Nirvana

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Datum: 18.05.2010 | VÖ: 26.02.2010 | Herausgeber: epix | Kategorie: Film

Gegen Ende der Neunziger Jahre wurde das nahende Millennium immer wieder direkt und indirekt zum Thema. Die nahende große Schwelle stellte eine Art Tür in die Zukunft dar. Dementsprechend fanden sich in der Kunst diverse Visionen einer möglichen kommenden Welt. So auch in dem 1997 erschienenen "Nirvana" von Regisseur Gabriele Salvatores: Jimi (Christopher Lambert) ist ein einsam lebender Designer von Spielen. Sein Meisterwerk heißt "Nirvana", eine virtuell nachgebildete Realität, in der der Spieler die Geschicke der Figur Solo (Diego Abatantuono) lenkt. In wenigen Tagen soll "Nirvana" für den Verkauf freigegeben werden und verspricht schon im Voraus reißenden Absatz. Doch während eines Testlaufs wendet sich Solo plötzlich gegen eine Befehl von Jimi, denn Solo hat begriffen, dass mit der ihm vertrauten Welt etwas nicht stimmt und will die Stimme in seinem Kopf, die ihn sonst immer willig folgen ließ nun endlich identifizieren. Schöpfer und Schöpfung treten in direkte Kommunikation miteinander. Solo hat reflektiert über sich selbst. Er ist sich seiner selbst bewusst - als Figur in einer Welt mit Regeln, für die es keine Erklärung gibt.
Solos Wissen darüber, dass er nur eine Schöpfung in einer begrenzten, künstlichen Welt ist, lässt ihn nur noch einen Wunsch haben: Nirvana muss gelöscht werden, denn mit der Gewissheit, eine Figur in einem Spiel zu sein, will Solo nicht weiter "leben". Er überzeugt Jimi davon, dass er ihm diesen Akt der Gnade schuldig ist und so macht sich Jimi auf in die Vorstadt, um einen Hacker namens Joystick (Sergio Rubini) zu suchen. Von ihm erhofft sich Jimi die nötige Hilfe, um die Firma, für die er Nirvana entwickelt hat, angreifen zu können, denn einfach hineinspazieren und den Stecker ziehen kann Jimi nicht. Auf ihrer Suche nach den nötigen Helfern und den richtigen Hilfsmitteln schließt sich den beiden Männern Naima (Stefania Rocca) an.
Während der Reise durch die Sphären einer technisierten und stark in arm und reich geteilten Gesellschaft verfolgt Jimi immer auch die Spur der Frau, die ihn verlassen hat: Lisa (Emmanuelle Seigner). Sie hatte Kontakt zu den Kreisen um Joystick und Naima und Jimi deckt nun Stück für Stück auf, was Lisa von ihm weg trieb.

"Nirvana" hat zwei große Vorteile, die ihn aktuell zu einem wirklich sehenswerten Film machen.
Nummer eins: er ist von 1997. Zwei Jahre vor "Matrix" hat "Nirvana" den hyperrealen Cyberspace bereits thematisiert und kann sich völlig frei von der Motivik, die die "Matrix"-Trilogie etabliert hat, bewegen. Somit sind "sthetik und Dynamik des Films eigene Kreationen und wirken nun, nach dreizehn Jahren nach wie vor atmosphärisch.
Nummer zwei: der Film ist europäisch. Logik, Präsentation und Entfaltung der Welt von "Nirvana" sind nicht auf ein Massenpublikum heruntergekocht. Der Film macht eine Welt auf, die sich nicht nach zehn Minuten fertig erklärt hat und dann nur noch als Kulisse dient. Immer wieder erfährt man ganz am Rande neue Details über die Gesellschaft und Lebensweise von Jimis Umgebung. Jimis Gegenwart ist organisch und glaubwürdig aufgebaut und glücklicherweise degradiert der Film den Zuschauer nicht zu einem Kleinkind, dem alles haargenau erklärt werden muss. Das Einfühlen und Erfahren der Welt wird gefördert.
Gewichtung und Dynamik der Handlung sind ziemlich gut auf die Dauer des Film (113min) abgestimmt, es gibt ruhige Phasen und sehr rasche Szenen. Immer wieder wird die Handlung versetzt mit einer Zwiesprache zwischen Jimi und Solo, bei der man als Zuschauer gern mal überrascht ist, was für tiefgreifende Gedanken Solo entwickelt, sodass der Zuschauer in diesen Momenten der Dialoge eher eine Bindung zu Solo als zu Jimi aufbaut, wobei doch Jimi der Protagonist des Films ist. Allerdings ist Jimi ein etwas unterkühlter Mensch, der aus einem emotionalen Zurückgezogenheit hervorschleicht, um sich auf die Suche nach Lisa zu machen. Dass er Solo wirklich erlösen will, glaubt man ihm so recht nicht.

"Nirvana" ist ein dichter, düsterer Film mit einer Welt, in die man sich einfühlen muss, um irgendetwas diesem Film abgewinnen zu können. Sollte einem das Szenario nicht liegen, dürfte man den Film als aberwitzige Spinnerei empfinden und sich nur schwer auf die verschiedenen Motive von Realität, Wahrnehmung, Leben und Erinnerung einlassen können.
Gibt man dieser Welt und der in ihr eingeschlossenen virtuellen Welt eine Chance, erlebt man einen Eintritt in eine Erzählung, die weder strahlend hell noch schwarz wie die Nacht ist - "Nirvana" ist grau und organisch und gewiss nicht perfekt, doch wirklich guter Cyberpunk, im Großen völlig glanzlos, aber im Kleinen einfach gut.

Der DVD sind leider nur der Original-Trailer und eine Trailer-Show anderer Filme des Verleihers beigefügt. (mp)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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