Hard Boiled

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Datum: 30.08.2011 | VÖ: 17.05.2000 | Herausgeber: Cross Cult | Kategorie: Comic

Nixon ist ein Durchschnittstyp " dessen ist er sich felsenfest sicher. Er ist ja auch nur Steuereintreiber im futuristischen Los Angeles. Dass er bei seinem jüngsten Auftrag dreistellige Zahlen an Todesopfern erzeugt, von Kugeln durchsiebt und von einem gepanzerten Wagen durch eine Wand gerammt wird, wundert ihn nicht weiter. Er ist eben ein Durchschnittstyp. Nixon überlebt den Wahnsinn, sieht jedoch eher aus wie zehnmal durch den Fleischwolf gedreht. Zum Glück wird er eingesammelt und wieder gepflegt " oder eher "repariert", bis er rundum wieder wie neu ist und neben seiner hübschen Ehefrau im Bett liegt, während die beiden aufgeweckten Kinder herumtollen. Am nächsten Tag geht Carl Seltz wieder seiner Arbeit als Versicherungsermittler nach. Carl Seltz? Oder doch Harry Burns? Oder eher einfach nur "Einheit 4", wie ihn der Mann im Laborkittel nannte?
Unser Protagonist hat andere Sorgen als sich über seine plötzliche Neigung zu Selbstgesprächen oder das Verschwinden seiner Abneigung gegen Hamburger zu wundern. Er hat einen Job zu erledigen: die Daten einer alte Dame genauer untersuchen, denn sie hat möglicherweise falsche Angaben gemacht. Leider ist die Dame sehr viel mehr als sie zu sein scheint und wehrt sich in mehr als nur beachtlicher Manier gegen die Untersuchung. Im Handumdrehen bricht eine brutale und schonungslose Gewaltorgie zwischen den beiden aus und mitten in dem Getümmel nennt die Dame unserer tapferen Helden immer wieder "Nixon". Den Namen kennt der Leser schon " der Protagonist aber anscheinend gar nicht. Er ist doch nur ein Durchschnittstyp. Ehefrau, zwei Kinder, Hypotheken. Während er das immer wieder beteuert, geht der Kampf schonungslos weiter. Explosionen, Unfälle, Gemetzel. Die beiden sind wie eine verheerende Macht der Zerstörung, doch als alles vorbei zu sein scheint, ist noch lange nicht alles vorbei. Wer ist Nixon? Wer ist Carl Seltz und wer Harry Burns? Was hat die "Dame" da für Sachen erzählt? Die Gewalt geht weiter auf der Suche nach Antworten.

Fans von John Woo sollten wissen: dieses Comic hat nichts mit dem Chow Yun-Fat-Film zu tun. Trotzdem findet man hier explizite Gewalt in einer fast schon rauschhaften Inszenierung. Jedes Panel ist voller Details, auch wenn es doch mal ruhig zugeht.
Zeichner Darrow neigt zu großen Bildern und vor allem vielen Splashpages, kann sich aber auch gezielt über kleine, fast miniaturistische Panels ausdrücken, macht hiervon aber eher selten Einsatz. Es regiert das große Format und die Flut an Details. Man kann sich minutenlang auf einem doppelseitigen Bild verlieren und einfach nur die Details des Sündenpfuhls, in welchem Nixon unterwegs ist, aufsaugen. Mitunter muss man sogar nach Nixon selbst suchen, was spürbar pure Absicht des Zeichners ist, denn es soll deutlich werden: dieser Typ versinkt in Gewalt und Wahnsinn. Hier ist grundlegend etwas nicht in Ordnung und es ist nicht dieser Mann, sondern diese Gesellschaft. Alles hat einen widerlichen Hauch an sich, eine Aura des bösen Hintergedankens und Darrow zeigt das immer und immer wieder in prächtigen Bildern, die an Frank Quitely erinnern, jedoch keine so großartige Kolorierung genossen haben. Das kann aber daran liegen, dass "Hard Boiled" in den sehr frühen 90ern erschienen ist.
Rein von der Handlung her, wird nicht viel erzählt. Es gibt da dieses Geheimnis um Nixon und den Grund, warum er sich nach einer Nacht der "Reparaturen" für einen anderen hält und dann gleich wieder für noch einen anderen. Der Showdown und das Finale um die Gehilfin Barbara sind trotz der Armut an inhaltlicher Unterfütterung sehr gelungen und erzählerisch und optisch wundervoll umgesetzt. Der Epilog kann da nicht heranreichen.
Anfangs verwirrend und später bedrückend, dabei stets und ständig unter Strom stehend: das ist "Hard Boiled". Kein Drama mit Shakespeare'schen Tiefen, aber dafür von Darrow einmalig inszeniert. (mp)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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