Hatschipuh

Irgendwo südlich von München liegt Schladerbach. Dieser kleine Ort, der geschmückt wird von der Silhouette der Alpen, beherbergt ein großes Geheimnis. Auf dem Grund der Familie Reiter existiert nämlich – nur zwölf Steinpilze tief - ein kleines, unterirdisches Dorf das von unsichtbaren Butzemännern bewohnt wird. Früher lebten diese Wesen mit den Menschen zusammen, doch Habgier und Neugierde vertrieb sie. Die Butzemänner halfen den Menschen früher bei ihrer tagtäglichen Arbeit, jedoch durfte keiner versuchen, sie zu sehen. Eines Tages verstreute eine neugierige Familie Erbsen auf die Treppe und den Boden ihres Hauses. Durch diese Methode fingen sie einen der Butzemänner ein und hielten ihn in einem Käfig gefangen. Enttäuscht und erbost befreiten die Butzemänner ihren Artgenossen und verließen daraufhin sämtliche von Menschen besiedelten Gegenden. Übrig geblieben ist diese eine Ausnahme. Jedoch weiß davon keiner etwas. Nur Opa Reiter kennt das Geheimnis. Er hat nämlich vor langer Zeit Dulliduh, den ältesten der Butzemänner das Leben gerettet. Seit dem kann er die Butzemänner sehen. Sie besuchen ihn regelmäßig und sind seine Freunde geworden. Doch eines Tages tauchen auf der Wiese, unter der die Butzemänner ihr Dorf haben, ungewöhnliche Maschinen und komisch gekleidete Menschen auf. Es handelt sich um Bauarbeiter, die beginnen dort etwas zu bauen. Die Folge davon ist, dass das Butzemänner-Dorf zerstört wird. Was keiner der betroffenen weiß: Die Wiese wurde ohne, dass der Opa davon wusste, verkauft. Nämlich von seinem Sohn Josef Reiter. Noch Schlimmer ist, dass er sogar den ganzen Hof verkauft hat. Davon erfahren sowohl die Butzemänner, als auch Opa Reiter erst später. Nur Josef Reiter weiß zu Beginn davon. Grund hierfür ist ganz einfach die viele Arbeit, die so ein Hof verursacht. Doch er bereut seine Entscheidung, spätestens als er merkt, wie wenig seine Familie von der Sache hält. Der Unternehmer Otto Leder, der den Bauernhof aufgekauft hat, lässt nicht mit sich reden. Die Folge ist, dass die Familie Reiter den Hof verlassen muss und in die Stadt zieht. Die Butzemänner bleiben auf dem Hof, um so lang wie möglich bei den Tieren zu bleiben. Diese werden aber nach und nach zum Schlachter abtransportiert. Opa Reiter bricht derweil in der Stadt zusammen und landet im Krankenhaus. Er verkraftet es einfach nicht, den Hof aufgeben zu müssen. Als die Butzemänner davon erfahren, fällt ihnen ein, wie man den Hof zurück bringen könnte um somit auch das Leben von Opa Reiter zu retten: Auf dem Bauernhof veranstalten sie mächtig Wirbel und sorgen dafür, dass die Familie Reiter am Ende wieder zurückkehren kann in ihr altes Zuhause.


"Hatschipuh" ist ein ganz besonderer Film, der zwar keinen hohen bekanntheitsgrad genießt, dafür aber sehr beliebt ist, einen hohen wiedererkennungswert hat und das Potential, sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch zum Klassiker zu entwickeln. Aber was hat es mit Hatschipuh eigentlich auf sich? Der Mann, der die Figur Hatschipuh entwickelt hat, ist kein geringerer als Ulrich König, der in den 70er, 80er und 90er Jahren Produktionen wie "Geheimtip für Tommy", "Meister Eder und sein Pumuckl", "Ein Fall für TKKG: Drachenauge" oder eben "Hatschipuh" als Regisseur und teilweise als Autor umgesetzt hat. Gerade zwischen Pumuckl und Hatschipuh gibt es unverkennbar einige Parallelen. Dennoch sind es zwei ganz unterschiedliche Geschichten mit ganz individuellen Charaktereigenschaften. Anders als bei Pumuckl wurde die Geschichte Hatschipuh von Anfang an als Kinofilm konzipiert. Zwar gibt es auch noch eine Hörspielreihe und ein Buch, doch an das Flair des Films kommen diese Ausläufer nicht heran. Was ist so Toll an diesem Film? Man merkt einfach, dass die komplette Produktion mit viel Liebe angegangen wurde. Angefangen vom Drehbuch, bis hin zu den kleinen Anspielungen und Running Gags, die man immer wieder im gesamten Film vorfinden kann. Außerdem sind die Rollen und die Sprecher der Butzemänner super ausgewählt. Schauspieler wie Toni Berger, oder Jan Steinbeck, der den Enkel von Opa Reiter spielt, sind absolut überzeugend und authentisch. Weitere bekannte Gesichter wie Heny van Lyck, Adelheid Arndt (bekannt durch die Kindersendung "Siebenstein"), Elisabeth Karg, Werner Zeussel oder in einer Gastrolle Gustl Bayrhammer runden das Filmvergnügen im vollen Umfang ab. Die Besetzungsliste der Kinderrollen im Film ist ebenfalls sehr interessant. Jan Steinbeck, der damals die Hauptrolle inne hatte, wurde von Ulrich König in Hamburg bei einem Werbe-Casting entdeckt. Dieser lebte während den Dreharbeiten bei der Familie König. Als Hamburger hat er die bayrische Mundart sehr schnell drauf gehabt und auch schauspielerisch hat er alles sehr gut umgesetzt. Um ihn wurde es nach Hatschipuh aber ruhig. Es blieb seine einzige Filmproduktion. Die beiden Mädchen Daniela D. König und Stephanie Kellner sind dafür beide bei der Schauspielerei geblieben. Auch Attila Àrpa, der eine kleine Rolle zu verzeichnen hat, ist bis heute als Schauspieler aktiv. Die Jungs Dominik König (der Sohn von Ulrich König) und Maximilian Nüchtern (der Sohn des Regisseurs Rüdiger Nüchtern) sind auch mit von der Partie. Gerade Dominik König, der den jüngsten Spross der Familie Reiter darstellt, sorgt für viel Spaß und Running Gags.


Ich erinnere mich gut an die frühen 90er Jahren, als der Film das erste Mal im Fernsehen lief. Mein Vater hat mich damals darauf hingewiesen. Als Kind war ich erst ein wenig erschrocken von der Anfangssequenz im Weltall. Dort fährt die Kamera an diversen Planeten vorbei, Richtung Erde. Im Hintergrund ist ein monotones Brummen zu hören und Fritz Straßner, der bei den Hörspielen auch den Erzähler spricht, leitet aus dem Off den Film ein. Ebenso düster wie komisch ist der restliche Vorspann. Man sieht den Bauernhof. Es ist früh am Morgen und die Sonne geht gerade auf. Künstlicher Rauch und eine falsche Kulisse sorgt für ein seltsames Flair. Zu hören ist eine ruhige Musik aus der Feder von Fritz Muschler, der auch schon den Soundtrack von "Meister Eder und sein Pumuckl" komponiert hat. Es folgt ein Schnitt in das Kinderzimmer von Sebastian Reiter (Jan Steinbeck). Dort sieht man eine Kettenreaktion, die der Wecker auslöst und die darin endet, dass der Hahn vom Misthaufen in eine Wanne mit Wasser geschleudert wird. Zwischendurch ist ein C64 Computer zu sehen, der auf dem Bildschirm "Scheiß Schule" anzeigt. Sebastian Reiter kommentiert seine erfolgreiche Kettenreaktion mit "Echt Stark! Super!" und der Hausknecht mit "Jetzt spinnt der Hahn a scho!". Volles Programm also.


Man merkt als Zuschauer, wie viel Spaß Ulli König mit diesem Film hatte. Und dieser Spaß reflektiert sich auch wieder auf die Zuschauer beim konsumieren des Films. Schöne Szenen, lustige Gags und kreative Einfälle geben sich bei Hatschipuh die Klinke in die Hand, ohne das irgendetwas davon zu sehr gewollt oder übertrieben wirkt. Der Film kommt ganz ohne moderne Technik aus und überzeugt ganz einfach durch den Flair seiner Zeit und der liebevollen Inszenierung, ohne nur den geringsten Schimmer von Langeweile aufkommen zu lassen.


Absolut überzeugend ist auch der Soundtrack, bei dem nicht nur Ulrich König höchstpersönlich als "U. Erdbeerkönig" etwas zum Besten gibt, sondern beispielsweise auch Nena oder Klaus Dittmar, der den Titelsong singt. Beim Drehbuch bekam Ulrich König übrigens Unterstützung vom Altmeister Franz Marischka. Dieser übernimmt auch eine kleine Gastrolle im Film. Mal abgesehen von einer weiteren kleinen Gastrolle blieb dies der letzte Film, an den sich Marischka beteiligte.


Was gibt es abschließend noch zu sagen? Die Geschichte um Hatschipuh ist im vollen Umfang unterhaltsam. Der Film macht Spaß und ist liebevoll inszeniert. Es handelt sich bei Hatschipuh um ein modernes Märchen für die ganze Familie. Der Film stellt meiner Ansicht nach im Alleingang das komplette moderne Fantasy Genre in den Schatten.


Wertung: 8 von 10 Punkten
Autor: Sebastian Kuboth


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