Kabelsalat mit Analog-Käse

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Datum: 15.08.2009 | Kategorie: Generation Flachbild

Die Nipkow-Scheibe und die Braunsche Röhre sind deutsche Erfindungen, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Fernsehens geleistet haben. Somit ist Deutschland eines der Pionierländer der Fernsehtechnik, aber ist das heute immer noch so? Leider nicht, das Gegenteil ist der Fall, denn was den technischen Fortschritt des Fernsehens betrifft, so hinkt Deutschland momentan eher hinterher. Vor allem das digitale Fernsehen hat hierzulande zur Zeit noch einen schweren Stand, wobei das Problem handgemacht ist und der Fortschritt auf diesem Gebiet teilweise gezielt behindert wird.

Das Antennenfernsehen ist in Deutschland zwar praktisch schon vollständig digitalisiert, allerdings ist der Anteil der Zuschauer, die ihre Fernsehprogramme ausschließlich über Antenne empfangen, ziemlich gering. Über Satellit werden in Europa heutzutage fast ausschließlich digitale Fernsehprogramme ausgestrahlt, jedoch Deutschland gehört zu den unrühmlichen Ausnahmen. Auf den Astra-Satelliten auf der Position 19,2° Ost werden immer noch massenhaft deutsche Sender im analogen Standard ausgestrahlt, die unnötig viel Bandbreite blockieren. Kein anderes Land in Europa setzt heute noch derart auf analoge Satellitenverbreitung, das ist schon peinlich. Es gibt zwar noch viele Sat-Zuschauer, die ausschließlich analog empfangen, aber sie sind inzwischen schon in der Minderheit.

Im Gegensatz zum Satellitenempfang bilden die Digitalzuschauer beim Kabelanschluss leider noch die Minderheit. Da aber die Mehrheit der Zuschauer in Deutschland ihre Programme auf diesem Verbreitungsweg erhalten, ist dieser ganz entscheidend für den technischen Fortschritt des Fernsehens hierzulande. Warum die Digitalisierung im Kabel so schleppend vorangeht und warum sie leider auch gezielt torpediert wird, hat verschiedene Gründe. Das digitale Kabelfernsehen hatte in Deutschland bereits einen schweren Start und fast ein ganzes Jahrzehnt herrschte weitgehend Stillstand. Während über Satellit bereits jahrelang Privatsender digital ausgestrahlt wurden, gab es bei den großen kommerziellen Kabelanbietern lange Zeit nur die öffentlich-rechtlichen Sender und die Premiere-Kanäle im digitalen Standard. Dadurch wurde zumindest bei Kabelkunden Digital-TV häufig automatisch mit Pay-TV assoziiert. Konnten die Sat-Zuschauer bereits Spielfilme auf den großen, freien Privatsendern dank Dolby-Digital-Klang in Heimkino-Atmosphäre genießen, mussten sich die Kabelzuschauer jahrelang den gleichen Film im schnöden Stereo-Ton und mit analogem Bild anschauen, weil der Sender einfach digital nicht vorhanden war. Erst vor einigen Jahren wurden dann die Privatsender bei den wichtigsten Kabelnetzbetreibern digital eingespeist, viele Jahre zu spät. Doch die Sache hatte einen gewaltigen Haken. Große Kabelunternehmen wie Kabel Deutschland und Unitymedia speisen ganz gewöhnliche, werbefinanzierte Privatsender nur verschlüsselt ein, obwohl sie über Satellit analog und digital, über DVB-T und auch über das analoge Kabel unverschlüsselt zu empfangen sind. Diese sogenannte Grundverschlüsselung ist derzeit überhaupt das größte "rgernis im digitalen Kabel. Es gibt zum Glück Ausnahmen wie etwa den Anbieter Kabel Baden-Württemberg, der Free-TV-Sender ganz selbstverständlich auch unverschlüsselt einspeist, so wie sich das gehört. Jedoch die künstliche und vor allem unnötige und unsinnige Verschlüsselung eigentlich unverschlüsselter Sender hat beträchtliche Nachteile für die Zuschauer. So wird der eigentliche Vorteil des Kabelfernsehens gegenüber dem Satellitenempfang als Empfangsweg, nämlich beliebig viele Geräte an einem Anschluss betreiben zu können, zunichte gemacht. Möchte man an mehreren Fernsehern digitales Kabel schauen, braucht man auch mehrere Smartcards und muss für jede auch noch monatliche Gebühren bezahlen, ganz offensichtliche Geldmacherei.

Als ob diese Grundverschlüsselung oder besser gesagt Grundlosverschlüsselung im digitalen Kabel schon nicht schlimm genug wäre, so bekommen die Zuschauer auch noch sogenannte zertifizierte Receiver, die im schlimmsten Fall " Zwangsreceiver" sein können, angedreht. Einerseits könnte man ja sagen, für technisch unbedarfte Zuschauer wäre ein zertifizierter Receiver mit automatischer Programmliste ein netter Service. Aber was ist mit den Zuschauern, die technisch etwas anspruchsvoller sind? Zum Glück ist es zur Zeit noch so, dass man bei den großen Kabelbetreibern die Smartcard in jedem x-beliebigen Receiver mit CI-Schacht betreiben kann, wenn man das passende CI-Modul dafür hat. Aber der technisch unbedarfte Otto-Normal-Zuschauer kennt diese Möglichkeit in der Regel nicht und glaubt daher, man könne das digitale Kabelfernsehen nur mit dem vom Anbieter gestellten Receiver, der auch nicht gerade ein Qualitätsprodukt sein muss, schauen. Und beim Betreiben eines " freien" Receivers besteht auch immer das Risiko, dass irgendwann die Verschlüsselung gewechselt und die Smartcards ausgetauscht werden und dann die Lösung mit dem freien Receiver und dem CI-Modul nicht mehr funktioniert. Wenn schon diese ärgerliche Verschlüsselung sein muss, kann man dem Zuschauer nicht wenigstens die freie Wahl lassen, welchen Receiver er benutzen darf? Muss man den Zuschauer derartig bevormunden? Offiziell wird die Zertifizierung mit Jugendschutzmaßnahmen gerechtfertigt, als ob es nicht Aufgabe der Erziehungsberechtigten wäre, ihre Kinder von jugendgefährdenden Inhalten fernzuhalten.

Digitales Kabelfernsehen könnte genauso einfach sein wie analoges Fernsehen, wenn die Verschlüsselung nicht wäre. Viele Menschen haben eine Scheu davor, externe Receiver zu benutzen. Das analoge Fernsehen war recht einfach, Gerät an die Antenne anschließen, einschalten und anschauen, denn der analoge Tuner ist ja im Gerät eingebaut. Aber auch für das digitale Kabel bräuchte man keinen zusätzlichen Receiver und keine zusätzliche Fernbedienung, denn es gibt auch Fernsehgertäte, wo der Digitaltuner bereits eingebaut ist, auch wenn diese in der Regel recht teuer sind. Man könnte damit genauso problemlos fernsehen wie bisher, wenn viele Kabelgesellschaft dem Zuschauer das Leben nicht unnötig schwer machen würden. Erkundigt man sich beim Kabelanbieter nach dieser Möglichkeit, wird einem garantiert mitgeteilt, dass diese einfache Art des digitalen Empfangs offiziell nicht unterstützt wird. Natürlich klappt es oftmals trotzdem, wenn der Fernseher mit integriertem DVB-C-Tuner einen CI-Schacht hat, aber das funktioniert auch nicht immer problemlos.

Von HDTV im Kabel wollen wir gar nicht erst anfangen, es ist ein reines Trauerspiel, wie sich in diesem Punkt die wichtigsten Kabelnetzbetreiber verhalten. Dank ihrer Nachlässigkeit und ihrem Desinteresse, die Zuschauer am technischen Fortschritt teilhaben zu lassen, wird es noch ein Weilchen dauern, bis sich HDTV in Deutschland durchsetzen kann. Betrachtet man sich das Verhalten der großen Kabelbetreiber in den letzten Jahren, so bekommt man den Eindruck, dass die Digitalisierung für die Zuschauer unnötig erschwert wird, wahrscheinlich um sie als kostenpflichtige Zusatzleistung vermarkten zu können. "ußerungen aus Reihen der wichtigsten Kabelnetzbetreiber, auch noch jahrelang analoges Fernsehen anbieten zu wollen, lassen nichts gutes ahnen. Am technischen Fortschritt hat man in diesen Reihen offensichtlich kein Interesse. Fortschritt bedeutet nicht, den Kunden zu bevormunden, ihn für dumm zu verkaufen und sich an ihm zu bereichern, ohne eine adäquate Gegenleistung zu bringen. Natürlich ist es das gute Recht der Kabelnetzbetreiber, als Unternehmen in der freien Wirtschaft Gewinn machen zu wollen. Aber gerade Kabelnetzbetreiber scheinen ihren Gewinn auf besonders schäbige Weise erwirtschaften zu wollen. Schließlich sind die wenigsten Kabelzuschauer freiwillig Kunden der Kabelunternehmen, man ist in der meisten Fällen Kabelzuschauer, weil der Kabelanschluss Bestandteil der Miete ist. Welche Unternehmen können schon von sich behaupten, eine enorme Masse an Zwangskunden zu haben, an denen man verdienen kann ohne ihnen dafür eine besondere Leistung bieten zu müssen? Früher gehörten die Kabelnetze der Deutschen Bundespost, aber damals war auch längst nicht alles perfekt. Aber ob es heute auch die Grundverschlüsselung und ähnlichen Quatsch geben würde, wenn das Kabelfernsehen heute noch staatlich und nicht kommerziell wäre?

Für mich ist ganz klar, dass viele große Kabelnetzbetreiber durch ihr zuschauerfeindliches Verhalten den technischen Fortschritt des Fernsehens in Deutschland massiv aufhalten. Aber es wäre zu einfach, den Kabelunternehmen die Alleinschuld an der schleppenden Digitalisierung zu geben. So gibt es bei dem bereits erwähnten Betreiber Kabel Baden-Württemberg ja keine Verschlüsselung der freien Sender. Zuschauer, die kein Pay-TV wollen, hätten dort die völlige Freiheit, jeden Receiver oder jeden Fernseher mit eingebautem Receiver zu benutzen und davon auch noch mehrere im Haushalt. Aber nur wenige tun dies tatsächlich. Das Desinteresse oder vielleicht auch die Unwissenheit ist unter den Zuschauern offenbar groß, nach dem Motto, was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Dass die Digitalisierung beim Satellitenempfang wesentlich weiter fortgeschritten ist, mag auch daran liegen, dass man für diesen Empfangsweg immer schon einen Receiver benötigt hat, hier gab es also eine schleichende Digitalisierung. Nun werden Forderungen nach einer Abschaltung der analogen Satellitensignale laut. Aber ich fordere, auch im Kabel in naher Zukunft die analogen Signale abzuschalten, da gerade im Kabel, wo die Bandbreite sehr begrenzt ist, viel wertvolle Bandbreite durch analoge Kanäle belegt wird. Damit aus HDTV noch was werden kann, sollte man Platz schaffen. Außerdem soll der Digitalempfang auch im Kabel zum Normalfall werden und keine kostenpflichtige Zusatzleistung bleiben. Aber hier muss ganz klar eine gesetzliche Vorgabe her, denn freiwillig werden die Kabelnetzbetreiber ganz bestimmt nicht die analogen Signale abschalten. Der Willkür der Kabelunternehmen sollte man von ganz oben Einhalt gebieten. (jh)