Kann Fernsehen IQ-Punkte kosten?

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Datum: 13.06.2012 | Kategorie: Fernseh-Experimente

Diese Frage stelle ich mir wirklich, nachdem ich mich mit einem kleinen Selbstversuch begonnen habe: Da ich der Meinung bin, dass man nicht über Dinge lästern sollte, die man gar nicht kennt, habe ich all meinen Mut zusammen genommen und bin in TV-Gefilde gereist, die eigentlich weiße Flecken auf meiner persönlichen Fernseh-Landkarte sind: Das Vor- und Nachmittagsprogramm der Privatsender, und zwar jener aus der zweiten Reihe. Den Anfang machte ich mit "VOX", da ich dachte, ich gönne mir selbst einen leichten Einstieg. Immerhin zeigte der Sender ja auch mit "The X Factor" eine Casting-Show, deren Niveau über dem des bekannteren RTL-Pendants "DSDS" lag - was zugegebenermaßen nicht allzu schwierig ist.

Doch ich hatte mir den Weg durch diese mir so fremde Fernsehlandschaft deutlich einfacher vorgestellt, als er war. Gut, ich gebe zu, die erste Etappe war noch recht annehmbar - sie führte ab 09:45 Uhr durch die Makler-Sendung "Mieten, kaufen, wohnen". Letztendlich ist das Ganze wenig spektakulär: Die Kamera begleitet Makler und Kunden in diverse Häuser und Wohnungen, und hin und wieder taucht auch einmal ein Prominenter auf. Alles in in allem ist es mäßig unterhaltsames Format, von dem man sich nebenbei berieseln lassen kann - um dann, wenn man schon fast friedlich weggedämmert ist, von der "Shopping Queen" aus dem Schlaf gerissen zu werden, einer Sendung, in der Frauen unterschiedlicher Altersklassen mit Geld zum Einkaufen geschickt werden, immer zu einem bestimmten Motto. Die Konkurrenz und ein Designer bewerten das Outfit und geben bissige Kommentare ab, die eine Stimme aus dem Off zu überbieten versucht, wenn es um Gemeinheit geht und zu unterbieten, wenn man das Niveau als Messlatte nimmt.

Besonders seltsam wird es danach bei "Verklag mich doch!", denn hier wurde versucht, den typischen hanebüchenen Geschichten sogenannter "Scripted Reality"-Formate einen ernsten Anstrich zu geben. Und so sieht der Zuschauer, wie frei erfundene Personen ein Drehbuch entlang stolpern, das selbst ein Seifenoper-Regisseur als unglaubwürdig und übertrieben abgelehnt hätte, erhält aber immer furchtbar ernste Kommentare von Anwälten, die vor allem damit beschäftigt sind, ganz besonders seriös auszusehen. Irgendwie ist das schon lustig, denn man fragt sich permanent, ob die Macher wirklich glauben, irgend ein Zuschauer würde ihnen diesen unsinnigen Mischmasch abkaufen - wenn dem so wäre, möchte ich lieber nicht wissen, was für ein Bild sich die Verantwortlichen von ihrem Publikum machen.

Als dann eine weitere Ausgabe von "Shopping Queen" ihren Anfang nahm, musste ich mein kleines Fernsehexperiment leider abbrechen. Mit einem beherzten "Ich bin ein intelligenter Mensch - Hol mich hier raus" griff ich nach der Fernbedienung und schaltete ab. Noch eine Minute länger und mein IQ hätte ernstlich Schaden genommen, davon bin ich überzeugt. (ck)