Der Ruf

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Datum: 14.03.2010 | VÖ: 22.08.2008 | Herausgeber: 101 Pixel | Kategorie: Film

Wenn man an das Kino der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik Deutschland denkt, dann kommen vielen gleich "Das Schwarzwaldmädel" oder Heinz-Erhardt-Filme in den Sinn. Die direkte Nachkriegszeit mit ihren Trümmerfilmen ist im kollektiven Gedächtnis nicht so sehr verankert, wie die Heimat- und Schlagerfilme im Wirtschaftswunder. Das liegt vermutlich daran, dass Schnulzen, Musikfilme und Lustspiele bis heute massentauglich sind, hintergründige und intellektuelle Stoffe, die sich kritisch mit dem Krieg und der Nachkriegszeit auseinandersetzten, dagegen nur eine bestimmte Zuschauerschicht ansprechen.

Eine dieser sogenannten Trümmerfilme ist "Der Ruf" aus dem Jahr 1948. In der Hauptrolle ist bei diesem Film die Theaterlegende Fritz Kortner zu sehen, der auch die Idee zu diesem Stoff hatte und für das Drehbuch verantwortlich war. Die Geschichte basiert auf den Erfahrungen, die Kortner selbst nach dem Krieg machte. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, emigrierte Kortner unverzüglich nach England, 1937 ging der Regisseur und Schauspieler dann nach Hollywood. Anders als viele seiner Kollegen kehrte er bereits im Jahr 1947 zurück in das zerstörte Deutschland. Dass diese Rückkehr nicht ohne Komplikationen von statten geht, erzählt Fritz Kortner in "Der Ruf".

Auch wenn man diesen Film nicht dokumentarisch sehen sollte, stecken sehr viele Wahrheiten drin und machen dem Zuschauer die Probleme, Gedanken und Zerwürfnisse der damaligen Zeit deutlich. Kortner schlüpft in die Figur des Professor Mauthner, der nach 15 Jahren Exil wieder nach Deutschland zurück kehrt, um wieder an seiner alten Universität zu arbeiten. Doch er muss feststellen, dass er keineswegs von allen gut aufgenommen wird und gerade an seiner alten Wirkungsstätte auf viel Neid und Missgunst stößt. Die Attitüde des 3. Reichs ist noch an vielen Stellen allgegenwärtig und lässt Mauthner mehr und mehr spüren, dass die alte Heimat schon lange nicht mehr sein zu Hause ist. Dies wird auch noch einmal verstärkt durch familiäre Probleme: Seine Frau hat er fünfzehn Jahre zuvor zurück gelassen, was das Wiedersehen alles andere als einfach macht. Außerdem hat er einen mittlerweile erwachsenen Sohn, von dem niemand weiß, wo er ist und der im Verlauf der Geschichte noch eine wesentliche Figur werden wird, die die Tragik von Mauthners Schicksal noch einmal deutlich macht...

Zwar wirkt der Film aus heutiger Sicht an manchen Stellen ein wenig langatmig, jedoch fängt er die Situation eines damaligen Exilanten hervorragend ein und vermittelt so dem Zuschauer ein wertvolles und äußerst authentisches Bild der damaligen Zeit, auch wenn man aus dramaturgischer Sicht manche Dinge sicher ein bisschen überspitzen und abwandeln musste. Die großartige Lina Carstens sorgt als Haushälterin von Professor Mauthner für viel Herzlichkeit und bringt auch eine gehörige Portion Humor mit in die Geschichte. Bemerkenswert ist außerdem, dass der Film nicht durchgängig in einer Sprache inszeniert wurde, sondern sowohl in Englisch als auch in Deutsch. Das unterstreicht noch einmal die realgetreue Linie und lässt den Zuschauer an dem kulturellen Zerissenheit der Protagonisten teilhaben. Die englischen Passagen wurden natürlich mit Untertitel versehen. In "Der Ruf" wirkten damals übrigens auch die jungen Schauspieler Johannes Buzalski und Hans Clarin mit. Gerade Clarins Teilnahme ist sehr interessant, da so frühe Filmauftritte des Schauspielers bislang nicht bekannt waren.

Ansonsten hat man sich bei der DVD-Veröffentlichung viel Mühe gegeben, auch wenn man sieht, dass es sich nicht um ein Massenprodukt handelt. Das Artwork ist einfach, aber sauber gestaltet und serviert dem Käufer zahlreiche Impressionen aus den Film. Die durchsichtige Hülle hat man genutzt, um auch das Innenleben des Cases zu bebildern, in dem man die Rückseite des Inlays mit einem großen Bild bedruckt hat. Als Extras gibt es auf der DVD eine Bildergalerie, eine ausführliche Trailershow und Informationen zur Produktionsfirma. Außerdem hat man die Möglichkeit zwischen einer deutschen und einer englischen Teiluntertitelung zu wählen. Leider ist es nicht möglich, beide Untertitel einblenden zu lassen, dafür hat man jedoch die Möglichkeit die Untertitel komplett auszuschalten, falls man beider Sprachen mächtig ist.

"Der Ruf" ist ein einmaliges Zeitdokument, das sich lohnt, einmal gesehen zu werden. Kortner und der zuständige Regisseur Josef von Báky haben hier hervorragende Arbeit geleistet und ein Werk für die Ewigkeit geschaffen. Die DVD-Umsetzung des 101-minütigen Filmes kann sich ebenso sehen lassen, auch wenn man noch einiges mehr aus der Sache heraus holen hätte können. Aber dafür fehlt einfach die große Käuferschicht. Aus diesem Grund kann man froh sein, dass es diesen Klassiker nun endlich auf DVD zu erwerben gibt. (sk)

Wertung: 8 von 10 Punkten (8 von 10 Punkten)

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