Das fliegende Klassenzimmer (1973)

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Datum: 18.06.2011 | VÖ: 11.03.2011 | Herausgeber: MFA Film | Kategorie: Film

In den 60er Jahren wurde die Schulsatire "Zur Hölle mit den Paukern" zu einem regelrechten Bestseller. Dieser Roman eines Gymnasiallehrers, der wie kaum ein anderer den Nerv seiner Zeit getroffen hat, wurde zum Selbstläufer und war in vielen Haushalten Pflichtlektüre. Wie es nun mal mit erfolgreichen Büchern so ist, ließ eine Verfilmung nicht lange auf sich warten. In diesem Fall hat sich Franz Seitz dem Thema angenommen, der zuvor erst große Erfolge mit der Thoma-Reihe "Lausbubengeschichten" verzeichnen konnte. Mit der Filmreihe "Die Lümmel von der ersten Bank" legte er im Jahr 1968 den Grundstein für eine neue Filmserie, die das damals neue Genre des Paukerfilms begründete. Diese Art des Films gab es in ähnlicher Form natürlich schon vorher, aber durch die sogenannten "Lümmel"-Filme gab es in den späten 60er und frühen 70er Jahren einen regelrechten Paukerfilm-Boom, der zahlreiche Epigone zur Folge hatte. Dazu gehören auch Neuverfilmungen alter Schulfilm-Stoffe. So hat beispielsweise Horst Wendlandt im Jahr 1970 den Rühmann-Klassiker "Die Feuerzangenbowle" mit Walter Giller in der Hauptrolle neu aufleben lassen. Franz Seitz, der Produzent der Lümmel-Filme, widmete sich im Jahr 1973 noch ein letztes Mal einen Schulstoff und ließ "Das fliegende Klassenzimmer" von Erich Kästner neu verfilmen.

Wie in vielen Kritiken korrekt gesagt wird, ist diese zweite deutsche Verfilmung von "Das fliegende Klassenzimmer" auf der Welle der Paukerfilme mitgeschwommen. Wer den Film jedoch kennt, weiß, dass er kein Paukerfilm im damaligen Sinne ist. Denn diese Filme waren zur damaligen Zeit sehr von Klamauk und Schulstreichen geprägt, die das Genre ausmachten. Während die Neuverfilmung von "Die Feuerzangenbowle" stark in diese Richtung ging, orientierte sich Seitz, der auch für das Drehbuch verantwortlich war, stark an der Buchvorlage, ließ aber auch einige "nderungen zu, die den Film aber nicht geschadet haben. Der Produzent und Autor liebte es, literarische Stoffe auf die große Leinwand zu bringen und beherrschte es nahezu meisterhaft, die Drehbücher so zu schreiben, dass sie den Buchvorlagen gerecht werden. Nicht umsonst hat er zahlreiche erfolgreiche Filme produziert, die auf literarische Vorlagen basieren. Dazu gehören Geschichten von Thomas Mann, Günther Grass, Erich Kästner, Ludwig Thoma oder Lion Feuchtwanger.

Auch in diesem Film, bei dem es sich um die erste deutsche Kästner-Neuverfilmung nach "Emil und die Detektive" handelt, dreht sich wieder alles um ein Internat und seine Schüler. Diese arbeiten an ihrem Theaterstück, müssen sich aber gleichzeitig mit ihren Alltagsproblemen herum schlagen. Dazu gehören Themen wie Heimweh, Mut und Freundschaft. Aber auch die verfeindeten Realschüler. Außerdem merken sie, dass der einsame Mann, den sie "Nichtraucher" nennen, da er in einem abgestellten Nichtraucherwagon lebt, ein alter Freund ihres Lieblingslehrers ist. Sie planen, die alten Freunde wieder miteinander zu vereinen...

Dieser Film ist wie die meisten andere Kästner-Verfilmungen in den letzten Jahren zu einen Klassiker avanciert. Er schafft es die Kästner-Intention in wundervoller Art und Weise aufzunehmen und das im Gewandt der 70er Jahre. Seitz hat es in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Werner Jacobs geschafft, aus einem hochwertigen Stoff einen ebenso hochwertigen Film zu machen, der gleichzeitig aber auch unterhält und unheimlich unbeschwert daher kommt. Vom Klamauk der Paukerfilme ist hier nichts zu spüren. Vielmehr bekommt man die Werte der damaligen Zeit vermittelt und ein wundervolles, bodenständiges und fröhliches Lebensgefühl, das in der heutigen Zeit immer mehr verloren zu gehen scheint. Die Figuren der Geschichte haben noch Zeit. Sie erfreuen sich an Kleinigkeiten, pflegen den Umgang miteinander und scheuen sich auch nicht vor einer Keilerei. Blaue Augen und Schürfwunden sind da vorprogrammiert, aber viel weiter ist man damals einfach nicht gegangen. Das war Ehrensache! Natürlich ist dies ein Film, der die damalige Zeit ein wenig verklärt. Trotzdem sind viele dieser Facetten damals alltäglich gewesen. Die Leute waren von den Medien noch nicht so zugedröhnt. Sie hatten keine Mobiltelefone, keine Computer und brauchten dies auch nicht.

Gedreht wurde der Film in der fränkischen Kleinstadt Bamberg. Es handelt sich dabei um eine wundervolle Kulisse, die hervorragend zu diesem Film passt und den Charme und das märchenhafte Flair der Produktion noch einmal unterstreicht.

Vor der Kamera agieren zahlreiche junge Schauspieler, die allesamt einen tollen Eindruck machen und ihre Figuren authentisch verkörpern. Lediglich die Tatsache, dass Uli von einer Frau synchronisiert wurde und man dies auch immer wieder merkt, ist ein wenig störend. In den Rollen der Erwachsenen sind große Namen wie Joachim Fuchsberger, Heinz Reincke, Diana Körner, Anita Mally und Bernd Herzsprung zu finden. Für die musikalische Untermalung des Films war übrigens Rolf Wilhelm zuständig, dessen markanten Stil man auch schon aus den anderen Seitz-Lustspielen her kennt.

Im Rahmen der "Erich Kästner"-Filmedition wurde dieser Klassiker nun ein weiteres Mal auf DVD veröffentlicht. Die Aufmachung der DVD ist wieder gelungen und reiht sich gut in die anderen Veröffentlichungen der Edition ein. Auf dem Titelbild findet man eine Zeichnung aus der Buchvorlage, diverse Schriftzüge und eine Impression aus dem Film. Die Rückseite der Hülle zeigt weitere Fotos, eine Inhaltsangabe und alle weiteren relevanten Daten zum Hauptfilm und zum Produkt.

Wenn man die durchsichtige Hülle öffnet, findet man ein Faltblatt, das über die Kästner-Edition informiert und die DVD-Scheibe. Durch das Plastik hindurch kann man dann noch einmal den Selben Druck sehen, den man auch auf der anderen Seite der Hülle zu sehen bekam. Dies ist mit dem Wendecover zu begründen, das es ermöglicht, das große FSK-Logo von der Vorderseite verschwinden zu lassen. Dass es dadurch dann Innen sichtbar wird, ist ein wenig unglücklich gelöst.

Das DVD-Menü ist sehr witzig gestaltet. So bekommt man erste Eindrücke des Filmes in Form von Animationen und Zitaten serviert. Außerdem sind die Menüpunkte falsch geschrieben (z.B. "filmschtard") und werden mit "Rotstift" verbessert, sobald man diese angewählt hat. Neben dem Hauptfilm und einer Kapitelwahl kriegt man noch eine "Späcilfitschus" und eine "weitere DVds"-Rubrik geboten. Diese beinhalten aber leider nicht sonderlich viel Material. Die Spezialrubrik wurde nur mit zwei Kurzbiographien zu Erich Kästner und Blacky Fuchsberger ausgestattet. Die Rubrik mit den Vorschaufilmen wirbt für drei weitere Familienfilme. Ein Bezug auf die Kästner-Edition findet man hier nirgends, was darauf schließen lässt, dass die Erstauflage der DVD einfach noch einmal neu und unverändert im Rahmen der Edition aufgelegt wurde. Ton- und Bildqualität ist sehr gut. Der Film hat eine Laufzeit von knapp 88 Minuten.

"Das fliegende Klassenzimmer" von 1973 ist eine der schönsten Kästner-Neuverfilmungen und reiht sich würdig in die Riege der hochwertigen Kästner-Familienfilme ein. Das Flair der frühen 70er Jahren mit ihrer Mode, den Frisuren und der damals noch bodenständigen Lebensweise macht einfach Spaß und entführt den Zuschauer in eine längst vergangenen Zeit. Die DVD-Veröffentlichung ist solide, aber auch nichts Besonderes. (sk)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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