RTL vs. Videospieler �" ein Bericht mit Folgen

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Datum: 25.08.2011 | Kategorie: Unendliche Weiten der Medienwelt

Seien wir ehrlich: Wer hohe journalistische Qualität sucht, schaltet in den seltensten Fällen RTL ein, und dass der Kölner Privatsender sich nicht davor scheut, Menschen vor der Kamera bloßzustellen, dürfte inzwischen so gut wie jedem Zuschauer bekannt sein. Meist sind die Opfer jedoch eher Personen, die sich entweder bei einem der zahlreichen Formate des Senders beworben oder früher einmal daran teilgenommen haben, nicht selten als eine Art Qualifikationsrunde für das "Dschungelcamp". Auch Prominente der Klassen C-Z müssen gelegentlich mit wenig charmanten Berichten seitens des Senders rechnen. All diese Leute haben aber eines miteinander gemein: Sie haben sich mehr oder minder bewusst ins Rampenlicht begeben. Darüber, inwiefern sich die Teilnehmer der Folgen ihres Handelns im Vorfeld immer klar sind, ließe sich trefflich streiten, und immer wieder gibt das Verhalten des Senders Anlass zur Kritik.

Nun hat sich RTL aber gleich mit einer recht großen Gruppe angelegt, den Videospielern. "Explosiv" ist nicht nur der Name des Magazins, in dem der fragwürdige Beitrag lief, sondern auch eine recht zutreffende Beschreibung für die Stimmung, die er bei dem einen oder anderen Gamer ausgelöst hat. Geärgert haben sich jedenfalls nicht gerade wenige darüber, wie die eigene Szene in einem RTL-Bericht über die "Gamescom" dargestellt wurde. Letztendlich wurden sämtliche Klischees über Videospieler bedient. Hätte RTL das ganze mit feinsinniger Ironie gestaltet, hätte das Ganze vielleicht etwas weniger Wellen geschlagen, aber " nun ja, wir reden hier von dem Sender, der mit dem "Dschungelcamp" einmal jährlich gescheiterten Ex-Promis die Möglichkeit bietet, sich noch einmal vor den Augen von Millionen Zuschauern ordentlich zu blamieren, in Kontakt mit Insekten und anderen unangenehmen Tieren zu treten und die Robustheit ihres Magens ausgiebig auszutesten.

Ich möchte ganz sicher nicht bestreiten, dass es in der Szene den einen oder anderen Freak gibt " aber wo gibt es die nicht? Und was bitte ist schlimm daran, wenn sich die Spieler zu einer besonderen Veranstaltung wie die "Gamescom" ein bisschen verkleiden? Früher hat RTL doch sogar den Kölner Karneval übertragen, und das Grundprinzip ist das gleiche, auch wenn es sich um zwei ganz und gar verschiedene Welten handelt. Eines haben jedoch beide miteinander gemein: Es gibt einen Anlass, zu dem sich Leute etwas anders anziehen als gewöhnlich. Aber RTL machte sich in dem umstrittenen Beitrag nicht nur über diese auffälligen Besucher der "Gamescom" lustig, sondern scheute sich auch nicht davor, die Videospieler als schüchterne, hauptsächlich im Schlabberlook gekleidete Freaks mit einem Mangel an sozialen Kontakten und einem eher zwiespältigen Verhältnis zur Körperhygiene darzustellen, um es einmal freundlich zu formulieren. Dass sich die Riege der Spielefans gegen diese plakative Darstellung wehrt, ist nur allzu verständlich. Es gibt Facebook-Seiten zu dem Thema, einen Aufruf zum Boykott und zahlreiche Beschwerden an den Sender " so viele, dass die entsprechende Seite vorübergehend zusammen brach.

Aufmerksame Zuschauer dürften ohnehin bemerkt haben, dass sich RTL recht schwer damit tat, passende Beispiele für die dargestellten Klischees zu finden. Fraglos wurde der eine oder andere gefilmt, der von nur mäßig toleranten Zeitgenossen schnell den Stempel "Freak" aufgedrückt bekäme. Als Beispiel für das ungepflegte Aussehen des stereotypen Videospielers wählte RTL aber ausgerechnet einen jungen Mann mit alternativem Outfit und gepflegtem Bart, der obendrein noch von sich aus erwähnte, dass er seinen Lebensstil natürlich im Zuge von Bewerbungen ein wenig ändern müsse " eine durchaus vernünftige Aussage, die so gar nicht zum Bild des sozial isolierten, nur auf Computerspiele fixierten Freaks passen wollte. Letztendlich ist dem jungen Mann damit etwas gelungen, das vielen gar nicht aufgefallen ist: Im Prinzip hat er die Macher auflaufen lassen, denn er passt einfach nicht in den Rahmen, in den man ihn zu pressen versucht.

Die Community der Videospieler ist jedenfalls auf den Beinen und setzt sich gegen die Fehldarstellung seitens des Senders zur Wehr " und das mit gutem Recht. Es wurde höchste Zeit, dass jemand RTL zeigt, dass auch ein Privatsender, der für Formate mit eher zweifelhaften Niveau bekannt ist, nicht alles machen kann, ohne auch einmal ein deutliches Echo zu bekommen " und zwar nicht nur von Einzelpersonen, sondern von einer großen Gruppe, die damit zugleich die weit verbreitete Ansicht widerlegt, Gamer würden nur in ihrer Spielewelt leben " dann hätten sie von dem fragwürdigen Bericht nämlich gar nichts mitbekommen. RTL hat sich inzwischen übrigens sogar entschuldigt " immerhin. Wer sich den Beitrag selbst anschauen möchte, findet das Video und eine von vielen Reaktionen darauf in unserem Forum. (ck)