Wenn Talentsuche zur Farce wird

Zurück zur Übersichts-Seite

Datum: 29.03.2012 | Kategorie: Unendliche Weiten der Medienwelt

Gesang, Gaukelei, Schauspiel. Künste, die seit hunderten von Jahren fest in die Unterhaltungskultur der Menschheit gehören. Dabei hat sich der Geschmack des Publikums natürlich im Laufe der Zeit gewandelt. Und gipfelt im 21. Jahrtausend in einer Perversion, die ich unter einem Oberbegriff zusammenfassen kann: Castingshows.

Da werden Träume gebacken, am Fließband. Ruhm, Reichtum und Erfolg werden den Kandidaten unter die Nase gerieben wie würziger Harzer. Worum es tatsächlich geht merkt das vermeintliche Sangeswunder erst, wenn die Spots angehen, die große Bühne vor ihnen im Scheinwerferlicht glänzt, und die Publikumsmassen im Saal selbstgebastelte Anfeuerungsschilder in die Hohe reißen, gröhlend und blökend als ginge es um das Endspiel der Fußballnationalmannschaft.

Es geht schon lange nicht mehr um Talente. Ging es jemals um Talente? Es geht um Profit. Um Meinungs- und Stimmungsmache. Es geht um Manipulation der Kandidaten und des Publikums. Kurzum: der Rubel muss rollen, the Show must go on, und die Quoten müssen passen. Wenn dabei am Ende des Tages eine stimmliche Null die Staffel gewinnt, gepusht von halb-tauben, halb-geblendeten Zuschaueranrufern, dann nimmt das der Produzent seufzend in Kauf. Wär nicht das erste One-Hit-Wonder, dessen piepsige Stimme am Mischpult auf Chartniveau aufpoliert wird.

Der Kandidat, zuvor noch voller Hoffnung und den Kopf voll mit hochgesteckten Plänen, ist nur Kanonenfutter. Im besten Fall endet er im Dschungel, optimalerweise beim selben Sender, um da in einem anderen Format nach ähnlichen Gesichtspunkten wie bereits zuvor, verheizt zu werden. Wenige schaffen es tatsächlich im Musikbuissiness; um dann desillusioniert feststellen zu müssen, dass der Himmel über den großen Bühnen dieser Welt gar nicht voller Geigen hängt.

Und jetzt sollen auch Kinder ran. Die merken kaum, dass man sie verschleißt. Bei denen wächst Seele ja noch nach. Kein Problem. Und solange Poptitanen und Runway-Coaches diese kleinen Menschen unter ihrer Fittiche haben, kann ja auch nichts schief gehen. Arme, schöne, neue Unterhaltungskultur, die wir da ertragen müssen. (np)