Räuber Kneissl

Freiheitskämpfer aber auch ganz einfache Verbrecher oder Räuber werden gerne zu Helden stilisiert. Mythen und romantische Geschichten, die zusammen mit den Taten um die Personen herum entstehen, sind ein Grund dafür. Das, was den Reiz und die Faszination an diesen Personen besonders ausmacht ist die Tatsache, dass es sich bei den Betroffenen um Rebellen handelt, die sich gegen die Obrigkeit auflehnen. Der Grund dafür ist Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Während man als Paradebeispiel den sauberen Robin Hood nennen kann, gibt es gerade hierzulande mit dem Schinderhannes etwas rauere Kollegen. Aber auch er war, ähnlich wie der Freiheitskämpfer Andreas Hofer, in gewisser Weise ein Opfer von Fremdherrschaft und die darauf folgenden chaotischen Auswüchse. An Beispielen wie die des Friedrich Wilhelm Voigt, der als "Der Hauptmann von Köpenick" in die Geschichte einging, kann man am besten erkennen, was einen Menschen unter den damals normalen Umständen in den Abgrund treiben kann. Voigt lebte in der selben Zeit wie die Person, um der es in dieser Besprechung geht, nämlich den Räuber Kneißl. Während er in Bayern schon fast den Status eines Volkshelden inne hat, kennt man ihn bundesweit kaum. Gelebt hat Mathias Kneißl, so sein richtiger Name, von 1875 bis 1902. In jener Zeit war die Ordnung und das damit verbundene Preußentum allgegenwärtig. Aber auch die Intoleranz und Ablehnung gegen alles, was anders war. Heuchelei war an der Tagesordnung. Man war ausschließlich das, was man auf dem Papier war und welchen Eindruck man nach außen hin vermittelte. Und genau da werden Parallelen zwischen den Schicksalen von Voigt und Kneißl erkennbar. Beide lebten in der selben Zeit, beide waren im Gefängnis, beide wollten ein ehrliches Leben beginnen, doch in beiden Fällen ließ das die Umgebung nicht zu, was dafür gesorgt hat, dass sie wieder kriminell wurden...


Die Geschichte des "Räuber Kneißl" wurde mittlerweile mehrfach verfilmt und auch schon in unzähligen Theaterstücken aufgeführt. Dabei muss man Reinhard Hauffs Verfilmung von 1970 mit Hans Brenner in der Hauptrolle und weiteren großartigen Schauspielern wie Gustl Bayrhammer, Ruth Drexel und Eva Mattes besonders hervor heben. Dieser Film ist in der Form seiner Inszenierung und Einmaligkeit nicht zu übertreffen. Trotzdem haben sich die Produzenten des Oscar-Films "Das Leben der anderen" dazu entschlossen, zusammen mit dem bayrischen Regisseur Marcus H. Rosenmüller den Stoff neu zu verfilmen. Der Fokus sollte bei diesem Film auf die biographisch möglichst korrekte Erzählung von Kneißls Leben gerichtet sein. Aus diesem Grund beginnt der Film auch in der Jugend des Räuber Kneißls. Es wird gezeigt, unter welchen sozialen Umständen er aufgewachsen ist und das schon seine Eltern kriminelle Tätigkeiten verübten. Nach einem Kirchenraub wird auf der Flucht sein Vater von der Polizei erschlagen. Seine Mutter muss ins Gefängnis und es dauert nicht lange, bis Mathias zusammen mit seinen Bruder für lange Zeit auch dort hin muss. Nach nur wenigen Jahren stirbt sein Bruder an Schwindsucht. Als Mathias endlich frei kommt, plant er, ein ehrliches Leben zu beginnen und anschließend mit seiner Cousine und Geliebten Mathilde Danner nach Amerika auszuwandern. Für dieses Ziel möchte er auch hart arbeiten. Doch anfängliche Erfolge werden sehr schnell wieder zunichte gemacht. Durch Intrigen verliert er seine Arbeit und bekommt auch keine Chance mehr, wo anders eine Anstellung zu finden. Aus der Verzweiflung heraus, möchte Kneißl durch einen Diebstahl das Geld zusammen bringen, um sein Ziel Amerika verwirklichen zu können. Da jedoch sein Komplize bei der Polizei gegen ihn ausgesagt hat, wird er zum gesuchten Verbrecher.


In die Hauptrolle schlüpfte bei diesem Film der Schauspieler Maximilian Brückner, der schon im Münchner Volkstheater die Rolle des Mathias Kneißl auf der Bühne verkörpert hat und dadurch die nötige Vorbereitung für dieses Projekt mitbrachte. Brückner mimt den Räuber dabei sehr inbrünstig, aber doch liebenswert und vor allem aber lebensfroh. Diese Darstellung verdeutlicht den Zuschauer die Fehler, die Kneißl durch seine aufbrausende Art machte, zeigt aber auch, dass er im Grunde auch nur ein Opfer seiner Zeit und seiner Umstände war. Brückner spielt seine Rolle sehr authentisch und mitreißend, wobei man bei der Darstellung darauf verzichtet hat, das Leben des Räubers zu sehr romantisch und platt zu inszenieren. Stattdessen wurden die Probleme und die Armut der damaligen Zeit sehr gut deutlich gemacht. Für das Gemüt gibt es, neben zahlreichen witzigen Szenen, mit der Liebesgeschichte zu seiner Cousine und seinen Wunsch ein ehrliches Leben in Amerika beginnen zu wollen, reichlich Material. Gerade das tragische Ende sorgt für eine ruhige und gefühlvolle Stimmung. Am Ende bleibt das Gefühl, einen guten Film gesehen zu haben, mehr aber auch nicht. Man hat den Eindruck, dass man nicht sämtliches Potential des Stoffes ausgeschöpft hat. "Räuber Kneißl" ist mitreißend und spannend, doch Rosenmüller hat seine Prioritäten mehr auf die Sehnsucht, die Lebenslust, die damit verbundene Romanze und die Inszenierung eines bayrischen Westerns in einer realgetreuen Umgebung gesetzt, als auf den sozialkritischen Aspekt. So bleibt Kneißl ein Film, der mehr ans Herz geht, als dass er zum Nachdenken anregt.


Die Münchner Firma Euro Video hat den Film jetzt auf DVD veröffentlicht. Die Hülle wird in einem Pappschuber angeboten, der sich jedoch als überflüssig heraus stellt, denn die Karton-Hülle ist genau so bedruckt wie die normale DVD-Hülle. Hier hätte man wunderbar die Chance gehabt, durch unterschiedliche Gestaltung für Individualität und mehr Informationsgehalt zu sorgen. Wenn man das DVD-Case aus dem Schuber nimmt, bekommt man genau das Selbe Bild zu sehen, das man gerade auf dem Pappschuber gesehen hat. Das Artwork kann dafür ohne Einschränkung überzeugen und stimmt angenehm auf den Film ein. Als einzige Informationsquelle, die den Käufer über den Hauptfilm informiert, dient lediglich die Rückseite der DVD-Hülle bzw. des Karton-Schubers mit dem dazugehörigen Text. Auf ein Beiheft hat man leider komplett verzichtet. Die große Stärke dieser DVD ist die Hörfilm-Fassung für blinde bzw. sehbehinderte Menschen. Als Bonusmaterial gibt es außerdem eine Trailer-Show, ein "Making Of..." und ein alternatives Ende. Was ich schmerzlich vermisse ist ein Audiokommentar mit dem Regisseur. Das wäre neben dem "Making Of.." die perfekte Möglichkeit gewesen, mehr über die Dreharbeiten und den Hintergrund des Filmes zu erfahren. Zusätzliche Features der DVD sind deutsche Untertitel, sowie Tonspuren in Dolby Digital 5.1 und Dolby Digital 2.0. Das Menü ist ansprechend gestaltet und stimmt mit kleinen Ausschnitten auf den Hauptfilm ein.


"Räuber Kneißl" ist kein Genre-Meilenstein, doch dank der sehr aufwändigen Inszenierung und der liebevollen Ausstattung kann man ihn trotz allem als sehr gelungen bezeichnen. Mit diesem Werk hat man einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, den neuen bayrischen Film weiter zu fördern. Es bleibt zu hoffen, dass es auch weiterhin Stoffe ähnlicher Couleur auf die große Leinwand schaffen. Der "Räuber Kneißl" ist unterhaltsam und geht ans Herz. Rosenmüller ist eine authentische Räubergeschichte gelungen, die über Generationen hinweg Leute begeistern wird, von der man aber auch nicht zu viel erwarten sollte.


Wertung: 7 von 10 Punkten

Autor: Sebastian Kuboth

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