Das letzte Drittel

Zurück zur Übersichts-Seite

Datum: 22.03.2010 | Kategorie: Das Fernsehen und ich

Das Fernsehen ist in Deutschland nun schon seit 75 Jahren auf Sendung, wenn auch mit einer mehrjährigen Unterbrechung. Ich wurde 1980 geboren und meine Fernseherinnerungen reichen bis etwa 1983 zurück. Also habe ich immerhin ungefähr das letzte Drittel in der Entwicklung des deutschen Fernsehens mitbekommen. Aber in diesem letzten Drittel hat sich sehr vieles getan, sowohl technisch als auch inhaltlich. So konnten wir damals, als ich ein kleines Kind war, nur fünf Sender empfangen, die auch nicht den ganzen Tag auf Sendung waren. Heute schaue ich gar kein analoges Fernsehen mehr, ich kann eine Vielzahl von digitalen Sendern empfangen und auch HDTV hat in mein Wohnzimmer bereits Einzug gehalten. Es ist schon erstaunlich, was sich im letzten Vierteljahrhundert getan hat, wenn man es mit dem Vierteljahrhundert davor vergleicht, wo außer der Einführung des Farbfernsehens kein bedeutender Quantensprung im deutschen Fernsehen stattgefunden hat.

Als ich noch klein war, hatte unser Fernseher noch nicht einmal eine Fernbedienung. Bei meiner Großmutter stand sogar in der 1980ern noch ein Schwarzweiß-Fernseher im Wohnzimmer, was es damals noch häufig gab. An Videorecorder wurde noch gar nicht gedacht, es hätte ja auch nicht viel zum Aufnehmen gegeben. Wir hatten, wie bereits erwähnt, nur fünf Programme. Aber immerhin, wo es doch landläufig hieß, es gäbe nur dreiProgramme. Bei meiner Urgroßmutter, die in der gleichen Straße lebte, gab es in der Tat nur drei Programme. Und es war ja auch nicht den ganzen Tag Programm. Schaltete man den Fernseher zur Mittagszeit an, war auf allen fünf Programmen das Testbild zu sehen, nur die Kennung und die Hintergrundbeschallung war unterschiedlich. Aber das war auch gut so, denn im Ersten Programm (HR-Regionalprogramm) und in Hessen 3 wurde ein Radioprogramm zum Testbild ausgestrahlt. Deshalb war der Fernseher meistens auch dann eingeschaltet, wenn noch gar kein Programm war, es lief dann das Testbild mit Radio. Natürlich hätte man genauso gut gleich das Radio einschalten können, so hätte man eigentlich viel Strom sparen können. Aber es war eben so, auch in den 1980ern war die Kiste den ganzen Tag an, wie selbstverständlich. Nach dem das Vormittagsprogramm von ARD und ZDF zu Ende war, ließ man den Fernseher einfach in der Mittagspause weiterlaufen. Als wir dann circa 1987 Kabelfernsehen bekamen und nun auch Privatsender verfügbar waren, war auch das Programmangebot nicht mehr ganz so eingeschränkt. Später habe ich mich dann auch nicht mehr mit den gebrauchten Fernsehgeräten in unserem Wohnzimmer zufrieden gegeben und forderte eine neuere technische Ausstattung ein. Für den Video- und Audio-Bereich war ich dann schließlich der Sachverständige in unserem Haushalt.

Als ich ein Kind war, lief das Fernsehen immer, ja ich habe eigentlich kaum etwas anderes gemacht als ferngesehen, wenn ich zuhause war, es war für mich die einzig wahre Freizeitbeschäftigung. Das Fernsehen wurde auch nie in Frage gestellt, in meiner Familie war das Fernsehen etwas völlig normales, was zum Alltag gehörte und was weder schlecht noch gut war. So selbstverständlich ist das nicht, denn es gibt auch heute noch genug Menschen, die meinen, das Fernsehen wäre schlecht für Kinder. Nun gut, das Fernsehen der 1980er kann man nicht mit dem Fernsehen von heute vergleichen. Ich möchte auf jeden Fall behaupten, dass das Fernsehen der 1980er keine Gefahr für Kinder darstellte. Mir hat es nicht geschadet, ich habe die ganze Kindheit und Jugend durch viel Fernsehen geschaut und heute bin ich Akademiker, es kann also so gefährlich nicht gewesen sein. Im Gegenteil, laut Auskunft meiner Familie habe ich sogar durch das Fernsehen Lesen und Schreiben gelernt. In meinen frühen Fernseherinnerungen habe ich schon die Programmtafeln gelesen.

Da das Fernsehen in meinem Leben stets zum Alltag gehörte, verbinde ich eigentlich nicht wirklich etwas besonderes damit. Als besonderes Erlebnis habe ich höchstens noch den Tag in Erinnerung, als wir an das Kabelfernsehen angeschlossen wurden. Das war wirklich eine Überraschung, denn mit so etwas konnte ich damals als Kind natürlich nicht rechnen. Was angekündigte Neuerungen im Fernsehbereich betrifft, von denen ich wusste und die mich auch interessiert hätten, so habe ich danach eher Enttäuschungen erlebt. Wurde beispielsweise in den 1990ern ein neuer Sender angekündigt, so war dieser nach dem Start in unserem Kabelnetz noch nicht verfügbar, während einige meiner Schulkameraden, in deren Haushalt über Satellit geschaut wurde, diesen Sender bereits von Anfang an sehen konnten. Es war schon in den 1990ern der Fall, dass man über Satellit Sender empfangen konnte, die im Kabel nicht eingespeist wurden, zumindest nicht in unserem Ort. Die Zuschauer, die damals Fernsehen über Satellit schauen, habe ich damals schon beneidet und heute beneide ich sie noch mehr. Die Schere zwischen Kabelanschluss und Satellitenempfang klafft in Deutschland stets noch auseinander und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Sehr spannend habe ich es früher immer gefunden, wenn ich mal die Möglichkeit hatte, Sender zu sehen, die ich zuhause nicht empfangen konnte. Das gilt insbesondere für Fernsehen aus dem Ausland. Etwa wenn ich bei meiner Großmutter im Rheinland früher das niederländische Fernsehen verrauscht sehen konnte, dann war das schon ein kleines Erlebnis. Natürlich auch, wenn ich im Ausland war und dort die einhemischen Sender auf dem Hotelfernseher sehen konnte. Fernsehen aus aller Welt interessiert mich heute noch, ja sogar noch mehr als damals. Immer, wenn ich die Möglichkeit dazu habe, Sender aus aller Welt zu sehen, z. B. über Satellit (leider nicht bei mir zuhause), macht es mir großen Spaß, durch die Kanäle zu zappen. Aber auch das Internet bietet heutzutage Möglichkeiten, in Sender aus allen möglichen Ländern hereinschauen zu können.

Heutzutage ist das Fernsehen für mich immer noch von großer Bedeutung, sonst wäre ich ja wohl kaum Redakteur bei TV-Kult. Natürlich schaue ich lange nicht mehr so viel Fernsehen wie als Jugendlicher, dafür habe ich nicht die Zeit und ich habe selbstverständlich besseres und sinnvolleres zu tun. Trotzdem ist das Fernsehen ein treuer Begleiter durch den Alltag und die Kiste läuft bei mir jeden Abend nach getaner Arbeit. Das Fernsehen dient für mich sowohl zur Unterhaltung als auch zur Information. Pflichtprogramme sind für mich auf jeden Fall Nachrichten, die Tagesschau wird möglichst nie versäumt. Darüber hinaus spielen Comedy und Dokumentationen eine große Rolle bei meinem Fernsehkonsum, aber ich bin offen für vieles. Seit je her haben viele Menschen über das Fernsehprogramm gemeckert und heute ist es nicht anders. Auf den ersten Blick scheint ein gewisser medialer Kulturpessimismus im Angesicht einer Inflation von Castingshows und Dokusoaps und noch schlimmeren Auswüchsen wie Call-In nicht ganz unbegründet. Doch das Programmangebot ist in Wirklichkeit viel größer. Ich würde mich auf jeden Fall hüten, das Fernsehen von heute pauschal zu verurteilen. Im Gegenteil, ich bin der Meinung, das Fernsehen ist heute in Deutschland insgesamt betrachtet besser als je zuvor. Natürlich füllt heute eine Menge Unrat die Kanäle, doch es gibt genug Alternativen dazu. Heute kann ich zu jeder Tages- und Nachtzeit das Fernsehen einschalten und werde immer irgendwo etwas finden, was ich mir anschauen kann. Eine derartig große Auswahl wie heutzutage gab es zuvor nicht, man muss entweder nur lange genug suchen oder gezielt nach geeigneten Programmen Ausschau halten. Auch technische Innovationen wie das digitale Fernsehen und vor allem das hochauflösende Fernsehen möchte ich nicht mehr missen. Ich habe stets immer das Gute im Fernsehen gesehen (diese Aussage soll ruhig in ihrer Zweideutigkeit aufgefasst werden). Ob das Testbild und die Programmtafeln der 1980er oder das HDTV von heute, TV ist Kult! (jh)