Helmut Dietl - A bissel was geht immer: Unvollendete Erinnerungen

Es ist äußerst bedauerlich, dass die Autobiographie von Helmut Dietl unvollendet geblieben ist. Doch das, was Dietl niedergeschrieben hat, ist für die Nachwelt sehr interessant und wertvoll. Was beim Lesen aber schnell aufgefallen ist: Dietl bemühte sich zwar, gut und unterhaltsam zu schreiben, das ist ihm aber leider nicht so richtig gelungen. Die Texte lesen sich sehr holprig. Auch der Versuch, eine gewisse Tiefsinnigkeit und ein Niveau mit einzubringen, ist meiner Meinung nach ebenfalls fehlgeschlagen. Wie ein anderer Rezensent mal richtig geschrieben hat, wirkt es fast so, als wenn Dietl bei diversen Ausführungen über manche Urlaubsorte oder anderen Dingen regelmässig auf Wikipedia unterwegs war, um weiterführende Informationen über Stadt X und Sehenswürdigkeit Y in sein Buch mit einfließen zu lassen. Ich hatte den Eindruck, dass er damit versucht hat, seinen Wissensfundus bzw. seinen Bildungsstand unter Beweis zu stellen und gleichzeitig die Seitenzahl seines Buches künstlich erhöhen wollte. Andere Rezensenten bemängelten, dass sich das Buch liest wie ein Aufsatz eines Schülers. Auch dem würde ich zustimmen. Dennoch waren seine Erinnerungen im Rahmen dieser Mängel lesenswert, soweit man sich für Dietl, München, seine Serien und seine Branche interessiert.


Was mich am Ende am meisten gestört hat, war Dietls Verhältnis zur Wahrheit und zur Wirklichkeit. Wie er selbst in seinem Buch schreibt, ist ihm die Wirklichkeit hinter der Wahrheit wichtiger als die Wahrheit selbst. Nicht umsonst war er Autor und Spielleiter von fiktiven Serien, die eine übergeordnete Wirklichkeit aufzeigen, die aber mit der Wahrheit an sich nicht viel zu tun haben. Und es scheint so, als wenn er auch beim Schreiben des Buches dieses Ziel verfolgt hat. Auf konkrete Erinnerungen will ich nicht zu sprechen kommen, da ich nicht weiss, was nun wirklich so stattgefunden hat und was nicht. Und gerade bei Film- und Serienproduktionen ist es oft so, dass man bei der Betrachtung einzelner Szenen denkt, dass das komplett unrealistisch und aus der Luft gegriffen ist, es sich dann aber herausstellt, dass genau diese Szenen genau so passiert sind und vom Autor dann in die Geschichte mit eingebaut wurden. Dennoch hat mich schon früh das Gefühl beschlichen, dass Dietl an manchen Stellen bewusst übertreibt, phantasiert und pathetisiert. Zu diesen Überzeichnungen gehören z.B. zahlreiche Dialoge die er so niederschreibt, als wären sie ganz genau so gesprochen worden. Die Wirkung ist zwar gut, besonders wenn es um den bayrischen Dialekt geht. Ich halte es aber für ausgeschlossen, dass es sich hier um authentische Dialoge handelt. Weder hat sie Dietl vor Jahrzehnten mitgeschrieben, noch ist es möglich, dass er sich die Dialoge so gemerkt hat.


Dass solche Biographien immer subjektiv gefärbt sind, liegt in der Natur der Sache. Der Autor selbst hat die Möglichkeit, Themen weg zu lassen, dafür aber andere Themen mit einfließen zu lassen. Und die ein- oder andere Sache etwas anders darzustellen, aus welchen Gründen auch immer. So findet man in so einem Buch keine allumfassende Wahrheit über Dietls Leben, dafür die von ihm bevorzugte Wirklichkeit, die er im Rahmen seiner Lebenserinnerungen in alt-bekannter Manier aufzeigt. Eine allumfassende Wahrheit zu dokumentieren, ist aufgrund der Komplexität eines Menschenlebens und der Relativität von Erinnerungen, Wahrnehmungen usw. auch garnicht möglich. Aber man kann als Autor bemüht sein, dem so nahe wie möglich zu kommen. Und für meinen Geschmack war das nicht die Intention von Helmut Dietl beim Verfassen dieses Buches. Manche mag das nicht stören, im Rahmen einer Autobiographie stört mich das jedoch sehr. Gerade weil so auf alle Ewigkeit Halb- bis Unwahrheiten in den Raum gestellt werden, von denen wir schon mehr als genug umgeben sind. Viele Personen, über die Dietl geschrieben hat, können nichts mehr zu den von Dietl geschilderten Begebenheiten erwidern (was nicht heisst, dass Dietl hier vom Leder zieht, wie es einst Herr Bohlen machte). Es gibt aber schon betroffene und noch lebende Personen, die sich schon geäußert haben zu diesem Buch. So hat Dietls ehemalige Freundin Dorothea Fischer (Tochter von Elfie Pertramer) bereits in einem Zeitungsinterview ihre Sicht der Dinge geschildert (die Helmut Dietl in einem ganz anderen - nicht sehr positiven - Licht darstellt). Ebenso hat Regisseur Klaus Lemke aussagen über sich aus dieser Biographie korrigiert. In diesen Fällen kann sich jedoch wiederum nun Helmut Dietl nicht mehr äußern, sodass wir wohl nie sicher erfahren werden, wo hier die Wahrheit genau zu finden ist. Die Wirklichkeit hat Dietl - trotz Schwächen in der Darbietung - gut vermittelt. So, wie man es aus seinen TV- und Film-Klassikern kennt, wobei er in der Analyse der Gesellschaft und der Menschen sichtlich mehr Talent aufweist als in der Darstellung von kulturellen und in der Analyse von politischen Dingen.


Der Zeitsprung am Ende des Buches in die 80er Jahre hinein zeigt, was für interessante Abschnitte bei einer vollendeten Biographie noch auf uns zugekommen wären. Was Helmut Dietl zu den Entstehungen seiner Serien- und Filmwerke so alles geschrieben hätte, wäre unendlich interessant gewesen. Auch wenn ich all diese Informationen mit Vorsicht gelesen hätte. So Endet der Haupttext Ende der 60er Jahre und als Bonus bekommt man einige Fragmente aus den 80er Jahren, während der Entstehungsphase zur Serie "Kir Royal", zu lesen.

Als krönenden Abschluss serviert niemand geringeres als Patrick Süskind dem Leser noch ein Nachwort, welches eine hochwertige Ergänzung und gleichzeitig würdiges Finale des Buches ist.


Trotz der vielen Kritikpunkte meinerseits, war das Buch für mich lesenswert. Neben den Geschichten zu Helmut Dietl selbst und seinem Umfeld, sind gerade auch die Ausführungen zu Dietls (Wahrscheinlich-) Großvater und Stummfilmschauspieler Fritz Greiner, sowie zu Zeitgenossen wie Walter Sedlmayr, Elfie Pertramer, Wolfi Fischer, O. W. Fischer, Marianne Hoppe, Boy Gobert, Senta Berger, Michael Verhoeven oder auch Towje Kleiner äußerst interessant.


Wertung: 5 von 10 Punkten
Autor: Sebastian Kuboth
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