Ein andalusischer Hund / Das goldene Zeitalter

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Datum: 29.12.2010 | VÖ: 19.11.2010 | Herausgeber: Alive | Kategorie: Film

"Das Drehbuch wurde innerhalb einer Woche nach einer sehr einfachen Regel geschrieben, für die wir uns in voller Übereinstimmung entschieden hatten: keine Idee, kein Bild zuzulassen, zu dem es eine rationale, psychologische oder kulturelle Erklärung gäbe". Diese Zeilen stammen vom spanischen Regisseur Luis Buñuel und mit "wir" sind er selbst und der durch seine surrealen Gemälde bekannte Künstler Salvador Dalí gemeint. Zusammen haben sie in den Jahren 1929 und 1930 zwei filmische Werke geschaffen, die nach wie vor in ihrer surrealen Linie eine faszinierende Wirkung entfalten können.
Das obige Zitat bezieht sich auf den 17minütigen Film "Ein andalusischer Hund" und untertreibt keinesfalls, was die Unmöglichkeit der Erklärbarkeit des Gezeigten angeht. Ein Mann schlitzt den Augapfel einer Frau mit dem Rasiermesser auf, aus seiner Hand quillen Ameisen, ein gestreiftes Kästen tritt immer wider auf und sorgt ständig für Aufmerksamkeit, ein Mann begegnet sich selbst in gänzlich anderer Inkarnation. Diese und andere Motive werden in "Ein andalusischer Hund" verhandelt und in loser Reihung ohne einen Anspruch auf inhaltliche Kohärenz präsentiert. Die Intention der beiden Autoren ist ja bekannt. Es geht um Surrealismus und im Medium Film finden Dalí und Buñuel einen Platz für ganz spezielle Darstellungen, die nur der Film bietet, z.B. das Spiel mit dem Fokus des Gezeigten: eine Hand, ein Auge, der Himmel. Im Rahmen der damaligen Möglichkeiten werden auch regelrecht filmische Tricks angewandt. Nichts ist darauf ausgelegt, etwas zu erzählen, denn es geht darum etwas zu zeigen " oder besser: viel zu zeigen, vieles durcheinander und doch im surrealen Sinne ohne Widersprüche miteinander vereint.
Kaum anders verhält es sich bei "Das goldene Zeitalter", welcher allerdings mit 63 Minuten deutlich länger ist und glücklicherweise ein anderes Schritttempo wählt. Auch wenn hier das Surreale verhaltener daherkommt, ist es immer präsent, oftmals eher lauernd und dann in verschiedenartig auftretenden Formen doch wieder ganz da und raum- und sinngreifend seinen Platz einfordernd.
Das mag alles ziemlich anstrengend und nicht besonders kurzweilig sein, doch zu ernst sollte und muss man beide Werke nicht nehmen. Nirgends steht geschrieben, dass es kein Humor in der Erfahrung der Filme geben darf " ganz im Gegenteil, denn Buñuel selbst schreibt, dass als Inspiration nicht nur Träume, sondern schlichtweg auch "Gags", die ihm eingefallen waren, dienten. Darum sollte man auch zulassen, dass man einige Ereignisse einfach abstrus, albern, originell oder einfach nur lustig findet. Stellen, die zum Schmunzeln oder gar Lachen animieren, sind durchaus vorhanden und sollten auf keinen Fall ausgelassen werden.

Damit niemand mit diesen beiden Werken alleingelassen wird, enthält die DVD zusätzlich eine rund 100minütige Dokumentation über den Regisseur Luis Buñuel; zusätzlich enthält das Booklet jene Auszüge aus Buñuels Autobiographie "Mein letzter Seufzer", die sich mit den beiden Filmen und den jeweiligen Hintergründen beschäftigen. So kann man sich wesentliche Informationen zur Annäherung an beide Werke direkt über das zusätzliche Material einholen. Beide Dreingaben sind unheimlich hilfreich und als sehr lobenswerter Zug der DVD-Produktion anzusehen. Alleine für sich wären die Filme einfach zu schwer verdauliche Kost.
Technisch gesehen scheint das Material sich etwas gegen die Digitalisierung gesträubt zu haben, denn raschere Bewegungen erzeugen kleine, halbzeilige Nachbilder, durch die leider immer wieder bewusst wird, dass man eine DVD schaut und nicht vor einem Filmprojektor sitzt. Zudem hätte man sich mitunter einen markanter gefärbten Untertitel gewünscht, der sich vom Bild besser abhebt, da er wenn er weiße Schrift überlagern will, ein wenig schwer zu lesen ist und weil nur jeweils eine Tonspur vorliegt, ist der Untertitel für jeden, der kein Französisch versteht, sehr wichtig.
Beide Mängel sind aber nur als kleinere Makel anzusehen, die nicht wirklich nachhaltig für Beeinträchtigung der Erfahrung beider Werke sorgen können.

Wer einmal etwas wirklich anderes sehen will und offen für abstrakte, surreale Szenerien ist, sollte auf keinen Fall diese DVD an sich vorbeigehen lassen. (mp)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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