GTA IV

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Datum: 21.06.2013 | VÖ: 29.04.2008 | Herausgeber: Rockstar Games | Kategorie: PlayStation 3

Niko Bellic will ein besseres Leben und dieser Wunsch führt ihn nach Liberty City, der fiktiven Version von New York im GTA-Universum. Hinter Niko liegt das Leben eines Soldaten im Balkan-Gebiet. Er hat Freunde und Familienmitglieder sterben sehen und sich einige Feinde gemacht. In den USA will er ein neues Leben anfangen und ist daher der Einladung seines Cousins Roman nach Liberty City gefolgt. Roman hat Niko in etlichen Mails vom Amerikanischen Traum erzählt und wie er im Geld schwimmt, sich vor den Frauen kaum retten kann und ein rundum gemachter Mann ist.
Die Wahrheit sieht leider ganz anders aus. Roman ist ein großmäuliger Taxi-Unternehmer und steckt dank vieler zwielichtiger Kontakte tief in der Tinte. Glücklicherweise hat Niko mehr Arsch in der Hose als sein Cousin und weiß sich daher zu wehren. Plötzlich hat Roman die Chance, seinen "Amerikanischen Traum" wirklich zu leben, dank seinem Cousin an seiner Seite. Nikos Abenteuer in Liberty City beginnt.

Das Prinzip von GTA ist seit dem ersten Teil, der 1997 erschien, bekannt und unverändert einfach wie genial: in einer Großstadt tobt sich der Spieler als Gangster aus, klaut sich einfach ein Auto, wenn er eins braucht, kauft sich massenweise Waffen und zieht jedes noch so krumme Ding ab, solange es Geld abwirft.
Liberty City "ist" New York und entsprechend kann man dem Big Apple nachempfundene Bezirke und Sehenswürdigkeiten, z.B. die riesige Statue einer Frau vor der Stadt, besuchen. Man kann ins Internet-Café gehen, U-Bahn oder Taxi-Fahren, Dart spielen, Bowlen gehen, sich ein paar Burger einschmeißen, sich betrinken und sich neu einkleiden.
Um dem Spiel eine inhaltliche Ausrichtung zu geben, entspinnt sich um Niko eine Geschichte in der Gangster-Szene von Liberty City, in der Teile seiner militärischen Vergangenheit in seiner neuen Heimat auftauchen und Niko alte, offene Rechnungen begleicht.

Man hat also die Wahl, ob man sich einfach nur in der Stadt rumtreibt und austobt oder zu den diversen Auftraggebern fährt und sich Missionen abholt. Diese Missionen ziehen immer irgendeine Straftat mit sich. Im Laufe der Zeit arbeitet sich Niko tiefer in die Szene der Großstadt-Kriminellen vor und macht sich neue Freunde und Feinde, während parallel alte Bekanntschaften wieder aufgewärmt werden. Mit allen seinen Freunden kann Niko jederzeit ein Treffen arrangieren - Anruf genügt und schon kann man eine Runde Bowlen, Mampfen oder Saufen gehen. Das ganze dient dem Zweck, Nikos Ansehen und Sympathien zu steigern bzw. zu erhalten. Romantische Beziehungen zählen dazu: Niko kann Damen ausführen und dann sein Glück versuchen, anstelle eines Abschiedsküsschens eine Einladung ins Heim der Dame zu erlangen.

Der Reiz der GTA-Reihe besteht seit jeher - und seit der Erschließung der dritten Dimension noch mehr - im Karikieren moderner Kultur. Alles in GTA ist eine kleine Übertreibung bekannter Phänomene. Die Fernsehsendungen sind noch dümmer und dreister, die Werbung ist noch platter und die Charaktere noch übergeschnappter.
Und es gibt eine Masse an Referenzen zu entdecken. Hier scheuten die Entwickler noch nie die größten Mühen, um ihre Spielwelt mit Details vollzustopfen: Fernsehsendungen, Webseiten, Radiosender, Plakate, Graffitis und noch vieles mehr. Alles wurde extra für das Spiel ausgestaltet, um Liberty City mit einer ganz eigenen kulturellen Handschrift der modernen Zeit zu versehen..

Die Bühne für Nikos Geschichte ist zweifellos wunderbar gestaltet. Fragt sich nun, was die Figuren aufzuführen in der Lage sind.
Bei Handlung und Handhabe ist der Tiefgang leider nicht besonders groß. Schnell kennt man die bestimmenden Mechaniken des Spiels und spielt nur noch leichte Variationen bestimmender Motive wie Mordanschlag, Verfolgungsjagd oder Kurierfahrt durch. Immer wieder mal klingelt Nikos Handy und man wird um eine soziale Aktivität gebeten: Stripclub mit Roman oder andere Extraschleifen, die für die Haupthandlung keine Bedeutung haben, aber das Profil der jeweiligen Figur schärfen helfen.
Dennoch wiederholt sich das meiste sehr schnell und man leidet zu dem unter den Phasen zwischen den Missionen, während derer man einfach nur von A nach B fährt und irgendwann regelrecht Angst bekommt, dass schon wieder das Handy klingeln könnte.
Was unheimlich nervt ist, dass man meistens eine mittellange Fahrt zu einer Mission hin zurücklegen muss. Diese Fahrt dient oft als Zeit für einen kleinen Dialog, um noch ein paar Infos zur Mission auszubreiten. Beim ersten Mal ist das noch ganz okay. Scheitert man jedoch an der Mission und startet sie direkt neu, fängt man wieder dort an, wo man den Auftrag bekam. Das bedeutet: man darf diese Überbrückungsfahrt jedes einzelne Mal erneut zurücklegen und eigentlich schon ab dem zweiten Mal ist man davon unheimlich genervt. Munition und Lebensenergie sind auch nicht wieder hergestellt, also ist es nicht wirklich das Laden eines Auto-Saves und man darf zusätzlich zu der erneuten Überbrückungsfahrt einen Abstecher zum Heilen und Munitionsauffüllen machen.
Ich erinnere mich nicht, in irgendeinem anderen GTa-Spiel so spürbar lange Strecken gefahren zu sein, dass ich so manches Mal seufzen musste.
Ebenso zäh ist die Handlung um Niko und seine unerledigten Pläne. Gefühlt hat jede zwanzigste Mission was mit Nikos persönlicher Agenda zu tun. Der Rest ist Liberty City-interne Gangster-Seifenoper, die so uninteressant ist, dass man sie einfach nur abarbeitet. Anfangs trifft man noch auf markante Charaktere wie einen kamerageilen Sozialarbeiter oder Brucie, den Autohehler, der sich als Alpha-Wesen versteht und seinen Körper zur Perfektion trimmen will. Diese kurzweiligen Figuren verlieren sich aber und man klappert nur noch einen knurrenden Gangster-Boss nach dem anderen ab und wird später sogar von einer Geheimorganisation in deren Büro zitiert, wo jeder Missionsauftrag von einem Vortrag über die Mechanismen hinter den Kulissen begleitet wird und man sich ein Kissen und eine Schlafmaske wünscht. Die Lücken im Erzählen von Nikos Geschichte sind so groß, dass man sich irgendwann unweigerlich fragt, wozu man das alles macht, da man den Fadenvöllig verloren hat - selbiger ist nämlich vom vielen passiven Rumliegen ganz brüchig geworden.

"GTA IV" steckt voller Möglichkeiten, etwas zu tun, ist allerdings extrem unterversorgt an guten Gründen für diese Tätigkeiten. Natürlich kann man einfach losziehen und einen drauf machen, Autos klauen, sich mit der Polizei anlegen, eine Hubschrauberflug oder eine Bootsfahrt unternehmen. Erlaubt ist, was gefällt. Es fehlt nur der Anreiz. Die Entwickler müssen sich gedacht haben, dass der Spieler alles Angebotene auch macht, weil es eben da ist. Alles will seiner selbst willen angefasst werden, z.B. sind in der ganzen Stadt 200 markierte Tauben verteilt, die man umbringen kann bzw. soll. Es wird aber nichts in Aussicht gestellt, was man davon hat - außer der Gewissheit, alle 200 Tauben gefunden und umgebracht zu haben. Eine Ostereiersuche.
Wenn man einfach mal sinnlos die Sau rauslassen will, ist "GTA IV" ein wunderbarer Spielplatz zum Austoben. Eine interessante Geschichte braucht man aber nicht zu erwarten. Jeder Spieler muss es also mit sich selbst ausmachen, ob ihm eine hübsch anzuschauende und weitläufige Großstadt voller Möglichkeiten ausreicht oder ob er in eine ansprechende Handlung verwickelt werden möchte. Letztere sucht man nämlich vergeblich.

Für mich persönlich ist "Red Dead Redemption" das Maß aller Dinge, was eine offene Welt mit dichter Atmosphäre und interessanter Handlung angeht. "GTA IV" ist kein RDD in moderner Zeit, dafür ist Nikos Geschichte zu lahm erzählt und Liberty City zu voll mit zufällig generierten Passanten und Autos. (mp)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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