Tom meets Zizou - Kein Sommermärchen (Blu-ray)

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Datum: 27.02.2012 | VÖ: 25.11.2011 | Herausgeber: Alive | Kategorie: Dokumentation

Als Fußballer hat man es nicht leicht. Leistung, Leistung, Leistung " mehr scheint nicht zu zählen und wenn man dennoch nach mehr strebt oder sich einfach nur ein innerlich erfüllendes Mehr sucht, kann man ins Straucheln geraten. Fußball ist, vor allem in Deutschland, mehr als nur Sport und Spiel. Es ist Geschäft, Medienrummel, Volksseele in Stadien abgefüllt.
Thomas Broich war einer der Akteure in diesem gigantischen Betrieb deutschen Profifußballs und hat dem allem abgeschworen " obwohl er als junger, frischer Spielmacher gefeiert wurde und das Trikot eines Nationalspielers schon in greifbarer Nähe war. Sein Weg führte ihn vom Zweitligisten Wacker Burghausen in die Bundesliga zu Borussia Mönchengladbach, wieder in die 2. Liga nach Köln und dann nach Nürnberg. Er sah Trainer kommen und gehen und immer wieder ein Bild von sich selbst in den Medien, das er nie als deckungsgleich mit sich selbst empfand. Fest stand dabei immer: er ist ein überragender Mittelfeldspieler, der sich mit Spaß und Kreativität auf dem Platz bewegen kann und gern dem Spiel seine eigene Note verleiht. Broich hat sich auf keinen Fall zu Unrecht den französischen Superstar Zinedine Zidane (genannt Zizou) als Vorbild gewählt. Auch er hat das Mittelfeld zur Leinwand seiner spielerischen Kunst gemacht. Die Künstler-Metapher ist nicht zufällig gewählt, denn gern sah sich Broich als einen Künstler, empfand Fußball als eine Form der Kunst mit Körper und Ball, der man Kreativität angedeihen lassen müsse. Broich hat keine "Das Runde muss ins Eckige"-Mentalität, er will im Fußball etwas finden, dass man nicht mit nur einem Wort beschreiben kann. Freude, Kreativität, "sthetik, Spaß, Erfüllung, Glück? Es ist ungewiss, ob es eine Antwort darauf gibt, darum halten wir uns lieber an die Fakten und diese hält die Doku "Tom meets Zizou" anhand einer neunjährigen Studie des Menschen Thomas Broich fest.
In diesen neun Jahren taucht Broich als junger Mann Anfang zwanzig in den Profifußball ein und endet als 30jähriger in Australien. Was da zwischen liegt, beschreibt die über zweistündige Doku. Broichs Weg ist geprägt von ideellen Konflikten mit dem System Profifußball und seinen jeweiligen Chef-Trainern bei seinen Vereinen. Dass Broich ein schlichtweg guter Spieler ist, wird ihm quasi indirekt zum Verhängnis, denn deshalb genießt er Aufmerksamkeit beim Trainer, im Verein und bei den Medien " was sich auch in seinem Ego niederschlägt. Rückblickend sieht Broich die ungute Wirkung darin, damals war er mittendrin und scheute nicht, Fragen zu stellen und seinem Sehen nach einem befreiten Spielen und Sein zu folgen. Er denkt und fühlt anders als der typische "Kicker" und zeigt das auch, versteckt sich provokant hinter Büchern, während die Mannschaft Physiotherapie erfährt, liest nicht nur den Sportteile, sondern moderne Denker und hört ab und zu auch mal klassische Musik " schwupps hat der den Spitznamen "Mozart". Sein "Anderssein" wird zu seinem Merkmal, dass beide Seiten " Broich und die anderen " mehr oder minder aktiv pflegen. So beginnt eine wilde Fahrt durch die Profi-Clubs, die mehr und mehr Züge einer nach unten weisenden Spirale annimmt, die Broich nach eigener Aussage in eine ausgewachsene Spielerdepression führte. Mit nicht einmal 30 Jahren. Der Ausweg nur über den Ausweg: Australien.

Mit 135 Minuten ist die Doku über Thomas Broich eine große Portion Film, aber wenn die Dinge eben in Ausführlichkeit erklärt werden müssen, braucht es halt Zeit. Leider greift diese Rechtfertigung hier nicht. Broichs Lauf durch die Vereine und die vielen Schwierigkeiten in seiner Karriere hätte man definitiv auch kürzer erzählen können. Immer wieder nimmt die Doku einfach das Tempo raus und setzt die Erzählung aus, als ob sie verschnaufen müsste. Vielleicht wollte Regisseur Pause für den Fall vorsorgen, dass Fußballfans seine Doku schauen und ihnen Momente zum Verdauen geben.
Auch scheint er den Zuschauer nicht damit überfordern zu wollen, was Thomas Broich denn so "anderes" gelesen, gehört und konsumiert hat. Es wird immer nur angedeutet, dass er sich mit Denkern, Klassik und dergleichen umgibt. Ansonsten wird immer nur davon gesprochen, dass er "ein Buch" las oder immer dabei hatte. Da darauf seine Andersartigkeit gründete, hätte man es viel mehr erklären und viel erfahrbarer machen müssen, denn so ist man auch als Zuschauer nicht in der Lage, Broich ganz zu verstehen. Man erfühlt ihn nicht und kann dann immer nur mit dem Konzept arbeiten, dass Broich eben anders ist. Dass ihn Fußball irgendwie fasziniert, kommt deutlich heraus, aber was ihn an all den musischen Dingen reizte und reizt, bleibt im Verhältnis gesehen auf der Strecke und so fühlt sich die Doku seltsam an. Man kann keine echte Verbindung zu Broich aufbauen und mit ihm fühlen. Da erwischt man sich auch mal dabei, dass man mit den Augen rollt, wenn ihm mal wieder ein Trainer nicht passt.
Immerzu wird erklärt, was an einer neuen Situation zum Problem für Broich wurde und immer hatte er es schwer gehabt, der arme, arme Profifußballer, der sich aussuchen konnte, zu welchem Verein er geht. Zum Glück reflektiert der erwachsenere Broich rückblickend sehr offen darüber, wie eitel, arrogant und stolz er mitunter war. Wenn man von allen Seiten ein Anderssein angedichtet bekommt, hat das eben Effekte auf die Selbstwahrnehmung und erst recht bei einem jungen Menschen " auch wenn er tiefsinnig und feingeistig sein mag.
Ein anderer Aspekt der Doku, der zu schwach herausgearbeitet wird, ist der Betrieb des Profifußballs. Immer wieder wird angesprochen, dass es ein hartes Geschäft sei, es um andere Dinge als individuelle Selbstverwirklichung gehe usw., doch die konkreten Fakten fehlen. Ist es denn nun wirklich so oder sagen es alle nur? Auch hier fehlt die definitive Nachvollziehbarkeit.

Aufgrund dieser Schwächen, der Länge und der mangelnden Tiefe, ist "Tom meets Zizou" eine gut gemeinte aber maximal mittelmäßige Dokumentation.
In den Extras finden sich auch eher nur mittelprächtige Boni: ein kurzes Making of und ein australisches TV-Feature über Broich, sowie mehrere Trailer zur Doku. (mp)

Wertung: 4 von 10 Punkten (4 von 10 Punkten)

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