Sprachliche Defizite

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Datum: 22.04.2011 | Kategorie: Mein Partner, der Fernseher

Ich habe es noch gar nicht geschrieben, aber ich habe bereits seit mehreren Wochen einen neuen Fernseher, nachdem mein alter das Zeitliche gesegnet hat. Anfangs wurden wir gar nicht warm miteinander, dabei sind doch die ersten Monate einer neuen Beziehung angeblich die schönsten. Aber mein Neuer ist eben so schrecklich flach, an seinen Mangel an Tiefe musste ich mich erst gewöhnen. Außerdem hat er die Angewohnheit, das Bild immer ein wenig zu weit unten darzustellen, sodass ich es erst über die Fernbedienung verschieben muss " wohl ein Versuch, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Das aber nur nebenbei, damit sich niemand wundert, wie ich mich ohne Empfangsgerät über das Fernsehen beschweren kann. Mein gutaussehender neuer TV-Partner durfte gestern das erste Mal Bekanntschaft mit meiner aufbrausenden Seite machen. Eigentlich sollte ich das gar nicht erzählen, denn ich muss dazu ein gut gehütetes Geheimnis lüften: Ich schaue manchmal Trash-TV. Ich weiß, dass das überhaupt nicht zu meinem intellektuellen Image passt, für dessen Pflege ich alles Mögliche tue " aber unter uns, selbst das intelligenteste Gehirn braucht einmal eine Pause, und die kann man ihm mit Schrott-Fernsehen ganz wunderbar gönnen. Ganz abschalten lässt sich die olle Denkmaschine allerdings nicht. Sonst hätte ich mich bei "Germany's Next Topmodel" nicht so ärgern müssen. Neben vielen Eigenarten und Schwächen, die zum festen Sendekonzept gehören, wies die letzte Ausgabe nämlich auch einen eklatanten sprachlichen Mangel auf. Ich meine damit nicht die "ußerungen der Teilnehmerinnen, auch wenn es bei der einen oder anderen jungen Dame sicherlich noch Verbesserungsmöglichkeiten im verbalen Ausdruck gibt. Aber die Mädchen möchten schließlich Models werden und keine Literaten, da bin ich gerne bereit, ein Auge zuzudrücken.

Bei den Juroren sieht es hingegen anders aus. Mir ist durchaus bewusst, dass die drei nicht unbedingt als Vorbild geeignet sind. Trotzdem " unzählige Mädchen im Teenie-Alter schauen sich "Germany's Next Topmodel" an. Da ist es geradezu fatal, wenn in der Jury jemand sitzt, der munter einen der verbreitetsten und zugleich nervigsten Grammatikfehler der deutschen Sprache begeht. Für diejenigen, die diesbezüglich ein ähnlich sensibles Ohr haben wie ich und ebenfalls ein Faible für Gehirnentspannung durch Trash-TV aufweisen: Ja, ich meine Thomas Raths konsequentes Ignorieren des Wörtchens "als". Für diejenigen, die sich die Sendung nicht angesehen haben " was ich übrigens für eine kluge Entscheidung halte, denn die Schrottfernseh-Sucht kann fatale Folgen haben " erläutere ich kurz, worum es geht: Jeweils zwei Mädchen mussten vor Thomas Rath antanzen und erklären, warum er sie und nicht die Konkurrentin mit zu einem Casting nehmen sollte. Dabei forderte er die Kontrahentinnen mehrfach auf, zu erklären, warum sie besser seien "wie" die andere. Das tat richtig in den Ohren weh, und mein Fernseher war merklich irritiert, als ich mit grimmigen Blick und entnervter Stimme "als" in Richtung Bildschirm rief. Kaum hatte ich mich halbwegs von den Qualen erholt, fragte er die inzwischen ausgeschiedene Kandidaten Paulina, ob sie glaube, sie sei besser "wie" Sarah. In meinem Kopf, der ein Faible für Horrorszenarien hat, sehe ich schon eine große, schwarz umrandete Traueranzeige für das wunderschöne Wort "als" und muss fast ein wenig weinen.
Wenn ich etwas zu melden hätte, müsste jedenfalls jeder, der einen halbwegs verantwortungsvollen Posten im Fernsehen inne hat, zuerst einen Sprachtest absolvieren, und wenn er den Unterschied zwischen "als" und "wie" nicht kennt, gäbe es bei mir nur eine Karriere hinter der Kamera. Allerdings ist dieser Fehler ja nur ein Symptom, die eigentliche Krankheit liegt in der Verrohung der Sprache, auch in den Medien. Die Diskriminierung des Wortes "als" an sich ist ja schließlich kein Drama, bei mir aber wohl der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Daher meine Bitte an alle Fernsehschaffenden: Gebt euch ein bisschen Mühe, wenn ihr vor die Kamera tretet, vor allem wenn ihr Sendungen macht, die hauptsächlich von Schülern gesehen werden. Die könnten sich nämlich ein Beispiel an euch nehmen. (ck)