Strich durch die Rechnung: Der Ufa-Film mit Heinz Rühmann und die Radrennbahn Forst (Lausitz)

Dass Spielfilme Kulturgut im besten Sinne des Wortes sind, lässt sich allein durch die Natur des Mediums erklären. Denn kaum eine Kunstform vermag es soviele Aspekte in sich zu vereinen, wie es der Film tut. Nicht nur Musik oder das gesprochene Wort sind darin verewigt, sondern zusätzlich noch ein bewegtes Bild und damit verbunden auch Themen wie Mode, Zeitgeist oder Umgangsformen. Filme sind eine Zeitkapsel für die Nachwelt und können Kultur nicht nur erhalten sondern auch im Nachhinein neu prägen. Der gesellschaftliche und kulturelle Wert dieser Kunst ist allgemein anerkannt, wird meiner Meinung nach aber wohl erst in den nächsten Jahrzehnten erst die Würdigung erfahren, die es verdient.


Eine weitere Steigerung dieses Aspektes der Filmkunst ist möglich, wenn er eine enge Verbindung mit einer bestimmten Stadt oder Region aufweist. Genau das trifft auf dem im Jahr 1932 in der Stadt Forst in Brandenburg gedrehte Film „Strich durch die Rechnung“ zu. Seit dem Jahr 1906 existiert dort eine Radrennbahn, die für den starbesetzten UFA-Film als Kulisse genutzt wurde. Denn der Radrennsport erfreute sich neben dem Fußball damals in Deutschland größter Beliebtheit und so war ein Tonfilm mit dieser Thematik nur eine logische Konsequenz. Mit von der Partie waren damals großrangige Stars wie Heinz Rühmann, Käthe von Nagy oder Fritz Odemar. Natürlich sorgten die Dreharbeiten vor Ort für großes Aufsehen, sowohl in der Bevölkerung als auch in der Presse.


In den Jahren darauf blieb dieses Ereignis und auch der Film bei den Zeitzeugen unvergessen, doch im kollektiven Gedächtnis verblasste die Erinnerung an „Strich durch die Rechnung“ mehr und mehr. Auf die ersten Jahre des Nationalsozialismus folgte ein großer Krieg und in Forst blieb in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das geflügelte Radfahrerwort „Du fährst ja wie Rühmann!“ übrig, der auf diesen Streifen zurück geht. Doch der Film selbst wurde langsam vergessen. Wer ihn damals nicht gesehen hat, kannte ihn nicht. Wie früher üblich, wurden diese Filme eine Weile in den Kinos gezeigt, das war es aber dann auch. Das Fernsehen war gerade erst dabei, erfunden zu werden, von Videotheken oder Streamplattformen war nicht zu denken. Zu Kriegsende ging die einzig bekannte Kopie von „Strich durch die Rechnung“ als sowjetische Kriegsbeute nach Moskau in das dortige Filmarchiv Gosfilmofond. Erst in den 1990er Jahren gab es erste konkrete Versuche, den Film wieder aufzutreiben. Im Oktober 2020 fand diese Suche ein glückliches Ende, als nach 88 Jahren „Strich durch die Rechnung“ erstmals wieder öffentlich aufgeführt wurde. Welche Bedeutung das für Forst und seine Bewohner gehabt hat, kann man nur erahnen.


Zuvor gab es unendlich viel Engagment, was die Recherche bezüglich des Films angeht. Und diese Recherche ist weiterhin nicht zu Ende. Der Film ist gerettet, doch die Geschichten drum herum werden weiterhin gesammelt und können allesamt gar nicht im Rahmen eines Kinoabends zusammengefasst werden.

Aus diesem Grund gibt es inzwischen nicht nur eine Webseite über die Geschichte des Films, sondern auch ein Buch mit dem Titel „Strich durch die Rechnung – Der UFA-Film mit Heinz Rühmann und die Radrennbahn Forst“ von Lars Amenda. Das Buch wurde im Oktober 2020 pünktlich zur Wiederaufführung des Films veröffentlicht und kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen.


Allein schon die Aufmachung des gebundenen Buches macht richtig was her. Das Papier ist hochwertig und es gibt ein eingebundenes Zeichenband (Lesezeichen). Auf 110 Seiten werden alle bis dahin bekannten relevanten Aspekte des Films und der Forster Radrennbahn aufgeführt. Anekdoten, Hintergrundinformationen und zahlreiche Daten und Fakten, garniert mit prächtigen Bildern und Grafiken, die dem Leser mit auf die Reise zurück in das Jahr 1932 nehmen. Selbst das damalige Filmprogramm wurde noch einmal in das Buch neu mit abgedruckt.


Die Kapitel und Absätze sind übersichtlich strukturiert, handeln alle Aspekte ohne viel drum herum sauber und interessant ab, sind ordentlich und gut lesbar verfasst worden und sorgen für einen kurzweiligen Lesespaß. Aber auch als Nachschlagewerk eignet sich das Buch dadurch hervorragend.

Einziger Nachteil ist, dass das Werk (selbstverständlich) lediglich den Stand des Wissens aus dem Jahr 2020 zusammenfasst. Aber mehr kann und will das Buch auch gar nicht. Weiterhin werden immer wieder neue Fotos, Artikel und Anekdoten gefunden, die weiter gesammelt werden und sich dazu eignen, dass man sie in einer eventuellen späteren Auflage noch in das Werk (oder einem ähnlichen Buch) einfließen lässt.


Für Forst und seine Region ist dieser Film und somit auch das dazugehörige Buch ein wahrer Schatz. Aber auch für Radrennsport- und Filmfreunde. Kaum ein Film erfährt eine so liebevolle Aufarbeitung, obwohl es jeder einzelne dieser Filme verdient hätte. „Strich durch die Rechnung“ fungiert von daher als glänzendes Beispiel, wie ein Spielfilm nicht nur als reines Unterhaltungsmedium gesehen werden darf, sondern aus seiner Zeit und seiner Entstehungsgeschichte heraus als Kulturgut, das es wert ist für die Menschen heute und auch morgen aufbereitet und erhalten zu werden.


Wertung: 9 von 10 Punkte
Autor: Sebastian Kuboth
Profil zum Buch: Strich durch die Rechnung: Der Ufa-Film mit Heinz Rühmann und die Radrennbahn Forst (Lausitz)
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Webseite zum Thema: http://strich-durch-die-rechnung.de

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