Sin City 1 - Stadt ohne Gnade

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Datum: 26.10.2010 | VÖ: 01.03.2005 | Herausgeber: Cross Cult | Kategorie: Comic

Zu Beginn der Neunziger Jahre sahen sich Mainstream-Comics in einer schwierigen Situation. Das Medium selbst sah sich einem gewissermaßen gesättigtem Publikum gegenüber und auch innerhalb der Branche gab es Unstimmigkeiten, was 1992 zur Gründung des Verlags Image Comics führte, welcher dann den Schub der neuen, wilden Comics auslösen sollte.
In dieser Phase, 1991, meldete sich Frank Miller, Schöpfer des grandiosen "Der Dunkle Ritter kehrt zurück" aus dem Jahre 1986 mit einem neuen Geniestreich zurück: "Sin City", die Stadt ohne Gnade. Ein Comic, das sich nicht um die Schwere, die auf dem Mainstream lastete, scherte. Ein Comic, das dem Mainstream zeigte, was Miller in Sachen Atmosphäre kann.
In Sin City, einer US-amerikanischen Großstadt ist alles möglich, wenn Du nur in die richtige Seitengasse einbiegt und die Regeln kennst. Marv, ein Hüne von einem Mann, kennt die Regeln, kennt die Stadt und steckt bis über beide Ohren in ihren Sünden. Und er lebt davon. Normalität ist für ihn eine abstrakte Vorstellung. Sein Leben ist Isolation in der Masse. Er flößt Respekt ein, kennt aber keine festen Bindungen zu anderen Menschen und misstraut sich dadurch streckenweise selbst. Ausgerechnet dieser Gestalt läuft Goldie über den Weg und wirft sich ihm an den Hals, eine Frau wie ein Engel und ein Kerl wie eine zurückgewiesene Ausgeburt. Doch Marv hat nicht viel Zeit, sich zu wundern, wie das sein kann, denn Goldie will ihn und nimmt sich ihn.
Stunden später ist sie tot, Marv weiß nicht weshalb und hört plötzlich Sirenen näher kommen. Etwas stinkt gewaltig und Marv spielt seine ziemlich miesen Karten nach seinen eigenen Regeln aus: hart und direkt. Er macht sich daran, herauszufinden, wer seinen Engel getötet hat und schwört bittere Rache, denn in Sin City gibt es alles, aber keine Gnade.

Fernab von konventionellen Pfaden, die man aus dem breit gestreuten Feld der als leichte Unterhaltung abgetanen Comic-Schwemme der Superhelden kennen mag, liegt Millers "Sin City" und macht es so deutlich wie möglich, dass es hier nicht um den immerwährenden Kampf gegen das Verbrechen geht. Verbrecher, Gauner, Helden, Polizisten, Huren, Täter, Opfer - alles wird durcheinander gewirbelt und der Leser sieht sich einem Protagonisten gegenüber, der dem Sadismus nicht abgeneigt zu sein scheint und selbst sehr gut weiß, dass er nie vergessen sollte, seine Pillen zu nehmen.
Krass konterkariert wird das bisweilen ausufernd blutige Spektakel des Comics durch die bis ins letzte ausgereizte Konsequenz der Darstellung in Schwarz-Weiß. Es sind aber keine einfachen schwarzen Linien auf weißem Grund, es sind schwarze und weiße Elemente, extrem ins Plakative getrieben, um die Wirkung kein Bisschen schonend ausfallen zu lassen. Ruhe in den Strichen findet man nur selten. Oftmals ist alles sehr spannungsgeladen und entsprechend wirkungsvoll.
Einzig schade an der Optik ist das von Cross Cult gewählte Taschenbuchformat, denn in klassischer Comic-Größe wären die Bilder sicher noch eine Spur ansehnlicher.

"Sin City" ist in Sachen erzählerischer Tiefe kein historisches Werk, setzt aber auch bewusst auf andere Aspekte, nämlich Millers Gespür für nahezu als abgefertigt anzusehende Charaktere, die doch aus scheinbar purer Sturheit nicht tot zu kriegen sind. Erzählrhythmus und die gewisse Unvorhersehbarkeit der nächsten Geschehnisse sind die weiteren Stärken und vor allem natürlich die gediegene Verwegenheit der Stimmung des Heftes, das Glanzlose, Verlotterte und Kratzbürstige der Welt von "Sin City".
Einen Blick in die menschlichen Abgründe dieser Stadt sollte jeder wagen, der sich einen Ausflug vom Mainstream weg schon immer mal gönnen wollte. (mp)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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