Vergebung

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Datum: 01.06.2010 | VÖ: 03.06.2010 | Herausgeber: Yellow Bird | Kategorie: Film

Lag bei der Erzählung zwischen Teil 1 und 2 der "Millennium"-Trilogie nach den Romanen von Stieg Larsson noch eine Pause von über einem Jahr, schließt der dritte Teil der Reihe nahtlos an seinen Vorgänger an.
Mikael (Michael Nyqvist) hat die halbtote Lisbeth (Noomi Rapace) auf dem Landsitz ihres Vaters gefunden und noch rechtzeitig Hilfe rufen können. Nachdem sie wortwörtlich schon unter der Erde lag, ist die junge Frau dem Tod ein weiteres Mal von der Schippe gesprungen, so allerdings auch ihr Vater Alexander Zalachenko (Georgi Staykov). Er und Lisbeth liegen im selben Krankenhaus und erholen sich von ihrem gewaltvollen Aufeinandertreffen. Lisbeths Halbbruder Niedermann (Mikael Spreitz) ist derweil auf freiem Fuß und hat nach wie vor nur den Tod Lisbeths im Sinn.
Doch die größte Bedrohung stellt der Hüne nicht dar, denn gegen Lisbeth wird Anklage wegen versuchten Mordes an ihrem Vater erhoben. Zalachenko hingegen hat eigene Probleme: seine alten Kontakte aus den Zeiten beim Geheimdienst finden keinen Gefallen an der medialen Aufmerksamkeit, die der Fall Salander-Zalachenko erhält und wollen Zalachenkos Schweigen sicherstellen.
Dieser Nebenstrang wird schnell abgehandelt, sodass einzig die Frage nach Lisbeths möglicher Verurteilung im Raum steht. Dadurch, dass die junge Frau sich erst einmal von ihren schweren Verletzungen erholen muss, haben Lisbeth, Mikael und dessen Schwester Annika (Annika Hallin), welche sich bereit erklärt Lisbeths vor Gericht als Verteidigerin zu vertreten, ein Zeitpolster, um sich auf die Verhandlung vorzubereiten. Die Bedingungen sind denkbar schlecht: Lisbeth gilt als gefährlich, seit sie ihren Vater in Brand gesetzt hat und wurde von ihrem behandelnden Psychiater Peter Teleborian (Anders Ahlbom Rosendahl) entmündigt. Dieser hält auch jetzt noch an seiner Diagnose fest, dass Lisbeth paranoid schizophren ist und nicht auf die Gesellschaft losgelassen gehört.
Dass der Zuschauer schnell den Verdacht hegt, mit Teleborian sei etwas faul, stellt sich als gerechtfertigt raus, als sich erste Indizien dafür finden, dass Teleborian im Zusammenhang mit Zalachenos Geheimdienstkollegen steht. Die streng geheime Gruppe namens "Sektion" gibt sich nicht mit dem Schweigen Zalachenkos zufrieden, sondern will auch den Faktor Salander aus der Welt schaffen. Hierfür werden alle Register gezogen, die eine Geheimorganisation kennt: Manipilationen, Diebstahl von Unterlagen, Drohungen.
Während seine Schwester die Gerichtsverhandlung vorbereitet, arbeitet Mikael an der nächsten Enthüllungsstory seiner Zeitschrift "Millennium". Die gesamte Verschwörung um Lisbeth soll aufgedeckt werden: ihre ungerechtfertigte Entmündigung als 12jährige, sowie die vielen Manöver, um sie als unglaubwürdig uns psychisch krank erscheinen zu lassen, damit ihr Vater Zalachenko nie zur Rechenschaft gezogen werden musste.
Mikaels Bestreben, die Wahrheit zu erzählen, lässt ihn die enger werdenden Kreise, die die "Sektion" um die Redakteure zieht, ignorieren, was zu Spannungen in der Redaktion führt. Er selbst fühlt sich sicher, seit er insgeheim mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeitet, doch seine Kollegen genießen keinen Sonderstatus.

War "Verdammnis" noch deutlich ärmer an vermittelten Hintergundinformationen bzw. gehaltvollen Nebensträngen, bemüht sich "Vergebung" wieder inhaltlich voller zu sein. Zwar ist Lisbeths Verhandlung der Kern des Films, doch Mikaels Arbeit bei der Informationssuche und die verschleierten Aktionen der "Sektion" geben der Geschichte etwas Fülle. Leider fühlen sich die Nebenstränge etwas unnötig aufgeblasen an, da es um Verfassungsschutz und geheime Organisationen in den Reihen der schwedischen Regierung geht und Mikael zwischen diesen Figuren ohne mit der Wimper zu zucken umher spaziert. Dafür, dass es das Beiwerk des Films ist, wird es einerseits etwas zu hochtrabend präsentiert, während dann die Auflösung etwas zu formal aufgelöst wird.

Im Grunde sind die Positionen klar dargestellt, man weiß, wer die "Guten" sind und wer die "Bösen", doch leider wird es mitunter bei diesem Salat aus Verschwörungen und Jagden aufeinander schwer, genau zu wissen, wonach Mikael in einem bestimmten Moment gerade forscht. Bei seiner Sucharbeit bedient er sich leider eines Mittels, das er bereits in "Verdammnis" angewendet hat: er droht mit der Veröffentlichung des Namens eines Mitwissers, bis dieser Mikael einen Berg an Informationen ausspuckt. In beiden Filmen passiert dieses auch noch in Form eines gemeinsamen Spazierganges.
Als die Verhandlung um Lisbeth beginnt, verwandelt sich der Film in einen nahezu lupenreinen Justiz-Thriller, der sich voll auf den Hergang der Verhandlung fokussiert. Das ist zwar eine interessante Entwicklung, doch das nochmalige Auswalzen des Bekannten hätte man straffen können.
Nach seiner Justiz-Thriller-Phase springt der Film ins Action-Genre, denn ein kleiner Handlungsfaden muss der Form halber noch zum Ende geführt werden: Niedermann gibt es ja auch noch und deshalb wird er noch schnell vor Ende des Film abgefertigt. Er ist einer der vielen Charaktere, die leider wenig Aufmerksamkeit bekommen und dadurch eines schleichenden Verfalls in Sachen Tiefe ausgesetzt sind. Ebenso geht es Mikael, der leider wie schon in "Verdammnis" nur auf den im ersten Teil gesetzten Grundlagen agiert und seine Rolle als Journalist spielt. Lisbeth schafft es ein wenig besser nicht so stark wie die anderen Figuren abzubauen, da einiges aus ihrer Vorgeschichte erzählt wird. Einzig Mikaels Schwester Annika und Lisbeths Arzt werden als Figuren zumindest mit ein wenig mehr Profil dargestellt. Der Rest bleibt leider relativ plakativ.
Einmal mehr wird die Handlung vorrangig behandelt. Diese ist wahrlich nicht schlecht, doch leider kann sie keinen Kitzel erzeugen, wie noch "Verblendung", denn es gibt schon früh die Gewissheit, dass es nur zwei Ausgänge geben kann: Freispruch oder Verurteilung und parallel hierzu noch Leben oder Tod. Enthüllungen sind so nahezu nicht möglich, da der Zuschauer über alle Parteien Bescheid weiß.

Hat man an der Figur Lisbeth Salander Gefallen, kann der Film gut unterhalten, weil man ihre Genesung und das Miterleben der Verhandlung verfolgen kann und ihre Eigenarten durch den Kontext der anderen Figuren nochmal besser zur Geltung kommen. Ansonsten ist "Vergebung" ein solider Recherche-Thriller, später ein netter Justizfilm und mittendrin und kurz vorm Schluss actionlastig, allerdings nicht mehr so gewalttätig wie die letzten Passagen von "Verdammnis".
Rundum wird die "Millennium"-Trilogie mit einem ganz sehenswerten dritten Teil abgeschlossen, doch der spürbare Abschwung in Sachen Dichte und Atmosphäre in "Verdammnis" kann auch "Vergebung" nicht wieder auffangen, macht jedoch einiges besser als sein Vorgänger und schließt mit einigen Strängen auch halbwegs befriedigend ab. (mp)

Wertung: 7 von 10 Punkten (7 von 10 Punkten)

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