Kopf oder Zahl

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Datum: 14.01.2010 | VÖ: 13.11.2009 | Herausgeber: Euro Video | Kategorie: Film

Ein Kilogramm Heroin kann für viel Unruhe sorgen. Das beweist "Kopf oder Zahl" durch eine Milieustudie deutschen Großstadtlebens mit namhafter Besetzung.
Tommy (Joshua Keller) ist noch ein Kind, doch es wird schon eine Waffe auf ihn gerichtet. Die Straßenganoven Sammy und Aron (Musiker Harris und Afrob) haben mit Tommy einen lästigen Zeugen und wollen ihn loswerden. Doch einfach kaltblütig ein Kind erschießen ist Aron auch zu heftig. Eine Münze soll entscheiden. "Sammy sagt Kopf" heißt es und die Münze fliegt.
Wie Tommy in diese Situation geraten konnte, erzählt der Film, indem er 24 Stunden zurück geht und die verschiedensten Ereignisse um Tommy und die Menschen, mit denen sein Schicksal mehr oder weniger eng im Zusammenhang steht, zeigt.
Reporterin Valerie (Saskia Valencia) deckt ein geheimes Drogenversteck auf, was den korrupten Polzisten Ron (Ralf Richter) so heiß auf die Beute macht, dass er sich von seiner rücksichtlosesten Seite zeigt. Derweil hat sich Schrottplatzbesitzer Karl (Claude-Oliver Rudolph) einen neuen Laufburschen für seine Drogenschieberei angelacht: Milos (Heinz Hoenig) ist tschetschenischer Arzt, der illegal nach Deutschland gekommen ist, um Geld für seine Tochter Irina (Jana Pallaske) zu verdienen. Doch statt zu studieren, wie Milos glaubt, ist Irina in zwielichtige Kreise geraten und durch ihre Heroinsucht dem Luden Thomas (Dirk Heinrichs) ausgeliefert. Mit genau diesem Thomas hat der frisch aus dem Knast entlassene Richie (Mark Keller) noch eine Rechnung offen. Wichtiger ist ihm aber, seinen Sohn Tommy wiederzusehen. Dessen tote Mutter ist die alles überschauende Erzählerin des Films.

Nach Aussage der Macher im Bonusmaterial war die Präsentation von "Kopf oder Zahl" von vorn bis hinten als abgenutzt, schmutzig und glanzlos gedacht. Dieses Konzept wird auch konsequent verfolgt, jedoch leider viel zu zwanghaft. Kaum eine Einstellung bietet dem Zuschauer eine entspannte und überschaubare Szenerie. Immer ist irgendwas zusätzlich im Bild, das bewusst unscharf gelassen wird: Kerzen, Zapfhähne, Türen, Fenster etc. Zudem gibt es immer deutlich beengte Bildausschnitte. Immer genau auf das Gesicht, genau auf die Hände usw. Man sehnt sich eine Totale herbei, um das Gefühl einer optischen Zwangsjacke ablegen zu können. Freie Räume mit Platz zum Atmen sind nur sehr selten, denn schließlich gibt es ein Konzept zu erfüllen. Dementsprechend pendelt die visuelle Schiene des Films immer zwischen Dreck und Kälte, vorzugsweise wird beides vereint. Das strengt auf Dauer an, denn auch nachdem die Botschaft klar ist, wird nicht nachgelassen: immer wieder enge Rahmen, immer wieder Wackelkamera.
Man schießt somit schlichtweg über das Ziel hinaus. Der Wunsch nach Authentizität wird von der offensichtlichen Gemachtheit des Films als geschaffenes Werk erstickt. Zudem hat man das ungute Gefühl, dass ein Großteil der Besetzung seinen Part nur herunterspielt. Claude-Oliver Rudolph bemüht sich zu sehr, Heinz Hoenig zu wenig.

Einzelne Szenen erweisen sich dennoch durchaus als äußerst sehenswert. Leider sind die vielen Versatzstücke der unterschiedlichen Geschichten aus reinen Platzgründen merklich dünn. Somit bleiben alle Figuren statische Charaktere, die nicht mehr als ihre Rolle darstellen können, weil ihnen nicht mehr Platz gegönnt wird. Einzig bei Wahlid (Eralp Uzun) verspürt man ein wenig Tiefe.
Die Dialoge sind offensichtlich das Werk von Autoren und fühlen sich vollkommen wie aufbereitetes Material an. So wurde die Erzählerin mit der professionellen Synchronsprecherin Traudl Haas (deutsche Stimme von u.a. Annette Benning und Diane Keaton) besetzt. Wie sich dies mit den Konzepten des Großstadtschmutzes und der authentischen Härte der Realität vereinbaren lässt, bleibt jedem selbst zu ergründen.
Insgesamt ist der Film durch die vielen Fäden durchweg kurzweilig, aber so wie er sich anfühlt und optisch präsentiert artifiziell und leicht anstrengend.

Die DVD bringt einen Audiokommentar des Produzenten/Autoren/Regisseure-Teams mit sich, sowie ein Interview der Macher, einige Statements der Darsteller und ein Musikvideo aus dem Soundtrack. Von den auf der DVD-Hülle angekündigten entnommen Szenen, der Produktionsdokumentation, den TV-Berichten und dem "Making of" ließ sich auf dem Silberling nichts finden. (mp)

Wertung: 4 von 10 Punkten (4 von 10 Punkten)

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