Mary und Max

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Datum: 07.01.2011 | VÖ: 02.12.2010 | Herausgeber: Ascot Elite | Kategorie: Zeichen & Trick

Schrumpfen Schafe, wenn es regnet? Schuldet der Taxifahrer einem Geld, wenn er rückwärts fährt? Kommen Würmer in den Himmel? Diese essentiellen Fragen quälen Mary schon eine ganze Weile und sie hat niemanden, dem sie diese stellen kann.

Die kleine Mary Daisy Dinkle lebt in Australien und ist ein sehr einsames Kind. Ihre Mutter ist Alkoholikerin, ihr Vater interessiert sich mehr fürs Ausstopfen von Tieren als für seine Tochter. Von ihren Schulkameraden wird sie nur gemobbt. Und so verbringt Mary ihre Zeit hauptsächlich alleine. Bis sie auf die Idee kommt, ihre vielen Fragen an jemanden zu schreiben. Per Zufall wählt sie jemanden in New York aus, weil sie wissen möchte, ob in den USA die Babys auch im Bier gefunden werden oder doch eher in Coladosen.

Ihre Wahl fällt auf Max. Er ist ein einsamer, dicker Mann mit Zwangsneurosen. Der Mittvierziger mag keine Menschen und leidet unter Panikattacken. Als er Briefe von dem kleinen einsamen Mädchen aus Australien bekommt, beginnt sich sein wohlgeordnetes Leben in seinem kleinen Kämmerchen zu ändern. Er antwortet Mary, und die beiden werden über den Austausch von Briefen und Schokolade zu Freunden fürs Leben.


Der Film wird als eine Mischung aus "Wallace & Gromit" und "Harold & Maude" beworben und dieser Vergleich ist durchaus passend. Wie bei "Harold & Maude" gibt es zwei Figuren, die trotz des Altersunterschieds eine Freundschaft eingehen. Und der Film ist Animationsfilm aus Knetfiguren ganz im Stile von "Wallace & Gromit".

Dennoch ist der Knetanimationsfilm ist ein Film für Erwachsene und nicht für Kinder. Mit einem sehr leisen und vor allem tragischkomischen Humor zeichnet er mit scharfem Auge zwei Figuren, die man als Verlierer der Gesellschaft bezeichnen könnte. Der Film ist tatsächlich sehr speziell und mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors. Aber dem Witz und der Warmherzigkeit, mit der die Figuren sich entwickeln, kann man sich schlecht entziehen.


Was den Film vor allem sehr besonders macht, ist das Gespür fürs Detail. So entwickelt sich die Geschichte zweier zutiefst trauriger Figuren, die durch eine sehr besondere Art von Freundschaft Freude am Leben finden.

Der Erzähler bleibt ins seiner Erzählweise immer optimistisch im Ton. Die warme Stimme versucht, eine freundliche und hoffnungsvolle Atmosphäre zu schaffen. Dennoch kann sie nicht umhin, auch von den Grausamkeiten des Lebens zu erzählen. Einsamkeit, Krankheit und Alkoholismus sind Thema, ebenso wie Selbsthass, Selbstmord und zu guter Letzt auch der Tod.

Insgesamt ist der Film sehr dunkel gehalten: Marys Welt in Australien ist in einem altmodischen und melancholischen Sepiaton gehalten, während Maxs Umgebung ein trauriges, deprimierendes Schwarz-Weiß ist. Generell ist die Optik ein sehr wichtiger Bestandteil der Geschichte. Schon alleine durch die Tricktechnik der Knetanimation werden die Figuren und die Kulisse mit einem erschreckenden Sinn für das Groteske und auch Hässliche zu einer skurrilen Sache. Hervorzuheben ist der Ideenreichtum, wie die Brieftexte visualisiert werden. Mit viel Witz, bei dem einem trotz aller zum Schreien komischen Details manchmal das Lachen im Halse stecken bleibt, werden die Figuren und deren Tragik greifbar.

Man kann also zu Recht behaupten, dass Adam Elliot hier etwas ganz Besonderes geschaffen hat. Schon mit seinem Kurzfilm "Harvie Krumpet" konnte er Erfolge feiern und hat sogar den Oscar dafür erhalten. Diesen Film gibt es als Bonusmaterial auf der DVD zu sehen. Mit "Mary und Max" hat er die Trickkunst der Knetfiguren zu einem Erlebnis für Erwachsene gemacht und aus der Schiene der Kinderfilme herausgeholt.

Die Aufmachung der DVD zeugt ebenfalls von der Detailverliebtheit des Filmes. Als Bonus findet man neben dem oscarprämierten Kurzfilm Elliots ein Making of, deletes scenes und alternative Szenen " leider ohne Untertitel. Außerdem findet sich noch der Trailer, eine Trailershow und Zeitraffer-Clips, in denen der Aufbau der einzelnen Kulissen gezeigt wird. Zudem sehen wir noch Eric Bana, der Marys späteren Mann im Original spricht, sowie Barry Humphries, den Erzähler im Original, bei den Aufnahmen im Studio. Das wohl putzigste Bonusmaterial ist eine Postkarte mit einer von Max‘ Weisheiten: "Kippen sind schlecht, weil sie ins Meer rausgeschwemmt werden und die Fische sie dann rauchen und nikotinabhängig werden." Diese Postkarte kann man verschicken und wer weiß: Vielleicht findet man so auch den Freund fürs Leben.

Um den Kreis nun wieder zu schließen, kann man hier auf ein Zitat zurückgreifen: Reclams Filmführer bezeichnet "Harold & Maude" als eine "Komödie voller Widerhaken" und diese Aussage trifft auch voll und ganz auf "Mary und Max" zu. Der Film zeigt zum einen die Ohnmacht von Einsamkeit und wie man als jemand, der aus der Rolle fällt, in dieser Gesellschaft zu kämpfen hat. Zum andere ist der Film ein Plädoyer für Individualität und besondere Freundschaften im Außenseitertum. (sak)

Wertung: 9 von 10 Punkten (9 von 10 Punkten)

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