Beiträge von Austernprinzessin

    @ Fräulein G:
    Die These "Hätte, wäre, könnte" als nicht historisch relevant zu nehmen, habe ich vertreten. Sollte sisterandi dies auch gesagt haben, wären wir an diesem Punkt sogar einer Meinung.


    Zu dem ersten Punkt, den du nennst, möchte ich sagen: Wahrscheinlich müsste man da tatsächlich die einzelnen Namen durchgehen. Mir ging es hier um angeblich unersetzbare Leute, die nicht mehr auftauchten und dem deutschen Film irreparablen Schaden zufügten. Ins Schlingern geraten ist der deutsche Film durch die Exilanten mit Sicherheit nicht. Du nennst ja auch eine Zeitspanne, die sich über mehrere Jahre hinzog. Also etwas, auf das man sich einstellen konnte.
    Dass die Namen ab 1936 nicht mehr auftauchten, könnte seinen Grund auch darin haben, was Harald Welzer anmerkt: Diesen tiefen Einschnitt gab es nicht, aber einen zunehmenden Antisemitismus, der von den Nationalsozialisten forciert wurde und der sich unter den Deutschen verbreitete, also einen entsprechenden Zeitgeist. Vielleicht müsste man hier noch Antikommunismus oder anderes erwähnen, aber das wäre ein anderes Thema.


    Zum zweiten Punkt, Otto Wallburg. Ich glaube, das können wir so stehen lassen. Du sagst ja selber, dass das persönliche Vorlieben sind. Eine Ergänzung noch: Eine These, die sich hartnäckig hält, ist, dass die Nazis alle guten Komiker vertrieben hätten. Und das stimmt definitiv nicht. Und exportiert wurden deutsche Komödien nicht, auch nicht die von Ernst Lubitsch. Dagegen waren Laurel und Hardy international erfolgreich. Vor einigen Jahren hat das Filmmuseum München sogar eine deutsche Komödie von Laurel und Hardy auf DVD herausgebracht.

    Puh, das ist schon viel an Antworten. Aber das war ja auch genau der Punkt. Mir geht es darum, das Thema zu erarbeiten und zunächst einmal unabhängig von der politischen Brille zu betrachten. Deshalb habe ich auch parallel über das gleiche Thema mit Frank Noack diskutiert, der das Buch Veit Harlan - "Des Teufels Regisseur" bzw. vor ein paar Jahren Emil Jannings - der erste deutsche Filmstar geschrieben hat. Nachdem er auch Filmhistoriker ist, benutze ich ihn hier auch als Referenzquelle. Das nur vorweg. Ich werde aber nicht bei jeder Aussage darauf hinweisen, ob sie konkret von mir oder Frank Noack ist, nachdem wir weitgehend einer Meinung waren.


    Zunächst einmal vorweg: Die Diskussion geht hier vor allem um zwei Fragen. Ich habe den Verdacht, dass wir die ein wenig aus dem Blick verloren haben:


    These 1: Hitlers Machtergreifung war ein riesiger Einschnitt im deutschen Film, weil sich auf einen Schlag alles verändert hat.
    Antwort: Nein, sondern es war ein Prozess, der sich über mehrere Jahre hingezogen hat.
    Den Grund habe ich ja schon ausgeführt. Ich glaube, das können wir so stehenlassen. (Ich habe da auch keinen Widerspruch gefunden. Ich habe diesbezüglich ja auch schon auf Harald Welzer und Sönke Neitzel verwiesen.)


    These 2: Die Exilanten haben im deutschen Film Riesenlöcher hinterlassen, die dem Film in Deutschland so schwere Schäden hinterlassen haben, dass er diese nicht ausgleichen konnte und deshalb gewaltig an Niveau verloren hat. Er hätte vielleicht sogar Hollywood verdrängen können.
    Antwort: Nein. Die Filme haben sich verändert - vielleicht positiv - vielleicht negativ, aber das lag nicht an den Exilanten, sondern am Zeitgeist, der neuen Denkweise etc. Der deutsche Film konnte die Verluste sehr wohl verkraften, so wie er z.B. auch den Verlust von Ernst Lubitsch und F. W. Murnau in den 20er Jahren verkraften konnte, die beide in die USA gegangen sind.

    Wie war das eigentlich nach dem Tod von Dinah Grace? Ich habe mal gelesen, dass er den nie verwinden konnte. Stimmt das tatsächlich, oder ist das doch eine Verkürzung?


    Es ist interessant , dass du Fritz Lang erwähnst. An den hatte ich auch schon mal gedacht. Gerade in den Anfangsszenen von Spione finde ich ihn herrlich. Nachdem du den Film zuerst nicht genannt hattest in der Aufzählung von Filmen, die er positiv erwähnt hat, hatte ich gedacht, dass er den später abgehakt hatte. Aber dann stimmt das doch nicht?

    Und jedes Mal, wenn ich Rosi Barsony tanzen und singen sehe, werde ich daran erinnert, welch ein inadäquater Ersatz Marika Rökk für diese wunderbare ungarische Schauspielerin war...


    Diese Meinung darfst du auf alle Fälle haben. Die will ich überhaupt nicht bestreiten. Auch mir fehlen Schauspieler wie Conrad Veidt. Allerdings sind das eben private Vorlieben, die man nicht generalisieren kann. Bei jedem dieser Namen könnte uns jeder Filmfan ggf. Namen dagegensetzen und sagen "Schau mal, hier!", und in keinem Fall kann man sagen: Diese einzelnen Namen haben dem deutschen Film bei den Filmen, die gedreht wurden, künstlerisch Renomée gekostet.
    Keine von diesen Darstellerinnen waren richtige "Schwergewichte" (man beachte die Anführungsstriche ;) ). Gerade Marika Rökk war ein Star, den man gefeiert hat und bei dem man froh war, dass man ihn hatte und nie gejammert hat, dass irgendjemand ihre Rollen noch besser hätte ausfüllen können.


    Übrigens möchte ich noch einmal etwas betonen! Ich habe nie bestritten, dass sich deutsche Filme verändert haben, und ich habe auch nie bestritten, dass das mit der politischen Situation zu tun hatte. Das ist aber etwas ganz anderes als die künstlerischen Lücken, von denen ich gesprochen habe. Ich bitte dich, das nicht in einen Topf zu werfen!

    Richard Tauber
    Szöke Szakall
    Peter Lorre
    Fritz Grünbaum
    Ernst Verebes


    All das sind aber keine Schauspieler, die international von Belang waren - mit Ausnahme vielleicht von Peter Lorre in den USA. Und wie erfolgreich seine spätere Karriere in Hollywood war, wird sehr unterschiedlich beurteilt. Meiner Meinung nach war er sehr erfolgreich - aber eben als Nebendarsteller oder als Hauptdarsteller in B-Movies. Aber er hatte in Deutschland lediglich mit M 1930 eine richtige "Duftmarke" gesetzt, obwohl das nicht sein einziger deutscher Film war. Wenn man daran interessiert ist, wie sich diese Darsteller in deutschen Filmen nach 1933 gemacht hätten, ist das natürlich absolut legitim, aber trotzdem konnten sie problemlos ersetzt werden. Eine prägende Wirkung auf den deutschen Film hatten sie allesamt nicht.
    Und einen Aspekt lässt man leicht unter den Tisch fallen: Stars sowohl der Weimarer Republik, als auch des Dritten Reichs, waren "One-Hit-Wonders", fielen durch ihren frühen Tod aus oder einfach dadurch, dass sie sich vom Film zurückzogen. Die lobt man für ihre Erfolge, aber ich kenne keinen einzigen Fall, in dem es nachher aus solchen Gründen heißt: Hier wird schmerzlich der Darsteller oder die Darstellerin vermisst - und zwar auf längere Zeit durchgängig. Für die Filme, die im Dritten Reich gedreht wurden, hatte man das Personal.
    Mein Eindruck ist: Drehten Regisseure in der Weimarer Republik gute, erfolgreiche oder sehr gute Filme, besteht immer die Tendenz, anzunehmen, sie hätten dieses Niveau durchgängig gehalten (ein markantes Beispiel: Robert Wiene). Man erkennt auch andauernde Wirkungen an (zum Beispiel auch den frühen Ernst Lubitsch). Taten das Regisseure im Dritten Reich, ist die Tendenz genau andersrum: Man unterstellt ihnen, das seien Ausrutscher nach oben (zum Beispiel Veit Harlan, der grundsätzlich nur politisch beurteilt wird), oder man ignoriert sie gerne in ihrer Wirkung (zum Beispiel Curt Goetz). Besonders markant finde ich hier den Film Münchhausen: Hat irgendjemand von euch schon einmal gelesen, Josef von Bakys Regie hätte dem Film zum Nachteil gereicht? Reinhold Schünzels Amphitryon ist auch so ein Beispiel.


    Eine Nebenbemerkung auch zu Marlene Dietrich und Der blaue Engel. Dessen Erfolg wurde von Hollywood (ich glaube Paramount) unterdrückt, weil Marlene Dietrich mit Morocco (1930) groß herausgebracht werden sollte. Zu glauben, sie wäre nach ihrem Erfolg nach Deutschland zurückgekehrt um dem dortigen Film zu Hollywooddimensionen zu verhelfen und wurde nur durch den Erfolg der Nationalsozialisten davon abgehalten, ist absurd. Wenn man ihr Tränen nachweint, kann man das natürlich machen, aber man darf in diesem Fall nicht den Regierungswechsel 1933 verantwortlich machen.


    Und auch Emil Jannings ist in diesem Fall meiner Meinung nach ein interessantes Beispiel: Man ist in Deutschland stolz auf seine Erfolge in den USA. Und er kehrte wieder zurück. Dass er eine Lücke geschlossen haben soll, wird nie gesagt. Man wirft ihm aber im Dritten Reich vor, er hätte schauspielerisch an Format eingebüßt. Die Frage, ob bei diesem Urteil nicht doch politische Gründe mit eine Rolle spielen und dass er die Rollen, die er bekommen hat, nicht doch künstlerisch ausfüllte, darf zumindest gestellt werden.
    G. W. Pabst mag zwar ein Verlust gewesen sein, aber auch er kehrte zurück. Nur werden seine Filme nach seiner Rückkehr als eher mittelmäßig eingestuft. Sollte er also auf Jahre hinaus eine Lücke hinterlassen haben, konnte zumindest er selber sie nicht schließen.

    Filmexperimenten, die in der anspruchsvollen Kritik gut ankam, die aber kein breites Publikum gefunden haben. Ein altes leidiges Thema in der Filmbranche


    Nur als Nebenbemerkung: Das dürfte wohl der Grund sein, weshalb das falsche Bild entstanden ist, das Deutsche Reich hätte Hollywood als Filmnation den Rang ablaufen können. Weltgeltung hatte Deutschland bei Filmkritikern, aber Welterfolge an den internationalen Kinokassen waren nur wenige Filmproduktionen in der Weimarer Republik. Das scheint gerne in einen Topf geworfen zu werden.

    er war in Harvey/Fritsch-Filmen eben auch immer ein bißchen der Stichwortgeber und Staffage für Harvey


    Was du hier schreibst, ist mir übrigens bei Glückskinder auch aufgefallen, nämlich dass er für sie zumindest in diesem Film ganz häufig Stichwortgeber ist. So perfekt er seine Rolle spielt, ein bisschen stiehlt sie ihm die Show, und das liegt nicht an ihm, sondern an der Konzeption seiner Rolle in dem Film. War das dann in all seinen Filmen mit Lilian Harvey ähnlich? Ich kenne mich mit Fritsch-Harvey-Filmen nicht genug aus um das beurteilen zu können.
    Als ich angefangen habe mich für Filme aus dieser Zeit zu interessieren, gab es in vielen Filmbüchern die Tendenz, gutaussehende männliche Stars bzgl. ihrer schauspielerischen Fähigkeiten pauschal abzuqualifizieren. Und das hatte mein Bild von Willy Fritsch auch geprägt. Aber in Amphitryon ist mir zum ersten Mal aufgefallen, was schauspielerisch in ihm steckte.
    Joe Hembus war ja ganz "groß" darin, gutaussehende männliche Hauptdarsteller als schauspielerisch schwach abzuqualifizieren, vor allem, wenn sie im Dritten Reich zu sehen waren. Und auch an Willy Fritsch lässt er, wenn ich mich richtig erinnere, kein gutes Haar. Aber seine Leistung in diesem Film lässt er einfach unter den Tisch fallen, obwohl er den Film an sich sehr lobt.


    Übrigens ist Dinah Grace der Grund, weshalb für mich auf Willy Fritsch rein gefühlt immer auch ein Schatten liegt. Ihr früher Tod nach einer Beziehung/Ehe, die deutlich länger gehalten hat als die allermeisten Ehen von Filmstars, muss ja grauenvoll für ihn gewesen sein.

    Ich fand den Film eigentlich immer unglaublich locker, schnell und einfach nur komisch - vor allem Oskar Sima. Dann habe ich gelesen, er sei stellenweise sehr bieder. Das hat mir eine Weile etwas den Spaß an ihm genommen. Deshalb konnte ich ihn neu erleben - zumal ich mir gedacht habe: Gib dem Film eine neue Chance. Vielleicht schwingt bei dieser Kritik doch Voreingenommenheit mit. Und genau das war offenbar der Fall: Ich habe keine dieser biederen Stellen gefunden - gerade im Vergleich zu Hollywoodproduktionen, an denen er sich orientiert. Willy Fritsch und Lilian Harvey schlafen zum Beispiel in einem Bett. Zu Zeiten des Hays Code in den USA wäre so eine Aufnahme nicht möglich gewesen. Damals mussten sogar Eheleute auf der Leinwand in getrennten Betten schlafen. Und die Szene, wo Willy Fritsch Lilian Harveys Schulter freilegt, um die Stelle auszusagen, wo sie sich am Kaktus gestochen hat, gehört für mich zum Erotischsten, was ich aus diese Zeit kenne.
    Und auch wenn ein- oder zweimal ganz kurz ein herkömmliches Frauenbild aufpoppt, finde ich Ann Garden sehr emanzipiert. Sie hat die Fäden der Beziehung von vorn bis hinten in der Hand. Am Ende lässt sie Gil Taylor geradezu an der ausgestreckten Hand verhungern. Und in der Szene, in der sie in ihrer Doppelrolle erscheint, wird das Bild des herkömmlichen Machotyps vollkommen ins Lächerliche gezogen. Ich habe das Gefühl, dass das nie gewürdigt wird.
    Nebenbei: Lilian Harvey ist in ihren Rollen herausragend! Überhaupt finde ich, dass die Darsteller perfekt aufeinander abgestimmt sind und sehr gut gespielt werden. Lediglich Fred Goebel fehlt es an Charisma um mit Sima, Kemp und Fritsch mithalten zu können. Aber er tritt auch kaum auf. Und Albert Florath kann dieses Tempo und diese Leichtigkeit meiner Meinung nach nicht mitgehen. Das finde ich ein wenig schade, weil seine Rolle prominenter ist.


    Bisweilen habe ich auch gemerkt, dass Vorbehalte in mir hochkommen wollten bei dem Gedanken, was sich gleichzeitig im Deutschen Reich abgespielt hat, aber die konnte ich zum Glück immer wieder abblocken.


    @ Fräulein G.: Weißt du zufällig, was Willy Fritsch von diesem Film gehalten hat? War Gil Taylor eine Rolle, die er gern gespielt hat?

    Ich habe auch den Eindruck, dass viele es einfach nciht schaffen unvoreingenommen Filme aus der "heißen NS-Phase" anzuschauen, weil sie einfach zu sehr den NS-Staat im Kopf haben, aber nicht beachten, dass Filme individuelle Werke sind


    Genau den Punkt habe ich erst vorgestern deutlich gemerkt als ich mir mal wieder Glückskinder angesehen habe. Allerdings passt das ja eigentlich gar nicht mehr in dieses Thema hier. Deshalb habe ich meine Beobachtungen dazu in den alten Thread zu dem Film, den wir vor vielen Jahren mal aufgemacht haben, gestellt.

    Was deine Aussage betrifft, dass Deutschlands Kino Hollywood den Rang abgelaufen hätte, musst du bedenken, dass von 1935 bis 1939 nur vier Jahre waren, also nur zwei mehr als die zwei Jahre, die zwischen 1933 und 1935 waren, die du für die Übergangsphase mindestens ansetzt. Und der Beginn des Zweiten Weltkriegs war sehr wohl ein einschneidendes Ereignis.


    Die Beispiele, die du anführst, stammen aus den Jahren 1918 bis 1933, also fünfzehn Jahre. In dieser Zeit musste der deutsche Film übrigens auch den Weggang von Ernst Lubitsch und F. W. Murnau verkraften. Auch das hat man geschafft. Die Zeit des Weimarer Kinos ist genausowenig ein fester Block wie die Zeit von 1933 bis 1945. Auch da gab es viele Veränderungen. Und ohne Otto Wallburg und Kurt Gerron zu nahe zu treten: Komiker von Weltrang waren sie definitiv keine. Exportiert wurden sie genausowenig wie andere deutsche Komiker.


    Außerdem darfst du nicht vergessen, dass viele der Namen, die du genannt hast, ihre Blütezeit erst in Hollywood erfahren haben. Das heißt aber im Umkehrschluss auch, dass sie in Deutschland noch keine oder wenn, dann nur eine sehr kleine Lücke gelassen haben. Den Erfolg in Hollywood kannst du aber nicht eins zu eins auf das Deutsche Reich übertragen. Auf Grund der ganz anderen Bedingungen wäre ihre Karriere im Deutschen Reich anders verlaufen. Ihre Referenzrahmen wären dann vollkommen andere gewesen. Das lässt sich auch sehr gut an den Untersuchungen von Harald Welzer und Sönke Neitzel belegen.

    Bis ca 1934 waren die Filme noch sehr vom Weimarer Kino beeinflußt, spätestens ab 1935 wurden die Filme anders.


    Das ist genau der Punkt, den ich meine: Du nennst die Jahre 1934 und 1935. Hitler wurde aber schon am 30. Januar 1933 Reichskanzler. Das bedeutet, dass du mindestens eine Zeitspanne von zwei Jahren abdeckst. Nachdem das Dritte Reich aber nur insgesamt 12 Jahre dauerte, ist das sehr wohl ein Prozess, der einiges an Zeit in Anspruch nahm.
    Das bestätigt also meine Aussage.


    Und was die Bedeutung der Filmschaffenden betrifft, hier nur ein paar Beispiele: Robert Wiene hatte seit 1924 mit Orlacs Hände nichts Bedeutendes mehr auf die Reihe bekommen. Richard Oswalds letzter einigermaßen wichtiger Beitrag vor 1933 war allenfalls Der Hauptmann von Köpenick (1931). Er hat viel Massenwirksames produziert, war ein guter Handwerker, aber nicht mehr. Fritz Lang versuchte sich ganz offensichtlich mit Goebbels zu arrangieren. Das hat nicht funktioniert. Insofern ist die Frage, ob man ihn nicht doch zu den 'Abgelehnten' zählen sollte. Elisabeth Bergner ging auf die 40 zu, Joe Mays letzter halbwegs wichtiger Beitrag war 1929 Asphalt. Auch er gehört nicht zu den bedeutendsten deutschen Regisseuren, sondern war zeitweise einer der erfolgreichen Handwerker. In Hollywood hat er kein Bein auf den Boden gebracht. Asta Nielsen hat den Übergang zum Tonfilm nicht geschafft. Willy Fritsch, Lilian Harvey, Harry Piel und Brigitte Helm, die du als Beispiele nennst, blieben in Deutschland und sind nicht emigriert usw.


    Man darf sich nicht zu sehr darauf konzentrieren, wer Deutschland verlassen hat, sondern wen das Kino in den dreißiger Jahren vorzuweisen hatte: Marianne Hoppe, Ilse Werner, Brigitte Helm, Zarah Leander, Hilde Krahl, Lizzy Waldmüller, Käthe von Nagy, Brigitte Horney, Jenny Jugo, Angela Salloker, Hertha Feiler, Anny Ondra, Dorothea Wieck, La Jana, Kristina Söderbaum usw. usw.
    Hans Albers, Heinz Rühmann, Paul Kemp, Oskar Sima, Heinrich George, Emil Jannings, Ferdinand Marian, Willy Fritsch, Karl Valentin usw.
    Regisseure wie Gustav Gründgens, Curt Goetz, Reinhold Schünzel, Paul Martin, Karl Hartl, Helmut Käutner, Leni Riefenstahl, Willi Forst, Harry Piel usw.


    Lilian Harvey ist übrigens ein Beispiel für das, was ich damit meine, dass alles im Fluss ist. Sie wurde für ihr Rollenprofil einfach zu alt und wurde ausgemustert.


    Ich sage ja, dass sich die Filme verändert haben. Dass ihnen die Leichtigkeit fehlt und dass das tatsächlich an fehlendem Talent der Filmschaffenden liegt, muss erst einmal belegt werden. Ich persönlich sehe den Grund im Zeitgeist, der sich änderte. Keiner von uns kann irgendwas belegen. 'Was wäre gewesen, wenn...' ist reine Spekulation.


    Was meine Äußerungen darüber betrifft, inwieweit das Jahr 1933 einschneidend war oder nicht, empfehle ich dir Soldaten: Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben (2011), in dem Harald Welzer und Sönke Neitzel Material ausgewertet haben, das erst vor gut zehn Jahren entdeckt wurde und die Sicht auf den Alltag des Dritten Reichs grundlegend verändert hat.

    Mich nervt die MeToo-Bewegung mit ihrem scheinheiligen Pseudofeminismus. Offenbar will eine ehemalige Sekretärin von Michael Douglas jetzt damit an die Öffentlichkeit er habe vor dreißig Jahren vor ihr masturbiert... :thumbdown:


    Mir kommt das sehr verdächtig vor, wenn jemand angeblich jahrzehntelang traumatisiert ist und das Ganze dann in der Öffentlichkeit breit tritt. Beides gleichzeitig geht einfach nicht!

    An Talenten mangelt es ja nicht. Die Zahl der Exilanten aus der Filmbranche war natürlich groß,


    Ich glaube, dass die Wirkung der Exilanten maßlos überschätzt wird. Sie haben de facto kaum bemerktbare Lücken im deutschen Film hinterlassen. Oder diese sind erst im Rückblick auf lange Sicht bemerkbar, wie du das am Beispiel Fritz Lang gezeigt hast. Erstens sind bei weitem nicht alle 1933 gegangen, sondern viele schon vorher und viele nachher, zweitens waren sie alle nicht pausenlos aktiv, und außerdem gibt es sowieso eine ständige Fluktuation in der Filmbranche. In meinen Beiträgen gestern habe ich ja versucht das deutlich zu machen.


    Außerdem war das Ziel vieler Filmschaffenden sowieso Hollywood. Deshalb ist auch Marlene Dietrich in die USA gegangen oder Wilhelm Dieterle. Detlef Sierck blieb in Deutschland obwohl er Nazigegner war und emigrierte erst 1937.

    Mir ging es hier konkret um die Frage von Nostalgie Fan, wie die Nazis den künstlerischen Verlust ausgleichen konnten. Ich habe dazu einen "Unterthread" aufgemacht ;) , weil ich das Thema sehr spannend finde. Wer sich mit Filmen aus dem Dritten Reich beschäftigt, wird von dieser Frage ja permanent "verfolgt".


    Die Frage nach der Anzahl der Filme finde ich schon sehr gut beantwortet worden. Für Tiefergehendes müssten wir genauere Zahlen haben. Ich habe mich darauf nur in meiner Bemerkung bezogen, dass man sich auch die Anzahl der Filme in der Weimarer Republik anschauen müsste.

    Zumindest nicht von der Quantität. Die Qualität müsste man im Detail durchkauen.


    Wobei sich dann auch die Frage stellen muss, wie weit man diese Details überhaupt trennen kann, nachdem Filme von so vielen Eimzelpersonen gemacht werden und kein Regisseur etc. einen festen Platz besetzt, der nachher von einem Regisseur etc. neu besetzt werden muss.


    Aber was deine Frage zur Bedeutung des Faktors Film für ein jeweiliges System angeht, bin ich absolut deiner Ansicht.

    Man kann diesen Schluss auch andersrum ziehen: Filme werden schließlich für das Publikum gemacht und damit Leute ins Kino gehen. Dass Hitlers Kanzlerschaft für die Bevölkerung erst schrittweise etwas verändert hat, wird in der Geschichte nicht mehr angezweifelt.
    Wäre das im Film anders gewesen und aus irgendeinem Grund hätten die Filmschaffenden sofort die Zeichen der Zeit erkannt, und hätte es mit Hitlers Kanzlerschaft eine einschneidende Veränderung in der Filmindustrie gegeben, wären die Leute ins Kino gegangen und hätten gesagt: "Huch! Der deutsche Film ist ja plötzlich ganz anders!" "Wir sehen auf einmal ganz andere Darsteller!" oder "Um Gottes Willen! Die Filme sind auf einmal viel schlechter geworden!"
    Genau das war aber nicht der Fall. Daraus kann man nur die Konsequenz ziehen, dass 1933 für den Film eben keine einschneidende Veränderung bedeutet hat.


    Man könnte sich auch mal die Namen der emigrierten Filmschaffenden ansehen (wobei die auch zu unterschiedlicen Zeiten emigriert sind) und sich anschauen, wann sie ihre letzten wichtigen Filme gedreht hatten und ob das überhaupt aufgefallen sein kann, dass sie emigriert sind: Fritz Lang hatte zum Beispiel vorher nur zwei Tonflme gedreht, wobei die auch noch zwei Jahre auseinander lagen. Dass er danach keine mehr gedreht hat, ist also niemandem aufgefallen. Marlene Dietrich hatte 1930 nur einen deutschen Tonfilm gedreht. Ihre Emigration hat also auch keine Bedeutung gehabt. Max Reinhardt hat überhaupt keinen wichtigen Film gedreht. Leopold Jessner nur zwei und der letzte war 1923 usw.