Video 2000 im Jahr 2010

Fragt man heute Freunde oder Bekannte, ob sie etwas mit dem Begriff Video 2000 anfangen können, stößt man meistens auf taube Ohren. Entweder weiß derjenige nicht, was es damit auf sich hat oder er kommentiert die Frage mit einer abfälligen Bemerkung, dass es sich dabei um ein Videosystem handelt, dass es gab, bevor sich das bis heute weit verbreitete "Video Home System", kurz VHS, durchsetzen konnte. Leute mit etwas mehr Hintergrundwissen zu finden, ist dagegen schwer. Dabei sind die Video-2000-Geräte, soweit sie noch funktionieren, eine spannende Sache. Entwickelt wurden sie in den späten 70er Jahren von den Firmen Grundig und Philips, um das 1971 eingeführte VCR-System abzulösen.

Erstmals vorgestellt wurde das Video-2000-System bei der Internationalen Funkausstellung in Berlin im Jahr 1979 und sorgte für großes Aufsehen. Das lag vor allem daran, weil Grundig und Philips mit den Video-2000-Geräten technische Neuerungen entwickelten, die ihrer Zeit weit voraus waren. So konnte man mit einem Video 2000 auf einer einzigen Kassette bei einer normalen Aufnahme acht Stunden aufzeichnen, später dann bei der Einführung des Longplay-Modus sogar sechzehn Stunden. Das lag daran, dass die Kassetten für das Video-2000-System, ähnlich wie bei Musikkassetten, beidseitig bespielbar waren. Man konnte sie, was heute kaum vorstellbar ist, einfach umdrehen, sodass es möglich war, auf der zweiten Seite das Programm oder die Aufnahme direkt fortzusetzen, ohne spulen zu müssen. Hinzu kommen zahlreiche weitere technische Vorteile gegenüber dem damaligen Konkurrenzformat VHS, das von der Firma Matsushiata (JVC/Panasonic) bereits 1976 auf den Markt gebracht wurde. Das wäre beispielsweise die gerne zitierte Bildqualität, die damals besser war als bei den VHS-Kassetten. Außerdem konnte man versehentliche Bespielungen durch verstellbare Aufnahmesperren, die an jeder Kassette angebracht waren, verhindern. Die Technik war bereits zu Beginn so gut ausgefeilt, dass beim Suchlauf keine Störungen im Bild aufgetreten waren. Eine weitere Funktion, die es bei den VHS-Geräten bis heute nicht gibt, war, dass das Video-2000-Gerät immer erkannt hatte, an welcher Stelle sich das Band der Kassette gerade befand, sodass immer der korrekte Bandtimecode angezeigt werden konnte. Bei VHS-Kassetten, die nicht zurückgespult waren und die man neu in einen Recorder eingelegt hat, war es immer so, dass der Timecode jedes mal aufs Neue bei "00:00" anfangen musste. Wenn man dann das Band zurück spulte, ging der Timecode ins Minus über.


Grundig und Philips hatten ohne Frage ein hervorragendes Produkt präsentiert, jedoch wurden einige marktwirtschaftliche Dinge nicht beachtet, was dafür gesorgt hat, dass man sich im Formatkrieg gegen das VHS-System nicht durchsetzen konnte, was bereits 1986 die Folge hatte, dass das Videosystem 2000 wieder vom Markt genommen werden musste. Das lag unter anderem daran, dass das Video-2000-System so hochwertig war, dass der Preis für die Geräte im Vergleich zur Konkurrenz entsprechend teuer ausfiel. Das Preis-Leistungs-Verhältnis beider Systeme war unterm Strich zwar sehr ähnlich, weil das Videosystem 2000 teurer war, dafür aber mehr zu bieten hatte, jedoch war die breite Masse alles andere als anspruchsvoll und griff lieber bei den billigeren Geräten der Konkurrenzfirmen zu. Ein weiteres Problem war, dass sich das Video 2000 lediglich im europäischen Markt vorläufig konstituieren konnte, während sich die VHS-Kassetten bereits in den späten 70er Jahren in Asien etabliert hatten, um anschließend direkt den amerikanischen Markt zu erobern. Ein weiterer, nicht unwichtiger Aspekt war, dass der Philips-Konzern keine pornografischen Kauf-Videos auf dem Video-2000-System zuließ, was eine große Kundenschicht abschreckte. Außerdem war es für die Videotheken ein großes Problem, weil ein enormer Aufwand nötig war, um zusätzlich zu den VHS-Kassetten auch noch Video-2000-Kassetten anzubieten, für die es leider nur eine deutlich kleinere Kundenschicht gab.

Max Grundig, der Gründer des Grundig-Konzerns, erzählte in der [urlintern=http://www.tv-kult.com/kritiken/697-das-beste-aus-heut-abend-vol-1.html]ARD-Talkshow "Heut' abend" mit Joachim Fuchsberger[/urlintern] im Mai 1984, dass ihm während der Entwicklungsphase schon aufgefallen ist, dass das Gerät zu teuer wird. Der damalige Entwickler soll daraufhin gesagt haben: "Wenn Sie Recht haben, dann kann ich eine Pistole nehmen und mich erschießen!". Max Grundig hatte recht, was dazu führte, dass die beiden europäischen Elektro-Riesen Mitte der 80er Jahre auf den Zug des VHS-Systems aufspringen mussten. Als der Grundig-Urvater zu Gast bei Joachim Fuchsberger war, wusste man, dass das Ende des Traditionsunternehmens bereits eingeleitet war: bereits im Frühjahr 1984 übernahm Philips die Leitung des Konzerns. Max Grundig verzichtete auf die Unternehmensführung und überließ Philips sein Lebenswerk, was bis 1998 in dieser Konstellation Bestand hatte. Heute ist Grundig teilweise wieder ein eigenständiger Betrieb in Bayreuth, der sich auf die Produktion von Diktiergeräten konzentriert. Des Weiteren wird Unterhaltungselektronik, die unter dem Namen Grundig läuft, in der Zwischenzeit von der türkischen Firma Beko Elektronik produziert. Abgesehen vom Namen und bestimmter Produktionszweige haben diese Firmen mit der ursprünglichen Firma Grundig nicht mehr viel gemeinsam. Max Grundig sagte in der eben erwähnten Talkshow zwar, dass die Entwicklung des Videosystem 2000 kein Fehler war, weil man dadurch viel gelernt hat und unzählige Patente anmelden konnte, die weltweit einen großen Fortschritt mit sich zogen, doch im Grunde war diese weltweite Niederlage des Video 2000 der Genickbruch für das fränkische Traditionsunternehmen.


Doch wie ging es mit dem Video 2000 weiter? Nachdem die Produktion im Jahr 1986 eingestellt wurde, wanderten die Haushalte nach und nach zum weit verbreiteten VHS-System über. Bis in die späten 90er Jahre hinein waren die vorhandenen Geräte jedoch noch aktiv und wurden – meist als Zweitgerät – weiterhin verwendet. Heute werden diese Relikte des frühen Videomarktes immer seltener und sind nur noch für Liebhaber und Sammler interessant, sowie für Leute, die ihre alten Video 2000 Aufnahmen davor bewahren möchten, verloren zu gehen. Das wird in der heutigen Zeit immer schwieriger, denn ein weiterer Faktor, der dafür sorgte, dass sich das Video 2000 nicht gegen das VHS-System durchsetzen konnte, war, dass die Geräte zu übereilt produziert wurden und deswegen gerade die frühen Recorder mit vielen Fehlern behaftet waren, aus diesem Grund ist auch die Lebensdauer nicht sehr hoch gewesen. Die Zahl der funktionierenden Video-2000-Recorder wird also immer kleiner, schließlich sind sie allesamt mittlerweile mindestens 25 Jahre alt.


Ich für meinen Teil bin mit dem Video 2000 groß geworden und habe schon fast einen emotionalen Bezug dazu aufgebaut, schließlich war es dieses Gerät, das es mir ermöglichte, zu jeder Tageszeit meine Lieblingsserien und Lieblingsfilme gucken zu können. Wenn ich die leichte Abnutzung der Bänder, die seit den 90er Jahren auf den Bildschirmen sichtbar wird, und das typische Geräusch mancher Video-2000-Recorder höre und sehe, dann überkommt mich ein ähnlich nostalgisches Gefühl wie es bei Schallplattenliebhabern der Fall ist, die das Knistern von ihren Platten vernehmen. Lange Zeit war das Video 2000 für mich eine Selbstverständlichkeit und erst nach und nach musste ich feststellen, dass das, was beispielsweise mein Onkel besitzt, eine ganz andere Art von Videorecorder ist. Schon als Kind wurden mir die zahlreichen Vorteile des Video 2000 bewusst und schon früh schätzte ich diese – mittlerweile – altehrwürdige Maschine.


Nachdem auch mein Vater sich ein VHS-Gerät zulegte wurde das alte Video 2000 (Grundig 2x4) auch bei uns als Zweitgerät benutzt. Bis ins neue Jahrtausend hinein griff ich immer wieder auf das alte Gerät zurück, um mir die alten Aufnahmen anzuschauen. Im Herbst 2002 ging der Recorder dann nach über 20 Jahren kaputt. Nachdem ich niemanden finden konnte, der mir den Grundig 2x4 repariert, ersteigerte ich mir bei eBay einen anderen gebrauchten Video 2000, diesmal einen Siemens Videorecord FM 328. In dieser Zeit fing ich auch an, die ersten Aufnahmen zu sichern, in dem ich sie auf VHS überspielte. Dies war auch bitter nötig, denn im Jahr 2004 fing auch dieses Gerät langsam an, nicht mehr richtig zu funktionieren. Aus verschiedenen Gründen habe ich dann ab 2005 und 2006 das Video 2000 nicht mehr benutzt. Kurze Zeit später zog ich dann um und das Video 2000 blieb vorerst bei meinen Eltern stehen. Als ich dann im Jahr 2009 bei Besuchen das Gerät wieder gesehen habe, dachte ich mir schon, dass es eigentlich an der Zeit ist, sämtliche Kassetten, die ich in den Jahren zuvor zum Teil noch nachträglich erworben habe, zu digitalisieren, da auch dieser Recorder sicher nicht mehr ewig funktionieren wird.


Im Januar 2010 fasste ich mir dann ein Herz und habe den Video 2000 nach München geschafft, wo ich seit 2006 lebe. Um mein Projekt "Digitalisieren" auch gut umsetzen zu können, habe ich mich mit einen neuen, längst überfälligen Fernseher und einen DVD-Recorder ausgerüstet. Doch leider musste ich feststellen, dass der Video 2000 nicht mehr funktioniert. Er läuft zwar, aber auf dem Display werden nur noch komische Zeichen angezeigt. Zumindest die Kassette, die noch im Schacht war, hat er noch ausgespuckt. Ich war also gezwungen, ein weiteres Mal nach einer Alternative zu suchen, die ich über eBay in Form eines PHILIPS VR2414 VCC Video 2000 (Aristona) erworben habe. Ich bin mit meiner gesamten Ausstattung bisher sehr zufrieden, da die Bedienung aller Geräte sehr einfach ist und es viel Spaß macht, die alten Aufnahmen in DVD-Form zu sichern. Was bleibt, ist jedoch der Respekt vor dem alten Video 2000 und die damit verbundene Angst, dass es ebenfalls bald den Geist aufgeben wird. Wenn es soweit kommt, so gehe ich davon aus, dass ich das Thema Video 2000 dann endgültig zu den Akten legen und es als Relikt einer mittlerweile längst vergangenen Zeit abhaken werde. Eine große Renaissance wird es wohl niemals geben, da die Technik einfach zu alt ist und so wird das Video 2000 nur noch Nostalgikern und Technikinteressierten in Erinnerung bleiben.


Ich für meinen Teil werde durch die digitalen Kopien des Video 2000 das Gerät in einer gewissen Weise auf ewig in Erinnerung behalten. Das Schöne ist, dass ich ab und zu Bänder entdecke, die noch heute eine hervorragende Bildqualität aufweisen, wobei jedoch die meisten Bänder durch die viele Benutzung und das hohe Alter eine eher schlechte bis sehr schlechte Qualität haben. Der leicht dumpfe Ton und das Bild, das meist einen kleinen Schleier vor sich zu haben scheint, sorgen jedoch dafür, dass das Flair der alten Video-2000-Aufnahmen dank der digitalen Kopien in diesem kleinen Rahmen bestehen bleibt.

Bei der Sicherung der alten Bänder ist mir noch ein weiterer Unterschied zu den VHS-Geräten aufgefallen, der mich dazu verleitet, ihn als kleine Abschlussmetapher zu verwenden. Die Bänder sind meist an die drei Minuten länger als angegeben. Dafür brechen sie, anders als bei VHS-Kassetten, nicht einfach abrupt ab, sondern fangen in den letzten 1-2 Minuten langsam das Flimmern an, das immer stärker wird, bis das Band dann endgültig zu Ende ist. Dieses Flimmern kann man schon fast mit der Zeit gleichsetzen, die mit dem Jahr begonnen hat, das dieses Videosystem seinen Namen gegeben hat. Die Qualität der Bänder lässt nach und die funktionierenden Geräte werden immer weniger. Bis die letzten Geräte endgültig ihren Geist aufgeben, werden mit Sicherheit so manche Jahre ins Land ziehen, bevor bei mir das Flimmern immer stärker wird, versuche ich nun, zumindest die alten Aufnahmen zu retten. Die Kassetten werde ich zum Großteil entsorgen, nur einige wenige werden noch einen Ehrenplatz im Regal bekommen, um daran zu Erinnern, dass es einmal ein Videosystem gab, dass seinen Konkurrenten weitaus überlegen war und das unter Umständen für einen anderen Verlauf in der Welt der Unterhaltungselektronik gesorgt hätte, wenn... ja, wenn die damaligen Umstände nicht für das vorzeitige Aus des Videosystem 2000 gesorgt hätten.


Autor: Sebastian Kuboth

Kommentare

  • Das stimmt. Auch ich weiß nicht, was das ist. Es liegt vor allem daran, wenn etwas in den 70ern hergestellt wird und dann 30 Jahre in der Zukunft spielt. Bei Video 2000 hätte ich wie bei der "John Sinclair Edition 2000" an ein System gedacht, das 2000 entwickelt worden wäre. Da es aus deen 70ern stammt, kann ich auch jetzt nicht wirklich was mit anfangen.


    Das einzige abweichende Gerät, das ich kannte, war ein Fernseher mit eingebauter VHS Buchse, so dass es keinen zusätzlichen VHS Rekorder gebraucht hat.