Zum Gedenken an Franz Josef In der Smitten

Franz Josef In der Smitten gehört zu den Farbfernsehpionieren und zu den Männern der ersten Stunde bei der Einführung des PALVerfahrens in den Fernsehrundfunkbetrieb. Er ist ebenfalls unter den Ingenieuren, Wissenschaftlern und Hochschullehrern zu finden, die schon frühzeitig die digitale Verarbeitung von Fernsehbild- und Tonsignalen sowie Codierungen zu deren datenreduzierten Übertragung untersuchten.


Franz Josef In der Smitten studierte Physik an der Universität Köln. Seit 1953 war er Angestellter beim Westdeutschen Rundfunk Köln, zunächst in der Abteilung Niederfrequenz-Technik; 1958 wurde er Betriebsingenieur und leitete die Abteilung Video-Meßtechnik. Im Jahre 1961 erfolgte die Promotion zum Dr.rer.nat. an der Universität Köln über das magnetische Verhalten dünner Ferritschichten.


Ende 1962 beschlossen die Technischen Direktoren der ARD, beim WDR ein Farbfernseh-Versuchslabor einzurichten. In einer fünfjährigen Vorbereitungsphase sollten alle betriebstechnischen Belange untersucht und praktisch erprobt werden, die zur offiziellen Einführung eines Farbfernsehdienstes in der Bundesrepublik Deutschland notwendig waren. Mit dem Aufbau und der Leitung dieses Versuchslabors wurde Dr. In der Smitten betraut.


Die Erstausstattung bestand zumTeil aus amerikanischen, auf die europäische Variante von NTSC umgebauten Geräten, darunter die legendäre 3-Röhren Superorthikon Farbkamera TK41c der RCA.; weitere Studiogeräte wie NTSC- und PAL-Coder Schrank, Farbdia- und Farbfilmübertragungsanlage wurden von der Fernseh GmbH in enger Kooperation von Dr. In der Smitten mit Dr. H. Schönfelder, damals Leiter der Vorentwicklung Farbfernseh-Studiogeräte, entwickelt.


In ersten Farbfernseh-Versuchssendungen wurden im November 1963 NTSC codierte Farbprüfsignale über die Sender des WDR abgestrahlt, gefolgt von Sendungen von Test-Farbdias, 35 mm Farbfilmbildern sowie Live-Szenen aufgenommen mit der elektronischen Farbkamera. Da die Frage der Farbcodierung noch nicht entschieden war, wurde alle zehn Minuten zwischen der NTSC- und der PAL-Codierung umgeschaltet. Im Rahmen einer Farbfernseh-Testsendung der Eurovision am 8. April 1964, bei der das WDR-Farbfernsehlabor als Schaltzentrale diente, konnte die technische Machbarkeit der Transcodierung und damit die Umschaltung zwischen NTSC-, PAL- und SECAM-codierten Programmbeiträgen während einer durchgehenden Farbfernsehsendung gezeigt werden.


Die Farbfilmübertragung im Fernsehen lieferte einen weiteren Schwerpunkt der Farbfernsehlaborarbeit. In umfangreichen Versuchsreihen wurden für das Prinzip der Lichtpunktabtastung von Farbfilmen die optimalen Farbdichtewerte, der maximale Kontrastumfang und die bestmögliche Gradationskennlinie ermittelt. In Kooperation mit Herstellerfirmen und Kopieranstalten konnte spezielles, farbfernsehtaugliches Negativ- und Umkehr- Filmmaterial entwickelt werden.


Die Aufzeichnung von Farbfernsehsignalen auf Magnetband galt damals wegen der durch Gleichlaufschwankungen des Kopfrades bedingten Phasenfehler im quadraturmodulierten Chrominanzsignal, insbesondere bei PAL wegen der zusätzlichen zeilenweisen Umschaltung der V-Komponente, als äußert schwierig, wenn nicht gar als unmöglich. Trotzdem wagte Dr. In der Smitten den Versuch, eine RCA Vierkopfmaschine des Typs TR22 farbtüchtig für PAL zu machen. In Zusammenarbeit mit RCA Technikern als auch mit Dr. Schönfelder gelang das Experiment durch Schaltungsänderungen in den Modulen der Maschine und der Entwicklung einer Zusatzschaltung zur Stabilisierung der Phasenlage im Ausgangssignal. Zum großen Erstaunen der Fachwelt konnten am 21. Februar 1966 zum ersten Mal PAL-codierte Farbfernsehsignale (Kölner Rosenmontagszug) aufgezeichnet und in einwandfreier Bildqualität wiedergegeben werden.


Im Jahre 1966 wurde das Labor zu einem Farbfernseh-Versuchsstudio ausgebaut, in dem zahlreiche Mitarbeiter aus Programm-, Produktions- und Technikbereichen der ARD Fernsehanstalten mit der neuen Technik vertraut gemacht wurden.


Anfang 1967 wurde das Labor zum Farbfernseh-Sendestudio mit neuen Studiogeräten und einem großen Farbfernseh-Übertragungswagen erweitert; am 26. August 1967 wurde über die Farbfernseh-Sendestraße die erste offizielle Farbfernsehsendung des WDR ausgestrahlt; auch in der Folgezeit versorgte das Labor die Abwicklung aller Farbfernseh-Programmbeiträge des WDR.


Im Herbst 1966 erhielt Dr. In der Smitten einen Lehrauftrag für Elektronische Fernsehtechnik am

Institut für Technische Elektronik, Prof. Dr. H. Lueg, der RWTH Aachen, Schwarz/Weiß Technik im

Winter- und Farbtechnik im Sommersemester. Er gab interessierten Studenten die Gelegenheit, ihre Diplomarbeit in seinem Kölner Farbfernsehlabor anzufertigen; dies gab ihm die Möglichkeit, weitere Zukunftsthemen der Fernsehtechnik wissenschaftlich zu bearbeiten. So wurde die Aufzeichnung von Farbbildern auf S/W-Film mit Hilfe von Streifen-Farbcodierfiltern praktisch untersucht, was später zu Forschungsarbeiten über elektronische Einröhren-Farbfernsehkameras führte. In dieser Zeit befasste er sich experimentell mit der Quantisierung von Farbfernsehsignalen und theoretisch mit der Bilddatenreduktion mit Transformationsverfahren auf der Basis von Walsh-Funktionen bzw. Hadamard-Matrizen. Ab 1970 leitete er am Institut für Technische Elektronik mehrere DFG-geförderte Forschungsvorhaben zu Einröhren-Farbfernsehkameras und zur Fernsehbild-Datenreduktion mit Transformationsverfahren. Es entstand der erste echtzeitfähige Transformations-Codec für Fernseh-Rundfunksignale in Europa.


Nachdem Anfang 1970 die Arbeiten im Farbfernsehlabor wegen Erfüllung der Aufgaben zu Ende gingen, leitete Dr. In der Smitten die Abteilung für Systementwicklung und Schulung im WDR. 1972 wurde er zum Chefingenieur des WDR und zum Vertreter des Technischen Direktors ernannt.


An der Fakultät für Elektrotechnik der RWTH Aachen habilitierte er sich im Jahre 1974 und wurde 1975 zum ordentlichen Professor auf den neugegründeten Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, Schwerpunkt Rundfunk und Fernsehtechnik, im Fachbereich Elektrotechnik der Bergischen Universität Wuppertal, damals noch Gesamthochschule, berufen.


Im Forschungsbereich setzte Prof. In der Smitten die Aachener Arbeiten zur Datenreduktion von Bild- und Tonsignalen fort, hinzu kamen erste Untersuchungen zur digitalen Fernsehsignalübertragung mittels OFDM. Es entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit dem WDR, dem Forschungszentrum Jülich und Industriefirmen wie Philips und Thomson.


Prof. In der Smitten erwarb sich die Wertschätzung vieler Studentengenerationen durch sein besonderes Engagement in der Lehre; neben den Vorlesungen über Nachrichten- und Fernsehtechnik las er auch über viele Jahre die Grundlagen der Elektrotechnik für anfänglich über dreihundert Erstsemestler.


Wegen seiner Kenntnisse, vor allem aber wegen seiner auf respektvolle Zusammenarbeit gerichteten und Ausgleich suchenden Persönlichkeit war er für alle Kollegen wählbar, wenn es um die Besetzung von Funktionen in der akademischen Selbstverwaltung ging. Neben der Mitgliedschaft in zahlreichen Ausschüssen leitete er den Fachbereich Elektrotechnik als Dekan in mehreren Zeitabschnitten, insgesamt acht Jahre. In der Amtsperiode 1987 bis 1991 war er Prorektor für Forschung und Lehre. In dieser Funktion bemühte er sich intensiv sowohl um Kontakte zur heimischen Industrie als auch um die Kooperation der Bergischen Universität mit der Technischen Universität Kosice (Slowakei) und der Belarusian State University of Informatics and Radioelectronics Minsk (Weißrussland). Beide Universitäten verliehen ihm die Ehrendoktorwürde in den Jahren 1991 und 1999.


Die Zusammenarbeit mit dem WDR und der Firma Thomson führte im September 1992 zu einem Feldversuch zur digitalen Fernsehübertragung mittels OFDM. Coder, Sender und Empfänger kamen von Thomson, der Versuchscoder arbeitete mit 512 Trägern moduliert mit je einer 64 QAM. Die von einem digitalen Studiorecorder (D1) gelieferten Bilddaten wurden DPCM codiert auf 34 MBit/s reduziert. Gesendet wurde vom WDR-eigenen Sendeturm in Langenberg mit unterschiedlichen Sendeleistungen (max. 30 Watt) nachdem das Bundesamt für Post und Telekommunikation am 31. August 1992 eine auf den Monat September befristete Sendeerlaubnis für den UHF Kanal 38 erteilt hatte.


Während der mehrtägigen Testphase befand sich der OFDM Empfänger in einem Ü-Wagen des WDR. Es wurden bevorzugt Empfangsorte im Bergischen Land angefahren, die für ihren reflexionsbedingt schlechten PAL-Empfang bekannt waren; dabei zeigte es sich, dass die digitale OFDM-Übertragung der herkömmlichen analogen Übertragung deutlich überlegen war. Im Rahmen eines Abschlusskolloquiums in der Universität am 24. September 1992 wurden die Versuchsergebnisse vor geladenen Gästen aus Industrie und Forschungsinstituten präsentiert sowie OFDM Sendungen aus Langenberg direkt in den Hörsaal übertragen.


Wesentliche Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit von Prof. In der Smitten finden sich in Vorträgen auf Jahrestagungen der Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft. Er war deren Mitglied seit dem 1. März 1975 und 1. Vorsitzender von 1977 bis 1990. In dieser Zeit leitete er sehr erfolgreich sieben Jahrestagungen und trieb besonders engagiert die Zusammenarbeit von FKTG und ITG (damals noch NTG) und die Vereinbarung gemeinsamer Fachausschüsse voran. Für seine Verdienste ehrte ihn diese traditionsreiche Gesellschaft im Jahre 1992 mit der Richard-Theile-Medaille, der höchsten zu vergebenden Auszeichnung.


Auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Hochschuldienst im Frühjahr 1994 blieb er der Universität und dem Lehrstuhl bis zuletzt als aktiver Emeritus verbunden, anfangs noch mit eigenen Vorlesungen, später als Mitbetreuer von studentischen Abschlussarbeiten und als Korreferent bei allen Doktoranden

des Lehrstuhls.


Als seinem Nachfolger im Amt war er mir ein willkommener Gesprächspartner und verlässlicher Ratgeber. Ich erinnere mich gerne an gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten, Veröffentlichungen und Vortragsreisen zu amerikanischen Kongressen.


Sein Farbfernseh-Versuchslabor ist nicht in Vergessenheit geraten. Anlässlich des 40-jährigen PAL-Jubiläums wurden die Geräte des Labors am Lehrstuhl für Nachrichtentechnik in etwa der Originalanordnung wieder zusammengestellt und von Prof. In der Smitten selbst in mühsamer Kleinarbeit grösstenteils funktionstüchtig gemacht. In einer in HDTV aufgenommenen Dokumentation hat der WDR die Geschichte des Labors mit seinen technik-historisch wertvollen Unikaten festgehalten. Die Aufnahmen sind teils in Wuppertal teils in Kölner WDR Studios entstanden. Prof. In der Smitten führt selbst durch das Programm, auch ehemalige Mitarbeiter des Labors kommen zu Wort; anschließend wurde eine DVD produziert und eine halbstündige Sendung im 3. Programm des WDR ausgestrahlt.


Die Bergische Universität Wuppertal und der Westdeutsche Rundfunk Köln werden das Historische Farbfernseh-Labor weiter betreiben, ausbauen und den Studierenden und der interessierten Öffentlichkeit durch Führungen zugänglich machen.


Franz Josef In der Smitten hat sich um die Entwicklung der modernen Fernsehtechnik, um den Westdeutschen Rundfunk Köln und die Bergische Universität Wuppertal verdient gemacht; für seine Lebensleistung erhielt er im Jahr 2000 das Bundesverdienstkreuz.


Seinem Wunsch gemäß wurde er im engsten Familienkreis auf dem Kölner Melatenfriedhof beigesetzt. Es mag ein Trost für seine Familie sein, daß Prof. In der Smitten in der Fachwelt, bei seinen Schülern, früheren Mitarbeitern, Wegbegleitern und Kollegen als ein hervorragender Wissenschaftler, Hochschullehrer und nicht zuletzt als besonders wertvoller Mensch in Erinnerung bleiben wird. Bildquelle: WDR


Von Uwe E. Kraus

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