Beiträge von Fräulein G.

    Hallo zusammen,


    Die Premiere hat nicht 2 Jahre später stattgefunden, sondern am 23.09.1937 im Berliner Capitol am Zoo.
    Ich hab hier sowohl die Berliner Morgenpost als auch den Berliner Lokalanzeiger (Morgenausgabe) vom Folgetag, wo die Premiere besprochen wird:

    »Um das Ende vorwegzunehmen sei gesagt, dass es ein so lauter und herzlicher Erfolg wurde, dass sich die beiden famosen Jungen, die die Hauptrolle spielten, immer wieder mit feierlich-strahlenden Gesichtern verbeugten. Mit diesem Erfolg bestätigten sich die Zuschauer selbst ihren guten Geschmack, ihre Anerkennung für eine sowohl vom Stoff wie von der Gestaltung her feine und kultivierte Filmarbeit.«

    Ich war übrigens glücklich beim Ticketkauf - war heute nachmittag in "Abwege" und morgen dann nochmal "Die Carmen von St. Pauli". :)


    "Abwege" ist ja wunderschön restauriert worden. Ich bin, außer beim Thema Willy Fritsch, nicht unbedingt so fit und bewandert beim Thema Stummfilm und kannte schon eine Version. Das, was ich heute gesehen habe, war einen Tick anders. Andere Zwischentitel und klare Farbtöne. Also, nicht Farbtöne im Sinne von Farbe, aber halt eingetönt.Auf jeden Fall bleibt zu hoffen, dass er mal auf DVD erscheint.
    Und der Pianist war top: Richard Siedhoff.

    Die musikalische Begleitung erfolgt nur per Klavier.
    Ich bin aber auch sehr gespannt und hoffe auf Glück beim Kartenkauf. Das ist ja in der Tat immer ein Glücksspiel,weil es die Tickets immer erst 3 Tage im voraus gibt und dann der Server oft überlaufen ist. Wohl dem, der eine durchsetzungsfähige Internetverbindung hat...

    Reisen nach Berlin lohnen sich in den nächsten 2 Wochen besonders, denn die Sektion Retrospektive der Berlinale beschäftigt sich in diesem Jahr mit noch unentdeckten Perlen des Weimarer Kinos:
    https://www.berlinale.de/de/da…/retrospektive/index.html


    Was mich persönlich natürlich besonders freut, ist die Hervorhebung des Films „Die Carmen von St. Pauli“ mit Jenny Jugo und Willy Fritsch in verschiedenen Medien, u.a. hier im Berliner Tagesspiegel: https://www.berlinale.de/de/da…/retrospektive/index.html


    Mal so zur Info :D

    Danke, Austernprinzessin. Das ist in der Tat ja doch einiges. Ich hatte vor einiger Zeit mal gesucht, aber komischerweise nichts gefunden. Wobei ich nach dem Lebenslauf gesucht hatte und nicht nach Büchern. Also quasi nur bis zur nächsten Ecke gedacht ;)
    Aber dann hat er den Krieg ja offenbar doch überlebt bzw.war offenbar auch noch bei einer Zeitung tätig - nur halt nicht mehr bei der Filmwoche.

    Kann es sein, dass ich den Film falsch in Erinnerung habe?


    Das weiß ich nicht, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.


    Klar ist „Wiener Blut“ auch „nur“ ein Unterhaltungsfilm, aber er knüpft für meinen Begriff auf gewisse Weise angenehm an das spritzige Kino der Weimarer Republik an, hat wunderbare Dialoge und setzt bei genauem Hinhören auch bestimmte Akzente, die 1942 sehr mutig waren. So lässt der österreichische Regisseur Willy Forst seinen Darsteller des Fürsten Metternich an einer Stelle sarkastisch sagen: „Aber, aber. Europa ergibt sich seinem Schicksal doch freudig und hoffnungsvoll“, was man aus der Situation heraus durchaus als Anspielung auf die aktuellen Verhältnisse deuten kann (als der Film gedreht wurde, stand das Dritte Reich auf dem Gipfel seiner Ausdehnung bis zum Kaukasus), ferner ist stets von „reußischen Verhältnissen“ die Rede (eine Anspielung auf Preußen), und Willy Fritsch in seiner Rolle als Graf Wolkersheim von Reuß-Schleiz-Greiz ist hier sicher auch nicht zufällig besetzt, denn seine Rolle ähnelt in bestimmten Szenen bis hin zur Uniform doch sehr an die aus „Der Kongress tanzt“ von 1931. Parallel dazu wird der Fürst Metternich von Ernst Fürbringer dargestellt, der so detailgetreu hergerichtet ist, dass er als glatte Kopie von Conrad Veidt in dieser Rolle 1931 durchgehen könnte. Dialoge wie „Der Kongress tagt nicht - er tanzt!“ sind ebenfalls identisch mit dem 1931er-Film.
    Deshalb mag ich den Film, weil er so intelligent ist. Außerdem spielt Willy Fritsch fantastisch darin, absolut auf Augenhöhe mit Hans Moser und Theo Lingen, so dass man merkt, was für ein guter Komödienspieler er eigentlich war und sonst teilweise völlig unter Wert besetzt wurde.


    Willy Forst und Willy Fritsch waren seit den Zwanziger Jahren locker befreundet und sind in denselben Lokalitäten verkehrt (u.a. im Restaurant „Mutzbauer“ in Berlin). Bei der Arbeit hat Forst Fritsch ja dann 1932 bei „Ein blonder Traum“ kennengelernt. Er wollte Fritsch 1938 auch für seinen Film „Bel Ami“ schon besetzen, das hat aber zeitlich nicht geklappt. Ab 1941 hat er Fritsch dann für drei Filme nach Wien geholt und u.a. dann auch selber „Wiener Blut“ mit ihm gemacht.


    Goebbels jedenfalls fand „Wiener Blut“ damals trotz aller Anspielungen angeblich so gut gemacht, dass er gekocht haben soll vor Wut und neidisch die Frage aufgeworfen haben soll, warum die Berliner nicht in der Lage seien, so einen Film über Berlin zu machen wie Forst über Wien gemacht hat.

    Ich kenne den Film. Ist aber leider nicht unbedingt ein Highlight in Fritschs Filmkarriere. So ein typisches liebes-folgsames-Mädel-lässt-sich-vom-weitgereisten-Geschäftsmann-die-Welt-erklären-Drama.
    Ab 1940/1941 hat man Willy Fritsch ja leider öfter mal auch in B-Filmen besetzt, also harmlosen Filmchen, von wenigen Ausnahmen wie „Wiener Blut“, „Dreimal Hochzeit“ und „Die Fledermaus“ mal abgesehen. Darunter fällt dann auch „Die unvollkommene Liebe“. Der Film war damals durchschnittlich erfolgreich und ist deshalb ja auch weder positiv noch negativ in die Annalen der Filmgeschichte eingegangen.
    Gisela Uhlen war damals allerdings der aufstrebende Stern, und sie gewissermaßen im Stil der Zeit still leidend in dem Film in Szene zu setzen, ist aber gelungen.

    Der Klassiker für Fans ist natürlich Paul Ickes' Conrad Veidt. - Ein Buch vom Wesen und Werden eines Künstlers. (Berlin, 1927). Das Büchlein ist 141 Seiten stark und selbstverständlich nur antiquarisch zu bekommen, und man muss schon einiges hinlegen.


    Wo ich‘s grad lese - weiß eigentlich jemand etwas über das Schicksal von Paul Ickes? Er war ja bis Anfang 1933 der Herausgeber und Schriftleiter des Magazins „Filmwoche“ und eine richtige Berliner Kapazität. Hat die Leitartikel geschrieben und die wichtigsten Interviews & Reportagen gemacht sowie eben die Filmbücher geschrieben. Ein Top-Filmjournalist, aber von jetzt auf gleich war er weg. Vermutlich von den Nazis abgesetzt, ebenso vermutlich wegen jüdischer Herkunft - aber komischerweise hat man dann nie wieder was von ihm gehört, also ob er zum Beispiel im Ausland Fuß gefasst hat oder ob ihm was zugestoßen ist. Das ist doch eigentlich merkwürdig für jemanden, der in der Weimarer Filmwelt so wichtig war.

    @FräuleinG
    Gabs eigentlich schon persönliche Begegnungen mit anderen UFA-Schauspieler-Biografen? Kennt man sich? :)


    Begegnungen nicht, aber mit einem habe ich gemailt. Dessen Biografie führe ich auch gleich als erstes an, und zwar


    Rüdiger Petersen: "Donnerwetter, was fehlt denn da? Paul Dahlke - Die Biografie"


    Ansonsten fallen mir als Ergänzung zu den oben genannten spontan noch die Biografien ein, die ich alle überwiegend für mein WF-Buch gelesen habe, und das waren:


    Gustav Fröhlich. Waren das Zeiten. Mein Film-Heldenleben.


    Camilla Horn. Verliebt in die Liebe. Erinnerungen.


    Paul Hörbiger. Ich hab für euch gespielt.


    Carola Höhn. Fange nie an aufzuhören – Erinnerungen


    Lil Dagover. Ich war die Dame.


    Gerhard Bienert. Ein Leben in tausend Rollen


    Lida Baarova. Die süße Bitterkeit meines Lebens


    Die Lilian Harvey-Story. Das süßeste Mädel der Welt von Hans Borgelt
    Lilian Harvey von Christiane Harbich
    Lilian Harvey - Wirf weg, damit du nicht verlierst von Uwe Klöckner-Draga


    Renate Müller. Ihr Leben, ein Drahtseilakt von Uwe Klöckner-Draga


    Sybille Schmitz. Schöner als der Tod von Friedemann Beyer


    Max Ophüls. Spiel im Dasein.


    Heinrich George. Mensch aus Erde gemacht von Werner Maser
    Heinrich George. Ein Schauspielerleben von Berta Drews
    Heinrich George. Spiel am Abgrund von Kurt Fricke


    Johannes Heesters. Ich bin gottseidank nicht mehr jung
    Johannes Heesters. Auch hundert Jahre sind zu kurz. Die Erinnerungen
    Johannes Heesters. Es kommt auf die Sekunde an


    Paul Kemp. Blühendes Unkraut


    Karl Schönböck. Wie es war durch achtzig Jahr. Erinnerungen


    Willi Forst. Ein Filmstil aus Wien


    Olga Tschechowa. Meine Uhren gehen anders


    Hardy Krüger. Junge Unrast
    Hardy Krüger. Wanderjahre


    Hildegard Knef. Der geschenkte Gaul. Bericht aus einem Leben


    Gustaf Gründgens. Der Schauspieler und die Macht von Peter Michalzik


    Ilse Werner. So wird's nie wieder sein. Ein Leben mit Pfiff


    Viktor De Kowa. Als ich noch Prinz war von Arkadien


    Brigitte Horney. So oder so ist das Leben


    Hans Söhnker. Und kein Tag zuviel


    Axel von Ambesser. Schauspieler fasst man nicht an! von Gwendolyn von Ambesser


    Willi Forst von Robert Dachs


    Trude Hesterberg. Was ich noch sagen wollte


    Marlene Dietrich. Einsame Klasse von Eva Gesine Bauer


    Karl-Ludwig Diehl von Robert Volz


    Ludwig Berger. Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind. Summe eines Lebens


    Géza von Cziffra. Es war eine rauschende Ballnacht. Eine Sittengeschichte des deutschen Films


    Geza von Bolvary. Kauf dir einen bunten Luftballon


    Werner Richard Heymann. Liebling, mein Herz lässt dich grüßen


    Norbert Schultze. Mit dir: Lili Marleen. Die Lebenserinnerungen des Komponisten Norbert Schultze


    Erich Kettelhut. Der Schatten des Architekten


    Erich Pommer. Ein Produzent macht Filmgeschichte von Wolfgang Jacobsen


    Und so. :D

    Zeigen Arte und 3SAT viele Filme aus den Jahren vor 1945? Und haben die einen bestimmten Sendeplatz?
    Ich fürchte ich habe mir da wohl einiges durch die Lappen gehen lassen...


    Naja, im vergangenen Jahr halt, wegen des Ufa-Jubiläums. Und eine Zeitlang liefen doch immer am Dienstag- oder Donnerstagabend Stummfilme. Aber ist, zugegeben, schon eine Weile her, 2-3 Jahre vielleicht.
    Auch Arte schiebt halt immer mehr ins Internet: http://cinema.arte.tv/de/dossi…terwerke-des-stummfilms-0


    Überraschungen kommen auch dort jedenfalls nicht. Eher hast Du schon die DVD im Schrank :D

    In diesem Forum hier beschweren sich viele Nutzer immer wieder zurecht, dass im Fernsehen nur wenige alte deutsche Filme gezeigt werden und dann auch immer die gleichen. Was richtig und ärgerlich ist. Dennoch denke ich mir immer (wahrscheinlich habe ich es schon geschrieben): Lieber immer die selben und auch besseren, als gar keine - denn so kann man weiterhin das Interesse an den alten deutschen Filme wecken.


    Zu diesem Thema hat vor ca. 1 Jahr ein Redakteur von TV-Spielfilm einen interessanten Abriss geschrieben, der hier irgendwo im Forum, glaube ich, schon mal diskutiert wurde damals, aber man kann ihn nicht oft genug posten, denn er bleibt ja aktuell. Es ist eher noch schlimmer geworden: HIER.



    Ich hatte ja eigentlich auch gehofft, dass durch das Ufa-Jubiläum mal mehr Filme prominenter in den Programmen vertreten sein würden, aber leider lief es wieder nur in den üblichen Schienen: bei Arte, bei 3SAT und teilweise RBB und MDR sonntags, wenn noch keiner wach ist. In meinem Freundeskreis meinten jedenfalls alle, wenn das bei mir privat mit Willy Fritsch nicht gewesen wäre, wäre das Ufa-Jubiläum komplett an ihnen vorbeigegangen. Ich finde ja auch, dass das Ufafilm.de-Portal in der Vermarktung voll hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt leider. Davon wissen teilweise nicht mal Leute, die sich wirklich für die Materie interessieren, hab ich festgestellt.


    Ahhhh, ich freue mich wirklich sehr, dass endlich wieder Junge nachkommen die sich für den guten alten deutschen Film interessieren und die ein bisschen gegen den heutigen Massenverblödungs-Trend, der im TV, Kino und Internet geboten wird, schwimmen.


    Ja, das geht mir genauso! Und dazu passt dieser Beitrag des Jugendradio-Senders Ego FM HIER.Dass man nämlich junge Leute mit der richtige Ansprache für alte Filme begeistern kann, habe ich im vergangenen Jahr gemerkt, als ich eine Lesung plus Filmvorführung in München hatte.
    Ein Redakteur des Senders hatte die Abschlussprüfung an der Uni zum Thema "Das Kino der Weimarer Republik" und meinte, er wolle unbedingt einen Beitrag zu Willy Fritsch machen, weil er das Thema so interessant findet. Wie man in dem Beitrag hört, hat sich die Moderatorin dann voll einen abgebrochen, um das Thema zu erklären und die Hörer dafür zu begeistern anzurufen, um Tickets für die Filmvorführungen und die Lesung zu gewinnen.Schließlich kennt in der Altersgruppe 15-25 Jahre, die der Sender abdeckt, keiner mehr Willy Fritsch. Das war so liebenswert, mir ist echt das Herz aufgegangen.


    Jedenfalls saßen dann abends auch welche im Kino, die waren höchstens 25 und haben sich insbesondere beim Film "Glückskinder" gekugelt vor Lachen! Einige Redakteure des Senders waren auch da, ebenfalls maximal 30 Jahre alt, und die waren ebenfalls ganz begeistert nach der Vorstellung und fragten, welche Filme ich denn noch so empfehlen könne, sie hätten gar nicht gedacht, dass das so gute Komödien sind ("Die Drei von der Tankstelle" war der andere gezeigte Film), bisher kannten sie maximal "Metropolis" und "Die Feuerzangenbowle", aber was anderes war ihnen noch nicht untergekommen. Auf dem Gebiet könnte man also noch ganz viel machen, aber leider bewegt es sich immer in denselben Stichwort-Grenzen: Metropolis, Fritz Lang, Caligari, Der Blaue Engel und die Feuerzangenbowle. Mehr wird nicht mehr überliefert.


    Von daher, Nostalgie Fan: großartig, dass Du so früh dabei bist! Schau Dir "Glückskinder" an, Du wirst den Film lieben!!


    Meine anderen Willy Fritsch-Tipps sind ja auch immer noch "Das Mädchen von gestern Nacht" - ein schwer unterschätzter und lange in der Schublade verwahrter Film, vermutlich, weil der Regisseur ein überzeugter Nazi war, was mit dem Film aber nichts zu tun hat. Das ist eine Komödie à la "Glückskinder" und "Sieben Ohrfeigen", nur die Dialoge nicht so schlau wie die von Curt Goetz natürlich, aber dennoch unglaublich witzig. Und dann natürlich "Der kleine Grenzverkehr" nach Erich Kästner. Sehr, sehr empfehlenswert! Leider beide nicht offiziell im Handel erhältlich, was sehr schade ist!

    Wie war das eigentlich nach dem Tod von Dinah Grace? Ich habe mal gelesen, dass er den nie verwinden konnte. Stimmt das tatsächlich, oder ist das doch eine Verkürzung?

    Das hat er tatsächlich nie verwunden, und auch gleich in mehrfacher Hinsicht nicht. Zum einen natürlich emotional nicht, denn immerhin waren sie fast 30 Jahre insgesamt zusammen, zwar mit Höhen und Tiefen, aber eben zusammen, und zum anderen hatte es dann auch berufliche Folgen.
    Willy Fritsch war ja privat ein sehr lethargischer Mensch, hat gern und viel im Bett gelegen oder auf der Terrasse ein Buch gelesen usw. Er war von Beginn seiner Karriere an immer dran gewöhnt, dass sich jemand um seine Jobs kümmert. Durch die frühe Ufa-Festanstellung war er ja auch immer mit Engagements versorgt, und nach dem Krieg hat sich das durch alte Seilschaften auch erstmal noch automatisch so fortgesetzt. Ab Anfang der 1950er Jahre hat sich seine Frau dann um seine Engagements gekümmert, teilweise für ihn ausgewählt usw. Als sie dann krank wurde, konnte sie nicht mehr so, und würde man ein Diagramm zeichnen, könnte man sehen, dass je kränker sie wurde, desto weniger war Fritsch im Film tätig. In ihren letzten beiden Lebensjahren hat er dann gar nicht mehr gefilmt. Nach ihrem Tod war er wie paralysiert. Hat sich noch ein paar Mal rauslocken lassen von seinem Sohn oder alten Freunden bzw. ist aus Anstand bei den Preisverleihungen erschienen, aber hat auch einfach dann das Interesse verloren.
    Er hat das zum Schluss ja sehr realistisch gesehen. Seine Zeit war einfach vorbei. Er war auf eine bestimmte Schiene festgelegt, und es wäre irgendwann lächerlich gewesen, wenn er mit 65 immer noch so agiert hätte. In Interviews hat er oft bedauert, dass er „nichts vernünftiges“ mehr angeboten bekommt. Er hätte bestimmt gern noch ab und zu gespielt, aber eben nicht mehr das übliche Klischee. Aber was anderes hat man ihm wohl nicht zugetraut. So wie er eben doch als Schauspieler lebenslang unterschätzt wurde, aber natürlich selber auch den Fehler gemacht hat, immer zu spielen, was von ihm verlangt wurde.
    Wie gut er als älterer Herr hätte sein können, sieht man sowohl in „Weg in die Vergangenheit“ (alkoholisierter Rennfahrer) als auch in „Mit Eva fing die Sünde an“ (Kabarettstückchen) sowie in Komödien mit auf ihn zugeschnittenem Drehbuch wie „Was macht Papa denn in Italien“. Aber man hat ihn dann irgendwann als Relikt der alten Zeit gesehdn und als „Fachmann“ für diese Zeit gern interviewt, aber nicht mehr engagiert.


    Es ist interessant , dass du Fritz Lang erwähnst. An den hatte ich auch schon mal gedacht. Gerade in den Anfangsszenen von Spione finde ich ihn herrlich. Nachdem du den Film zuerst nicht genannt hattest in der Aufzählung von Filmen, die er positiv erwähnt hat, hatte ich gedacht, dass er den später abgehakt hatte. Aber dann stimmt das doch nicht?

    Nein, abgehakt hatte er die Filme nicht und war im Gegenteil sehr stolz drauf. Aber explizit als „Lieblingsfilme“ hat er sie nicht genannt, wahrscheinlich, weil er auch unangenehme Erinnerungen an die Dreharbeiten hatte. Hinter den Kulissen war ja ganz schön Stress. Er hat sich zwar Ende der 1950er wieder mit Fritz Lang getroffen, was wohl auch recht harmonisch war, aber im großen und ganzen hat ihn die Atmosphäre am Set sicher genervt, und sowas spielt ja dann immer mit rein.

    Dass ich "Sieben Ohrfeigen" geschaut habe, ist schon ne weile her, aber ich meine, dass da Fritsch viel mehr der Platzhirsch ist und Harvey eben mehr am Rande agiert


    Ja, das erinnerst Du richtig. Sieben Ohrfeigen ist der einzige Film, wo es nicht so ist bzw. nicht so stark ausgeprägt. In den restlichen 10 Tonfilmen ist er immer Stichwortgeber, und daher rührt auch das Vorurteil, er sei kein guter Schauspieler gewesen. Nur ist er eben neben Harvey aufgrund des Drehbuchs schlicht verblasst. In anderen Liebeskomödien mit Käthe von Nagy oder Renate Müller ist das anders. Dort agieren beide Hauptdarsteller gleichwertig und Fritsch‘s Spieltalent kommt besser zur Geltung. Und in den Komödien ohne weiblichen Counterpart sowieso.


    Interessant ist halt auch, was aus Fritsch geworden wäre, wenn ihn die Ufa nicht mit Harvey kombiniert hätte. Ende der Zwanziger war er ja, nach einer Flaute von einigen B-Filmen, eigentlich wieder auf einem recht guten Weg im Hinblick auch auf anspruchsvollere Filme. 2x Fritz Lang, die Carmen von St. Pauli und - trotz Liebesschnulze - hier auch genannt: Ungarische Rhapsodie, weil: gut gespielte Liebesschnulze.
    Fritsch sollte z.B. ja auch 1928 in Die wunderbare Lüge der Nina Petrowna spielen, wurde dann aber spontan durch Franz Lederer ersetzt, weil man ihn zum einen nicht schon wieder in eine Uniform stecken wollte (damals war es auch in der Presse ein großes Thema, warum Fritsch dauernd Uniformrollen spielen muß), und zum anderen hatte die Ufa endlich Lilian Harvey unter Vertrag nehmen können und wollte sie pushen. Also stellte man ihr, wie schon einmal bei Eichberg 1926, Fritsch zur Seite in Ihr dunkler Punkt. Weil das gut geklappt hat und sie ja auch privat gerade zusammen waren damals, war das Schicksal der beiden dann erstmal besiegelt. In einem Interview hat Fritsch später mal bedauert, dass er Petrowna nicht spielen konnte. Neulich hab ich mir den Film mal wieder angesehen. Inhaltlich ist er zwar nicht gerade hochgradig anspruchsvoll, aber wenn man sich Fritsch in der Rolle von Lederer dabei vorstellt, merkt man schon, dass diese Rolle ihn hätte erneut voranbringen können, denn ein Drama hatte er damals ja noch nicht in seiner Filmografie. Auch wenn er am Ende aber natürlich trotzdem besser in Komödien gepasst hat als in Dramen. ;)


    Man könnte sich auch mal die Namen der emigrierten Filmschaffenden ansehen (wobei die auch zu unterschiedlicen Zeiten emigriert sind) und sich anschauen, wann sie ihre letzten wichtigen Filme gedreht hatten und ob das überhaupt aufgefallen sein kann, dass sie emigriert sind.


    Wenn man sich die „Leserbriefkästen“ der einzelnen Filmzeitschriften in den Jahren 1933-1936 durchliest, sieht man, dass es den Filmfans damals sehr wohl aufgefallen ist, dass „jemand fehlte“. Bezeichnenderweise sind das tatsächlich oft Namen, die dem durchschnittlich Filminteressierten heute so gut wie nichts mehr sagen, und man kann jetzt mutmaßen, ob das „am Fluss“ lag oder ob ihnen schlicht das Dritte Reich die Karriere versaut hat.
    Es fallen sehr oft Namen wie Franz Lederer, Franziska Gaal, Gitta Alpar oder Dolly Haas, wo man jetzt fragen kann: was haben die denn für tolle Filme gedreht, dass man sie damals vermissen konnte. Aber auch diese Wahrnehmung ist ja zeitgenössisch. Wir beurteilen heute, was vermeintlich gute Filme und Darsteller waren und wessen Fehlen es wert war zu bemerken oder auch nicht, aber die Leute damals haben das vielleicht ganz anders gesehen.
    Da gab es aufkommende Stars, und plötzlich waren die weg. Damit meine ich nicht notwendigerweise sofort die Emigration, sondern erstmal nur das Verschwinden dieser Stars von der Bildfläche, weil sie nicht mehr filmen durften. Die Filmzeitschriften sind anfangs sogar noch recht ehrlich und beantworten die Nachfragen interessanterweise mit (1933) der Adresse der entsprechenden Darsteller in Deutschland, England oder Übersee, (1934) mit dem Ausdruck „filmt nicht mehr in Deutschland“ oder verschwurbelt „denke nicht, dass dieser Film in Deutschland noch zur Aufführung kommt“ oder aber ab 1935: „ist Nicht-Arier“. Ab 1936 tauchen die Namen nicht mehr auf, wobei man auch hier nicht weiß: wurde nicht mehr gefragt oder wurde es schlicht nicht abgedruckt?


    Ich sehe es wie sisterandi: man weiß nicht, welchen Verlauf bestimmte Karrieren genommen hätten, wenn man ihnen die Chance gelassen hätte.


    Und ohne Otto Wallburg und Kurt Gerron zu nahe zu treten: Komiker von Weltrang waren sie definitiv keine. Exportiert wurden sie genausowenig wie andere deutsche Komiker.


    Ich denke, auch das ist eine zeitabhängige Diskussion. Der eine lacht über Laurel & Hardy, der andere über Siegfried Arno & Kurt Gerron. Letztere verkörperten den deutschen Humor wie er damals angesagt war, und wer weiß, wie wichtig diese Komiker heute wären, wenn es nicht so gekommen wäre wie es gekommen ist. Vielleicht wären sie ja mit dem Fluss geschwommen und irgendwann so gut gewesen, dass man sie synchronisiert hätte. Wobei natürlich Humor insgesamt sehr spezifisch ist.


    Otto Wallburg ist meiner Meinung nach ein heute sehr unterschätzter, aber damals doch überaus beliebter Star, was durch sein späteres Schicksal immer ein bißchen in den Hintergrund tritt. Bis 1935 wird auch nach ihm von den Fans noch wirklich überdurchschnittlich oft gefragt. Zunächst gehen die Zeitschriften darauf ein, nach einer bestimmten Zeit antworten sie mit Code, also dass man rauslesen kann, dass der entsprechende Leser wohl nach ihm gefragt hat, und irgendwann wird es zumindest der „Filmwoche“ - dort hab ich‘s nämlich gelesen - zu bunt, und sie beantwortet eine Zuschrift sinngemäß damit, was man denn noch mit diesem „ollen“ Schauspieler, zumal „Nicht-Arier“, wolle, denn es gäbe doch mittlerweile wirklich genug Ersatz. Und mit solchen Äußerungen ist dann auch gleichzeitig bewiesen, dass man damals schon irgendwie einen „Schnitt“ bemerkt hat und es 2-3 Jahre dauerte, bis neue gute Darsteller nachgewachsen waren.


    Weder Gerron noch Wallburg konnten übrigens besonders gut englisch und hatten auch deshalb Scheu vor der Emigration in die USA. Deshalb hätte man sie auch mit gutem Willen kaum „exportieren“ können.
    Versucht mal, einen Witz in eine Fremdsprache zu übersetzen. Das klappt in den meisten Fällen nicht.