Der große König

Anlässlich des angebrochenen Fridericus-Jahres 2012 – der Alte Fritz wurde am 24. Januar 1712 geboren – bietet es sich an, den umstrittenen Filmklassiker "Der große König" von Veit Harlan zu rezensieren, der 1942 in die Kinos kam, nach dem Ende des NS-Regimes als Vorbehaltsfilm verboten war und 2009 von Black Hill Pictures in einer schmucklosen DVD-Ausgabe veröffentlicht wurde.


Harlans mit großem Aufwand gedrehter und von der Tobis produzierter Film ist ein typischer Preußenfilm der NS-Zeit: er erzählt von militärischer Disziplin und männlichen Tugenden, die auch als Abbild nationalsozialistischer Ideale zu verstehen sind. Dennoch handelt es sich sicherlich nicht um einen "propagandistischer Aufbaufilm", wie es auf der Seite Filmportal heißt, sondern eher um ein Historiendrama und Schlachtengemälde, das aufgrund der überwiegend hervorragenden schauspielerischen Leistungen auch heute noch überzeugen und unterhalten kann. Otto Gebühr, der Friedrich II. bereits in den 20er Jahren und danach immer wieder verkörpert hatte, glänzt in gewohnter Weise in der Titelrolle. Kristina Söderbaum gibt das brave Mädchen, das sich vor allem durch Leidensfähigkeit auszeichnet, Gustav Fröhlich den Helden und Draufgänger, der in einen Konflikt mit der militärischen Disziplin gerät, und Kurt Meisel den schmierigen Bösewicht, als der er auch in Harlans folgendem Film "Die goldene Stadt" (1942) erscheinen sollte. Die Handlung folgt dem Wiederaufstieg Preußens nach der Niederlage von Kunersdorf: Mit rücksichtslosem Willen und grenzenloser Opferbereitschaft setzt sich Friedrich II. gegen seine Feinde und das drohende Schicksal durch, das Preußen den Untergang verheißt. Viele Gesten und Situationen des Drehbuchs sind nur erstarrte Klischees, bei denen es allein den Darstellern zu verdanken ist, dass sie lebendig wirken. Am wirkungsvollsten und sehenswertesten sind die epischen Massenszenen: Unterstützt durch die mitreißende Musik von Hans-Otto Borgmann zeichnet die Kamera Bruno Mondis wunderbare Aufmarsch- und Schlachtenbilder: Die teilweise ungewöhnlich drastischen Kriegsdarstellungen sind kamera- und pyrotechnisch ausgefeilt und können auch ein heutiges Publikum fesseln.

Ob die "wesentliche Szenen" sich wirklich "streng an die historischen Tatsachen" halten, wie es im Vorspann heißt, können nur Historiker und Preußenspezialisten beurteilen. Immerhin gehört "Der große König" zu jenen Propagandafilmen der NS-Zeit, die nur in wenigen Szenen die zeitgenössische Ideologie offen zum Ausdruck bringen. Es ist durchaus möglich, den Film als patriotisches Historiendrama zu betrachten, ohne sich zwangsläufig mit dem politischen Hintergrund der NS-Zeit auseinandersetzen zu müssen. Die Beurteilung, inwieweit sich die geschilderten historischen Ereignisse auf die Entstehungszeit des Films beziehen lassen (im Sinne von Friedrich II. = Hitler, Kunersdorf = militärische Wende im Zweiten Weltkrieg), hängt ausschließlich vom Standpunkt des Betrachters ab und sollte jedem selbst überlassen bleiben.


Die Black Hill-DVD enthält keine Extras, die den Namen verdienen. Unter "Specials" verbergen sich ein "Imagetrailer", d.h. eine Trailerschau, und rudimentäre Bio- und Filmographien von Harlan, Söderbaum, Gebühr und Paul Henckels. Darin fallen einige tendenziöse Formulierungen unangenehm auf: So heißt es, Harlan habe "in seinen zahlreichen Werken … den Nationalsozialismus und deren (?) Rassenideologie" verherrlicht, und weiter: "1949 und 1950 wurde er wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt, beide Male aber freigesprochen. Seine späteren Filme zeigen aber immer noch seine unveränderte Geisteshaltung". Soll damit etwa gesagt werden, Harlan habe in den 50er Jahren weiter Filme zur Verherrlichung des Nationalsozialismus und der Rassenideologie gedreht? Vermutlich wusste der Verfasser selber nicht, was er genau sagen wollte, es sollte nur irgendwie kritisch klingen. Insofern ist es vielleicht gar nicht so schade, dass man sich weitere "Hintergrundinformationen" gespart hat.


Wertung: 6 von 10 Punkten
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