Benjamin Blümchen

Neben Klassikern wie die „Grimms Märchen“ gab es in meinen ersten Lebensjahren drei Kindergeschichten, die mich kulturell und charakterlich geprägt haben und die ich bis heute sehr schätze. Das sind „Meister Eder und sein Pumuckl“, „Löwenzahn“ und „Benjamin Blümchen“: Während mein favorisiertes Medium bei beiden erstgenannten Geschichten jeweils die Fernsehserie gewesen ist, war es bei „Benjamin Blümchen“ unangefochten die Hörspielfassung. Selten habe ich eine gehaltvollere Hörspielreihe gehört wie die von Benjamin Blümchen. Sowohl die Texte als auch die Gesamtproduktion sind herausragend und sprühen nur so vor Charme und Witz. Die Sprecher sind durch die Bank grandios besetzt und sowohl Kinder als auch Erwachsene bekommen ein unterhaltsames und inspirierendes Hörspielerlebnis serviert. Man wird nicht nur unterhalten, sondern man kriegt viel vermittelt, sei es Begeisterungsfähigkeit, Idealismus oder die Wahrheits- und Freiheitsliebe.


Jedoch umfasst meine nahezu uneingeschränkte Begeisterung für die Hörspielreihe lediglich die Geschichten bis in das Jahr 1989 hinein. Das sind die Geschichten die von Elfie Donnelly, der Erfinderin von „Benjamin Blümchen“, selbst geschrieben wurden. Ihre Dialoge zeichnen sich aus durch Feinsinn, Witz und Sozialkritik. Die Geschichten von ihrem Nachfolger Ulli Herzog waren auch oft noch ganz nett geschrieben, sie erreichen aber bei weitem nicht mehr die Donnelly-Qualität. Hinzu kommt, dass im Laufe der 90er Jahren erst der Benjamin-Sprecher Edgar Ott im Jahr 1994 verstorben ist, dann im Jahr 1998 Joachim Nottke, der Erzähler, dessen Stimme fast genau so tragend war wie die von Ott. Auch weitere Stimmen wurden im Laufe der Zeit hörbar älter oder von anderen Sprechern ersetzt. Was für mich nicht mehr schlimm war, denn ich war schon längst ausgestiegen und erfreute mich weiterhin an den zahlreichen alten Episoden der Serie.


Ich erinnere mich auch noch gut an die ersten Zeichentrick-Folgen von „Benjamin Blümchen“, die ich als Kind auf dem Bezahlsender „Premiere“ sehen durfte. Sie haben mir ganz gut gefallen, aber schon zu dieser Zeit war der qualitative Kontrast zur Hörspielserie so enorm, dass ich mich nur bedingt an der optischen Umsetzung der Geschichten erfreuen konnte. Aus heutiger Sicht sind diese ersten Zeichentrick-Geschichten fast so gut wie es die Hörspiele waren, wenn man sie mit den späteren Fassungen vergleicht, die im Laufe der Jahre produziert wurden. Aber kritisch war ich schon immer, was Neuerungen bei solchen Klassikern angeht, das fängt schon damit an, dass ich bereits Probleme mit dem zweiten Titellied hatte, das ab 1989 vor den Hörspielen zu hören war und fast zeitgleich mit dem Weggang von Donnelly eingesetzt wurde. Also ein großer Bruch in vielerlei Hinsicht.


Nachdem in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends „Bibi Blocksberg“ erstmals verfilmt wurde kam irgendwann in mir die Überlegung auf, wie es wäre, wenn man „Benjamin Blümchen“ verfilmen würde. Und ich kam für mich zu dem Schluss, dass das ein Stoff ist, der unverfilmbar ist. Aber: Weit gefehlt! Es sollte zwar noch viel Zeit verstreichen, aber im Jahr 2017 war es soweit und es gab erste Pressemeldungen, dass an einem Benjamin-Blümchen-Film gearbeitet wird. Ich habe mich darüber sehr gefreut, aber eine gewisse Grundskepsis war vorhanden. In den ersten Mitteilungen war zu lesen, dass Heike Makatsch und Dieter Hallervorden mit von der Partie sind. Makatsch habe ich mir super als Karla Kolumna vorstellen können und Hallervorden als Herr Tierlieb. Das könnte ich mir auch heute noch vorstellen als gute Besetzung. Aber es sollte anders kommen.


Im August 2018 gab es im Internet den ersten „Teaser“ zum Film zu sehen und im März 2019 den ersten „Trailer“. Und was soll ich sagen? Ich war geschockt. Und das lag einzig und allein an der Tricktechnik. Die Animation von Benjamin Blümchen war ja ganz nett, die komplette Green-Screen-Technik war für mich katastrophal umgesetzt. Die Menschen sahen aus wie vor eine Leinwand gestellt, so wie in den alten Schwarz-Weiss-Filmen die Protagonisten im Auto vor einer Leinwand „Fuhren“. Total künstlich. Schrecklich!


Der Rest war für mich in Ordnung bzw. verzeihbar. Allen voran Benjamins neue Stimme, die inzwischen schon seit fast 25 Jahren (nämlich seit 1995) vom zweifelsohne grandiosen Sprecher Jürgen Kluckert gesprochen wird. Aber in der Rolle als Benjamin Blümchen gefällt er mir gar nicht. Was natürlich an der Nachwirkung von Edgar Ott liegt. Ott hat Benjamin kraftvoll, naiv und mit unendlich viel Elan gesprochen. Kluckert spricht ihn auch naiv, aber sehr lahm und ausgebremst. Wie ein Kinderheld auf Beruhigungsmittel. Oder wie ein alter Herr. Aber gerade wenn man so vorbelastet ist wie ich muss man da mehr als nur ein Auge zu drücken.


Nun bekam ich die Möglichkeit den Film sehen zu können. Mit meinen beiden Kindern. Das macht das Ganze gleich doppelt interessant, denn so kann ich auch sehen wie der Film auf die Kinder wirkt. Zumal sie eigentlich noch nicht soviel mit „Benjamin Blümchen“ zu tun hatten, da sie als Mädels eher „Bibi Blocksberg“ favorisieren.


Den Film zu bewerten fällt mir sehr schwer. Denn ich kann ihn aus verschiedenen Aspekten aus betrachten. Einerseits aus meiner subjektiven Sicht, die Sicht eines Kindes der 80er Jahre, das mit Benjamin Blümchen groß geworden ist, andererseits als neutraler Beobachter mit der Bemühung alles was vorher war auszublenden und dem Ziel, den Film so zu bewerten, wie er ist, nämlich als reinen Kinderfilm. Und dass der Film den Kindern gefallen wird, davon bin ich ausgegangen. Und es war auch so. Wobei meine Mädels (4 und 5 Jahre alt) fast etwas zu jung für manch (meist optische) Witze waren. Gerade die Kinder zwischen 7 und 11 Jahren haben sich an vielen Stellen schief gelacht.


Die Geschichte des Films ist schnell erzählt und das Motiv findet sich in allen Möglichen Serien und Filmen, meist aus Heimatproduktionen: Der Neustädtet Zoo ist wie immer chronisch pleite, sodass der Bürgermeister (Uwe Ochsenknecht) einem externen Unternehmen den Auftrag gibt, den Zoo zu modernisieren, um damit auch wieder mehr Geld in die Kasse zu bringen. Das besagte Unternehmen wird von der hinterhältigen Zora Zack (Heike Makatsch) geleitet, die, sobald vertraglich alles in trockenen Tüchern ist, den Tierpark stark verkleinern und rationalisieren möchte, um die freien Plätze zu nutzen, dort Luxuswohnungen respektive Hochhäuser hinzubauen. Während Benjamin und Herr Tierlieb nichts böses ahnen, kommt der kleine Otto, der seine Sommerferien bei Benjamin im Zoo verleben darf, Zora Zack und ihren Gehilfen langsam auf die Schliche....


Gleich vorweg: An der grausigen digitalen Technik hat sich leider nichts gebessert. Man gewöhnt sich zwar dran, aber es gibt so einige Stellen, bei denen man sich kaum auf den Inhalt konzentrieren kann, weil man nur kopfschüttelnd auf diese „Effekte“ schaut. Das geht so weit, dass sich die Positionen der Figuren und die räumliche Geometrie teilweise beissen und dadurch eine total unnatürliche Optik entsteht.


Mit den Schauspielern hatte ich oft meine Probleme. Aber wenn ich in der Retrospektive nach und nach die Figuren durchgehe, fällt mein Fazit gar nicht mal so schlecht aus. Benjamin wurde natürlich komplett durchanimiert. Das hätte man vielleicht noch etwas liebevoller machen können – aber alles in allem ist das Ergebnis in Ordnung.

Otto zu besetzen ist wohl das schwierigste Unterfangen bei so einem Projekt. Deswegen möchte ich hier auch nicht so kritisch sein und kann auch hier unterm Strich ein positives Urteil aussprechen. Gespielt wird er von Manuel Santos Gelke (bekannt durch den neuen „TKKG“-Film) und er macht seine Sache wirklich gut.

Bei Dieter Hallervorden hatte ich ja erst gedacht, dass er für Herrn Tierlieb vorgesehen ist. Stattdessen schlüpft er in die Rolle eines verrückten Professors mit Geheimdetektiv-Vergangenheit. Das macht er herrlich skurril und liebevoll. So wie es nur Hallervorden kann. Für die älteren Zuschauer ist es außerdem ganz witzig den jungen „Didi“ auf alten Fotos zu sehen, die er als Erinnerung an seine Geheimdienst-Zeit an seiner Wand hängen hat.

Ebenfalls grandios ist Friedrich von Thun als Herr Tierlieb. Die liebenswerte Art und die Naivität die Herr Tierlieb auch schon bei den Hörspielen an den Tag gelegt hat, transportiert Friedrich von Thun mit Bravur auf die große Leinwand. Aber mit Einschränkungen: Alles in allem wirkt er dann doch etwas energie-und kratflos. Während Herr Tierleb in den Hörspielen auch viel poltern und schimpfen kann, wirkt von Thun als Herr Tierlieb eher wie ein kraftloser Greis, dem aber wirklich alles über den Kopf gewachsen ist.

Karla Koluma wird von Liane Forestiere gespielt und sie macht das ganz gut, aber sie wirkt im Vergleich zur Vorlage zu jung und noch viel zu zurückhaltend. Trotzdem hatte ich den Eindruck eine Karla Koluma vor mir zu haben. Das Überdrehte, was das Markenzeichen von Kolumna ist, spürt man jedoch kaum und das habe ich rückblickend schon sehr vermisst.

Tierwärter Karl gefiel mir sehr gut. In dem Fall war es sogar ein singender Tierwärter. Aber auch er wird der Vorlage nicht ganz gerecht, was aber zu verzeihen ist. Denn schließlich ist das ein eigenständiger Film. Während er in den Hörspielen bzw. in meiner Phantasie nicht mehr ganz so jung ist, war er hier sehr jung und ein absoluter Sonnyboy. Aber Geschenkt. Das ist absolut in Ordnung.

Vorab übel aufgestoßen war mir, dass Uwe Ochsenknecht mitspielt, den ich nicht sonderlich mag und der zu der Riege Schauspieler gehört, die deutsche Filme für mich eher unattraktiv machen. Jedoch hat er dann doch wieder gepasst, denn einen Schauspieler, den ich nicht so mag, einen Antagonisten spielen zu lassen, nämlich den Bürgermeister, passt ja dann doch ganz gut zusammen. Und das hat er auch gut gemacht, er füllt die Figur und alles was dazu gehört gut aus, auch wenn das natürlich kein Vergleich ist zum Original.

Wen ich noch erwähnen muss ist Alexander Schubert als Pichler. Der Pichler ist bei den Hörspielen schon einer der genialsten Figuren der Geschichte. Und ich musste mich zurück halten, nicht laut los zu grölen, als Pichler das erste Mal auf der Leinwand zu sehen war. Er wurde optisch und auch vom Spiel hervorragend interpretiert. Es ist zwar nicht ganz genau „mein Pichler“, wie ich ihn mir vorstelle bzw. wie ich ihn kenne, aber das ist die Figur die am besten filmisch umgesetzt wurde. Schade, dass Pichler in nur wenigen Szenen zu sehen war. Allgemein waren die kurzen Rathaus-Szenen sehr lustig.

Die Bösewichter bestanden aus Heike Makatsch als Zora Zack sowie aus Max von Thun und Johannes Suhm als ihre Handlanger. Und diese Figuren sind viel zu sehr überzeichnet. Klar, es ist ein Kinderfilm. Aber weniger ist meist mehr (gerade bei Kinderfilmen!) und wenn es zu gewollt albern inszeniert wird, dann verfliegt der Witz ganz schnell. Gerade weil der feine Witz die Geschichten um Benjamin Blümchen eigentlich ausgemacht haben.


Und da sind wir auch am nächsten großen Kritikpunkt: Es ist alles komplett auf modern getrimmt. Während die alten Geschichten um Benjamin Blümchen zeitlos waren und die modernen Elemente - mit Ausnahmen natürlich – meist eher als Fremdkörper für eine einzelne Geschichte oder einen einzelnen Aspekt (ich Erinnere an Karla Kolumnas „Taschentelefon“ - inklusive Wählscheibe! - in der Wünschelrutenfolge) mit eingebaut wurden, bestimmt die moderne Technik und auch modernes Vokabular den kompletten Film. Und das macht vieles Kaputt. Natürlich kann man moderne und heute alltägliche Dinge wie eben ein Mobiltelefon ganz selbstverständlich in einen solchen Film vorkommen lassen, aber hier wurde das für meinen Geschmack sehr übertrieben. Was aber seit mindestens 15 Jahren im kompletten deutschen Kinderfilm-Genre so stattfindet – außer man lässt es in Einzelfällen wirklich bewusst weg oder minimiert es, weil man ein zeitloses Werk schaffen möchte. Immerhin hat Benjamin Blümchen in dem Film nicht gerappt.


Dafür gab es vom Tierwärter Karl musikalische Darbietungen. Und die haben mich begeistert. Denn gleich zweimal hat man das originale alte Benjamin-Blümchen-Lied („Auf ner schönen grünen Wiese...“) erklingen lassen. Am Ende dann natürlich das 90er Jahre-Lied und im Abspann ein komplett neues Lied – diesmal als Rap – aber präsentiert von niemand Geringeren als Bürger Lars Dietrich. Und der darf Rappen! Dietrich hat bereits schon einige Lieder zu Kindergeschichten gesungen, u.a. ein Löwenzahn-Lied oder (was ich mir gerade erst angelesen habe) zu „Spongebob“ und Ottos „Ottifanten“.


Abschließend bleibt zu sagen, dass die Riege an Schauspielern gut ausgewählt wurde. Neben den oben erwähnten Künstlern in der Einzelbewertung gab es noch einen Gastauftritt von Ralph Ruthe (den ich erst im Abspann gelesen habe). Außerdem haben Annette Frier und Siegfried Terpoorten die Eltern von Otto gespielt, die aber meist nur über sein Handy zu sehen waren.


Die Geschichte des Films ist nichts Neues, beinhaltet wenig Überraschungen, aber einzelne Figuren wie die des verrückten Professors sorgen für Abwechslung und für Unterhaltung für Groß und Klein. Gerade für die Erwachsenen hat man ein paar kleine Gags mit eingebaut (wie es schon bei den Hörspielen der Fall war) und das macht das Ganze charmant und zeigt, dass sich die Macher mit dem Stoff beschäftigt haben. So beispielsweise auch, wenn Zora Zack Benjamin Blümchen von seiner neuen Bekleidung überzeugen möchte, in dem sie ihn versichert, dass es „stattlich“ und nicht „dick“ ausschaut.


Aus diesem Grund möchte ich bei diesem Duktus bleiben und möchte den Film – mit viel guten Willen – eine stattliche Bewertung verpassen, nämlich 6 von 10 möglichen Punkten. Eher an der 5 als an der 7. Aber es gibt einfach zuviele positive Aspekte die man trotz der teilweise gravierenden Kritikpunkte nennen muss. Außerdem möchte ich bei der Bewertung mit einfließen lassen, dass es ein Kinderfilm ist und ich einfach zu sehr vorbelastet bin. Wäre ich streng, wären wir sicher nur bei 3 oder eher 4 von 10 Punkten gelandet. Meinen Kindern und auch den anderen Kindern im Saal – soweit ich das beurteilen kann – hats gefallen. Luft nach oben gibt es gewaltig. Aber ein paar schöne Aspekte in Buch und Produktion reissen den Film etwas raus, letztenendes aber großartige Einzelleistungen, beispielsweise von Dieter Hallervorden und Alexander Schubert.


Über weitere Filme würde ich mich freuen, aber dann bitte weiter das stärken, was in diesem Film gute bis sehr gute Ansätze hatte und unbedingt mehr in die Tricktechnik investieren – oder vielleicht mehr real drehen und die Tricktechnik nur dort einsetzen, wo sie tatsächlich auch nötig ist (bei Benjamin). Dann wäre ich auch optimistisch was den internationalen Erfolg angeht.


Wertung: 6 von 10 Punkten
Autor: Sebastian Kuboth


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Kommentare

  • Wir haben den Film bisher noch nicht gesehen! Mein Sohn will es zwar, aber er hält noch keine 90 Minuten durch. Ich habe aber den Trailer auch als sehr fremd empfunden! Da ist nicht mehr der Elefant von den Hörspielen! Das gleiche habe ich bei den Bibi Kino-Filmen auch schon gedacht. Die Bibi und Tina Filme hab ich bis heute boykottiert! Mich stört das man zwar das Original-Titellied hört aber Jürgen Kluckert spricht. Und irgendwie passt das da nicht rein!

  • Ich unterschreibe viele deiner Punkte. Dass Benjamin quasi immer ein bisschen als Fremdkörper wirkt und man schlichtweg sieht, dass vor dem Green Screen gedreht wurde, stört schon massiv. Dafür wurden andere Punkte wirklich ganz nett umgesetzt. Auch wenn für mich Wärter Karl immer wesentlich älter war als in dem Film nun dargestellt, ist die Figur auch im Film sehr charmant und lockert das Ganze auf.