Propaganda statt Aufklärung

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Datum: 26.08.2010 | Kategorie: Generation Flachbild

Dass sich das digitale Fernsehen in Deutschland nur schleppend durchsetzt, ist seit Jahren traurige Realität. Dieser Rückstand könnte nun für die Zuschauer, die auf digitalen Empfang umsteigen möchten, fatale Folgen haben. In der Zwischenzeit haben sich in Deutschland und leider auch in anderen Ländern im Umfeld des digitalen Fernsehens viele zuschauerfeindliche Technologien entwickelt. Seit Kurzem gibt es die Tendenz, dass Aufklärungskampagnen zum Umstieg auf das digitale Fernsehen gestartet werden. Doch hier muss man sehr gut aufpassen, ob es sich wirklich um Aufklärung im Sinne der Zuschauer oder nicht doch um Propaganda für restriktive Technologien handelt, die für den Zuschauer gravierende Nachteile haben. Denn in der Regel werden diese Kampagnen nicht von unabhängigen Initiativen, sondern von der Industrie selbst lanciert.

Demnächst findet in Berlin wieder einmal die Internationale Funkausstellung statt. Seit vielen Jahrzehnten dient diese Ausstellung dazu, den Verbraucher über die neuesten Entwicklungen der Unterhaltungselektronik-Industrie zu informieren. Doch wer dieses Jahr auf die IFA geht, darf nicht davon ausgehen, dass die dort dargebotenen Informationen nur zum Wohle des Verbrauchers gedacht sind. So werden Deutschlands größter Kabelnetzbetreiber Kabel Deutschland und die japanische Unterhaltungselektronikmarke Panasonic die IFA als Plattform benutzen, um damit die zuschauerfeindliche CI+-Schnittstelle zu bewerben. Getarnt ist die ganze Aktion als Aufklärungskampagne für digitalen Umstieg unter dem Motto "Einfach Digital". Dem ahnungslosen und uninformierten Verbraucher soll auf diese Art suggeriert werden, dass die CI+-Schnittstelle, die den Programmanbietern massive Einschränkungen für die Zuschauer, z. B. Aufnahme- und Kopiersperren oder das Lahmlegen einzelner Anschlüsse oder gar des ganzen Gerätes ermöglicht, ein unverzichtbarer Bestandteil des digitalen Fernsehens sei. Dass digitales Fernsehen auch vollkommen unverschlüsselt ausgestrahlt werden kann und eigentlich auch beliebige verlustfreie Aufzeichnungen und Kopien ermöglichen kann, das soll der Zuschauer natürlich nicht erfahren. Er soll eingeimpft bekommen, digitales Fernsehen bedeutet automatisch Verschlüsselung mit Extrakosten und Einschränkungen und anders ginge es nicht.

Ein technisch nicht so gut informierter Fernsehzuschauer, der aber Interesse am Umstieg auf das digitale Fernsehen hat, läuft ständig Gefahr, in die Falle zu tappen und sich verbraucherunfreundliche Technik ins Haus zu holen. In einschlägigen Internetforen hört man immer wieder Klagen darüber, dass man über restriktive Technologien wie CI+ und HD+ nicht aufgeklärt wird. Anscheinend handelt es sich dabei oftmals um systematische Desinformation, bei der die Ahnungslosigkeit der Zuschauer schamlos ausgenutzt wird. So muss man höllisch aufpassen, wenn man sich ein neues Fernsehgerät oder einen Receiver mit CI-Schnittstelle kauft, denn häufig ist die CI-Schnittstelle in Wirklichkeit eine CI+-Schnittstelle, worauf aber nicht aufmerksam gemacht wird. Der harmlose Verbraucher soll die Katze im Sack kaufen. Und man soll nicht erwarten, dass das Personal in einem Fachgeschäft die Zuschauer über die Nachteile dieser Technologien aufklärt. Häufig hört man, dass auch das Personal, insbesondere in Märkten großer Elektronikketten, dazu indoktriniert wird, dem Käufer Geräte, die HD+ oder CI+ unterstützen, aufzuschwatzen. Oder kürzlich habe ich erst in einem Internetforum gelesen, dass einer Familie, die an HDTV interessiert war, allerdings nur an den unverschlüsselten öffentlich-rechtlichen Programmen, an der Hotline des Kabelanbieters gesagt wurde, dass sie hierfür einen zertifizierten HD-Receiver oder einen Fernseher mit CI+-Schnittstelle benötigen würde. Das ist in solch einem Fall einfach eine glatte Lüge. Die HDTV-Programme von ARD und ZDF sind nämlich mit jedem beliebigen HDTV-Fernseher mit integriertem DVB-C-Tuner oder mit jedem HDTV-Kabelreceiver zu empfangen, da sie nicht verschlüsselt sind. Als die Familie das erfahren hat, war es bereits zu spät, das kastrierte Gerät stand bereits im Wohnzimmer.

Wem kann man überhaupt noch vertrauen, wenn man sich neue Geräte zulegen will, um in den Genuss des digitalen Fernsehens zu kommen, und dafür korrekt beraten werden möchte? Zu oft kommt es vor, dass diejenigen, die einen eigentlich beraten sollen, nicht im Sinne des Verbrauchers, sondern im Sinne der Industrie handeln. Vielleicht kann man vielen von ihnen nicht einmal einen Vorwurf machen, sie wissen es womöglich selber nicht besser. Der Zuschauer ist am ehesten noch gut beraten, wenn er in einem Internetforum um Rat fragt, in dem sich viele technikinteressierte Nutzer aufhalten. Hier sei besonders das Forum von DIGITAL FERNSEHEN hervorzuheben. Hier werden vor allem die Nachteile von Grundverschlüsselung, HD+, CI+ und anderen unnötigen Gängelungen leidenschaftlich diskutiert und auch Anfänger werden vor den damit verbundenen Nachteilen und möglichen Auswüchsen gewarnt. Von dem Mediendienst DIGITAL FERNSEHEN kann man das leider nicht unbedingt behaupten. Die auf der Website erscheinenden Artikel erwecken leider häufig den Eindruck, als sei dieser Dienst ein Sprachrohr der Industrie. Verbraucherfeindliche Technologien werden vielfach verharmlost oder verschwiegen. Im angeschlossenen Forum werden die entsprechenden Artikel von den verärgerten Nutzern regelmäßig zerrissen. Die Diskrepanz zwischen dem Anbieter und dem eigentlichen Publikum ist bei DIGITAL FERNSEHSEN offensichtlich. Ganz anders verhält sich hingegen der Mediendienst SAT + KABEL, hier werden die zuschauerunfreundlichen Technologien offen beim Namen genannt und kritisiert. So gut wie immer, wenn von der Grundverschlüsselung, von HD+ oder CI+ die Rede ist, wird das Adjektiv "verbraucherunfreundlich" oder gar "verbraucherfeindlich" vorangestellt. Hier hat man wirklich noch den Eindruck, dass man den Zuschauer informieren und nicht indoktrinieren möchte. Wenn solche zuschauerfeindlichen Technologien geknackt oder umgangen werden können, berichtet das Magazin ebenfalls darüber, nicht ohne eine unterschwellige Schadenfreude.

Der aufgeklärte und technisch interessierte Zuschauer merkt in der Regel schnell, was Sache ist, ob er objektiv informiert oder zum Narren gehalten werden soll. Für technisch unversierte Zuschauer gilt jedoch, stets die Augen offenzuhalten, lieber einmal zu viel als einmal zu wenig kritisch nachzufragen und sich nicht alles andrehen zu lassen. (jh)