wie "allgemein bekannt", zu Kriegszwecken gebaut. Denn dafür war sie vollkommen ungeeignet, weil sie keine schweren Kriegsfahrzeuge tragen konnte. Ebenso waren die bis zum Krieg erbauten Strecken in erster Linie vom Norden bis in den Süden gebaut - geeignet für sogenannte "KdF-Fahrten" - und nicht, wie für den Krieg benötigt, von Westen nach Osten. Hinzu kommt, dass diese Teilstrecken bis zum Krieg nur Fragmente waren, diese Straßen also kaum einen militärischen Wert für den Krieg gehabt haben.
Dennoch wird kein Hehl draus gemacht, dass z.B. Reichsmarschall Hermann Göring im Jahr 1938 die Autobahnen als wichtige und hilfreiche Transportmöglichkeit für einen möglichen Kriegsfall eingestuft hat, noch ohne die eben genannten Gegenargumente zu kennen oder zu berücksichtigen. Ebenso wird aufgezeigt, dass es im Krieg Pläne gab, das Autobahnnetz nach Beedigung der Gefechte durch große Teilen Europas auszuweiten.
Ein verhältnismäßig unpolitisches Thema war in den 30er Jahren die Bemühung, die Autobahnen so in die Natur zu integrieren, dass eine Symbiose entsteht und die Autobahnen eine Art Ergänzung zur Natur werden anstatt sie zu zerstören. Außerdem wollte man den einfachen Bevölkerungsschichten erstmals die Möglichkeit bieten, die Natur und die Kultur in ihrem Land in großen Maße erleben zu dürfen. Wobei das für die meisten Leute nur durch Omnibusse möglich war und nicht durch eigene Personenkraftwagen.

Dies sind nur ein paar Beispiele der unzähligen Daten und Fakten, die man hier erfährt. Dass diese sehr fundiert sind, spürt man schon durch die Detailgetreue und ausführliche Schilderung in dieser Dokumentation. Dirk Alt, der Regisseur des Filmes, der zuletzt die Dokumentation "Pech auf Skiern, Glück auf Schienen veröffentlichte, hat fachkundige Unterstützung der Fachleute Frank Buchhold und Hans-Peter Fuhrmann bekommen.

Der Interessierte bekommt hier eine durchweg gelungene Dokumentation serviert, die kaum Mängel aufweist. Was mich ein wenig stört sind die etwas zu ruhigen und zu leise eingemischte Stimmen der Sprecher. Dass es mehrere Sprecher sind, ist dagegen positiv zu werten, denn dadurch kommt mehr Abwechslung und Leben in den Film. Bemerkenswert finde ich, dass die leise Abmischung und die ruhige Sprechweise mich nach einer Weile nicht mehr gestört hat. Ich schätze, es liegt daran, dass ich von den Schilderungen und der Zusammenstellung des Filmes einfach zu sehr gefesselt war, sodass ich darauf dann nicht mehr geachtet habe.
Der Grund, wieso bisher kaum Dokumentationen über das Thema Autobahn entstanden sind, rührt wahrscheinlich daher, dass es nur wenig Filmmaterial aus den 30er und 40er Jahren zu diesem Thema gibt. Für dieses Projekt konnte man sich im Filmarchiv der Agentur Karl Höffkes bedienen, das inzwischen zahlreiches privat gefilmtes Material zu diesem Thema im Archiv vorweisen kann. Weil gerade dieses Material unabhängig von der damaligen Propagandamaschine gedreht wurde, trägt es zu einem außerordentlich authentischen Bild aus diesen Tagen bei.

Die DVD ist ebenso liebevoll gestaltet wie auch der Hauptfilm. Außen bekommt man einige Foto-Impressionen zum Thema zu sehen, sowie eine Inhaltsangabe und einige Daten zum Film. Die Hülle ist mit einem Wendeblatt ausgestattet, welches ermöglicht, das große FSK-Logo von der Startseite in den Innenteil der Hülle zu verfrachten. In der Hülle gibt es noch eine Werbebroschüre von Polar-Film. Hier wäre ein Informationsheftchen zum Hauptfilm wünschenswert gewesen. Die DVD selbst beinhaltet den Film im 4:3 und im 16:9 Bildformat. Der Ton liegt in Dolby Digital Stereo vor. Leider ohne Untertitel. Als Extra gibt es den Vorschaufilm zur Dokumentation und einen knapp 9-Minütigen Privatfilm zur Einweihung der ersten Autobahn-Teilstrecke aus dem Jahr 1935 zu sehen.

Der DVD-Markt hat sich inzwischen als eine gute und nicht selten seriöse Alternative im Bereich der Dokumentation erwiesen. "Straßen der Vergangenheit" ist ein weiteres Beispiel dafür, dass hochwertige historische Aufarbeitungen zu bestimmten Themen auch ohne Hilfe des Fernsehens oder des Kinos produziert werden können. Es bleibt zu hoffen, dass der Erfolg dieses Produktes nicht ausbleibt, damit weitere Filme dieser Art entstehen können.

Straßen der Vergangenheit - Die Reichsautobahnen 1933-1945

(sk)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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