Das karmesinrote Blütenblatt

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Datum: 04.06.2012 | VÖ: 30.03.2012 | Herausgeber: Polyband | Kategorie: Serie

Mit der Verfilmung des gleichnamigen Romans "Das karmesinrote Blütenblatt" von Michel Faber hat sich die für ihre hochkarätigen Literaturverfilmungen bekannte britische BBC an einen schwierigen Stoff gewahrt, denn im Mittelpunkt der Handlung steht die Edelprostituierte Sugar, das so ziemlich begehrteste leichte Mädchen des viktorianischen London. Sie arbeitet im Bordell der skrupellosen Mrs. Castaway, die auch nicht davor zurück schreckt, schwer kranke Mädchen weiter anzubieten und die es nicht zu rühren scheint, wenn diese schließlich verenden. Als der ebenso reiche wie unbedarfte Industriellensohn William Rackham eine Nacht mit der lasziven Schönheit verbringt und ihr prompt verfällt, bietet er ihr eine einmalige Gelegenheit: Wenn sie sich verpflichtet, fortan nur noch für ihn alleine da zu sein, wird er ihr ein luxuriöses Leben bieten. Sugar, die ihre Erlebnisse als Prostituierte in düsteren Geschichten verarbeitet, die mit dem Mord an den Freiern enden, willigt zunächst ein und zieht in eine Wohnung, die William eigens für sie anmietet. Doch so glücklich, wie sie erhofft hatte, macht sie diese neue Lebenssituation nicht - einerseits kann sie zwar nun Komfort und Luxus genießen, andererseits ist sie aber auch von ihrem neuen Gönner abhängig und weiterhin vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Also ersinnt sie einen Plan, dessen Ausführung nicht nur für sie selbst einiges ändert.

"Das karmesinrote Blütenblatt" ist quasi das Gegenstück zu den klassischen Jane Austen-Verfilmungen - während diese eher in den besser gestellten Kreisen spielen und Armut, wenn sie denn überhaupt thematisiert wird, niemals in ihren schwerwiegenden Auswüchsen zeigt, werden Leid und Elend hier nicht ausgespart, sondern teils recht drastisch inszeniert. Somit zeigt der Film die Schattenseite der augenscheinlich so gesitteten viktorianischen Gesellschaft. Daher ist es kein Wunder, dass die Romanvorlage mit ihrer sozialkritischen gelegentlich mit Charles Dickens verglichen wurde, der das Augenmerk in vielen seiner Geschichten ebenfalls auf die prekären Verhältnisse der unteren Schichten Englands legte. "Das karmesinrote Blütenblatt" zeigt menschliche Abgründe und Schwächen, und das längst nicht nur auf Seiten der Armen. William selbst führt die Familiengeschäfte eher schlecht als recht und wäre eigentlich lieber Schriftsteller - nur mangelt es ihm an dem nötigen Biss, um an der Verwirklichung seines Traumes zu arbeiten, ganz abgesehen von seinem dürftigen Talent. Seine Frau Agnes ist geistig äußerst labil und verfällt zusehends, sein Bruder Henry leidet unter dem Zwiespalt zwischen seinen Gefühlen und seinem moralischen Gewissen. Opulent, provokant und sinnlich wurde mit der filmischen Adaption von "Das karmesinrote Blütenblatt" ein meisterhaftes Sittengemälde geschaffen, das fernab jeglicher Romantisierung einen ebenso düsteren wie fesselnden Einblick in das viktorianische Zeitalter Englands gewährt. Hervorzuheben ist auch die hervorragende Besetzung: Romola Garai verleiht der lasziven Sugar die nötige Tiefe, und selbst bis in die kleinste Nebenrolle wissen die Darsteller durchweg zu überzeugen,

Neben den vier Episoden der Miniserie enthält die DVD-Box auch einige entfallene Szenen sowie Interviews mit den wichtigsten Beteiligten. Auch die Qualität von Bild und Ton weiß zu überzeugen; an der Produktgestaltung gibt es also ebenfalls nichts auszusetzen. Liebhaber hochkarätiger Literaturverfilmungen sollten sich "Das karmesinrote Blütenblatt" nicht entgehen lassen, denn die Miniserie gehört mit zu den besten, die der britische Sender BBC in letzter Zeit veröffentlicht hat. (ck)

Wertung: 9 von 10 Punkten (9 von 10 Punkten)

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