Tony Chu ist ein sehr linientreuer, korrekt arbeitender Polizist und steckt trotzdem tief in der Klemme " und das nur, weil er ein wenig an einem Serienkiller, der sich kurz zuvor selbst die Kehle durchgeschnitten hat, herum knabberte. Aber eins nach dem anderen.
Seit einer Vogelgrippe-Epidemie, bei der weltweit über 100 Millionen Menschen sterben, ist der Besitz von Geflügelfleisch streng verboten und Polizist Tony Chu arbeitet gerade an einem Fall, bei dem ein Hühnchen-Schwarzhändler hochgehen soll. Als Tony und sein Partner der Sache grade ganz nah sind, kommt Tony sein ganz besonderes Talent in die Quere: er ist ein Cibopath, was bedeutet, das alles, was Tony isst, ihm seine Geschichte erzählt: er weiß, wo ein Apfel gewachsen ist, ein Schwein geschlachtet wurde oder ein Pilz gepflückt. Und da Tony an der Aufklärung von gleich 13 Morden auf einmal interessiert ist, nagt er an dem Serienkiller, der sich kurz vorher selbst das Leben genommen hat. Dieser Sachverhalt und all die Umstände um ihn herum werfen bei Tonys Chef viele Fragen auf und die Polizei-Karriere ist sowieso zuende, doch das Leben als Ermittler nicht, denn die FDA, die Lebensmittelaufsicht, deren Tätigkeiten durch die Kriminalisierung von Geflügel wesentlich interessanter geworden ist, nimmt Tony und sein Talent nur zu gern in die eigenen Reihen auf. Fortan steht ihm der kolossale und eloquente Mason Savoy als Partner zur Seite und gemeinsam ermitteln sie den Fall eines ermordeten Hygieneinspektors, dessen Finger auf einmal auf einem Burger auftauchte. Im Laufe der Ermittlungen, gelangen die beiden Agenten auf mehr als nur die Spur eines Mörders, sondern kommen auch in Kontakt mit Hypothesen, die die gesamte Tragödie der Grippe-Epidemie hinterfragen, müssen sich aber vor allem immer wieder ihrer Haut erwehren, denn in "Chew" lebt es sich als Agent der Lebensmittelaufsicht rasanter als man meinen mag.

"Chew" ist das erste große Werk des noch eher unbekannten Autors John Layman, der seine Idee schließlich doch noch verkaufen konnte und in Rob Guillory einen passenden Zeichner für das Szenario fand. Die Idee des absoluten Verbots von Geflügel, der Schwarzmarkt-Hühnchen-Händler und des sehr sympathischen Tony Chu, der auch noch Cibopath ist, ist originell, interessant und kommt sehr unverbraucht rüber. Layman schafft es auch ziemlich gut, Klischees aus den Bereichen Polizei/Agenten/Krimi nicht zu sehr zu strapazieren, doch natürlich ist da auch der ewig schreiende Vorgesetzte vorhanden. Auch bei der Figur Mason Savoy und deren Entwicklung kann man nicht behaupten, dass man als Leser nicht sowieso schon eine gewisse Ahnung hatte. Layman gibt dennoch auch an manchen Stellen deutlich zu erkennen, dass er keine Lust hat, die Grenzen von "Chew" schnell erwartbar werden zu lassen, daher tauchen auch auf einmal eine russische Söldnerin in Bikini oder Lebensmittelaktivisten in französischer Klischee-Montur "Baskenmütze und Streifenhemd" auf. "Chew" soll nach Möglichkeit nicht allzu berechenbar werden und über die Dauer der ersten fünf Kapitel, die in diesem Band versammelt sind, gelingt das Layman ganz gut. Es finden sich jedenfalls mehr als nur ein gerader, flacher Hauptstrang in der Handlung und auch die Aussichten auf die kommenden Ereignisse, machen Appetit auf mehr.
Zeichner Guillory passt sehr gut zu der Stimmung der Erzählungen. Kleine Anleihen an das Manga-Genre hier und da, sowie ein generell sehr lockerer Zeichenstil präsentieren die Ereignisse sehr frisch und vor allem dynamisch, sodass sogar die reinen Dialoge dank der Mimik sehr kurzweilig gestaltet sind.
"Chew" hat wirklich spürbare frische Ideen in sich, kann dabei aber nicht unbedingt viel Tiefgang bietet, was aber noch kommen kann, wenn die hier gesetzten Anspielungen und Vorausdeutungen gut ausgebaut werden. Immerhin hat Autor Layman mit seinem Comic einen Harvey- und einen Eisner-Award gewonnen. Wer einfach mal völlig unvoreingenommen etwas Neues ausprobieren möchte, sollte sich "Chew" anschauen. (mp)

Wertung: (7 von 10 Punkten)