Der Fall Barschel

  • Vor ein paar Tagen hab ich im Netz gelesen, dass der Fall Barschel engültig aufgeklärt sei, und jetzt sei es sicher, dass es Selbstmord gewesen sei. Aber als ich genauer nachgelesen habe, war es doch wieder nur irgendein Gerichtsmediziner, der gesagt hat, es gäbe keine Hinweise auf Selbstmord. Neulich kam ja auch der Fernsehfilm, der aber wohl nur Altes wieder aufgewärmt hat.


    Wie geht es euch eigentlich damit? Ich habe die ganzen Vorgänge vor knapp 30 Jahren in der Presse ganz gut verfolgen können - also auch Barschels Ehrenwort. Ehrlich gesagt, ich kann nicht an den Selbstmord glauben. Wenn jemand so deutlich und pressewirksam sein Ehrenwort gibt, der zieht ja alle Blicke auf sich. Würde er vorhaben, Selbstmord zu begehen, müsste man es ja geradezu als einen Versuch deuten, dass auch noch der allerletzte mitbekommt, dass sein Ehrenwort eine Lüge war. Und wenn ihm die Häme, die sich seitdem regelmäßig über ihn ergießt, egal gewesen wäre, eine größere Hypothek hätte er der Familie, die er zurückgelassen hat, ja gar nicht aufladen können.


    Mit anderen Worten: Auch wenn es keine Hinweise auf Selbstmord gibt, ich kann schon aus menschlicher Sicht nicht an den Selbstmord glauben. Uwe Barschel hätte ja schizophren sein müssen oder sonst eine extreme Geisteskrankheit haben müssen.


    Ich weiß natürlich auch, dass es zahllose Verschwörungs- und Vertuschungstheorien gibt, aber wenn man die mal komplett beiseite lässt und Uwe Barschel nur als Menschen betrachtet: Könnt ihr an einen Selbstmord glauben? Also: Ehrenwort -> Alle Blicke richten sich auf ihn -> Selbstmord, denn auch die mitbekommen, die sich sonst gar nicht um ihn gekümmert hätten -> Er hinterlässt eine Familie, die in Zukunft nur noch als 'die Familie des Lügners Uwe Barschel' gebranntmarkt ist.


    Oder habe ich bei meiner Gedankenkette doch irgendwas übersehen?

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Für diese Sache bin ich leider zu jung. Ich habe mich mit dem Fall auch nur am Rande beschäfigt, und kann dazu wenig sagen. Soweit ich es gehört habe, scheint es für gewisse Kreise, Gründe gegeben zu haben, ihn aus dem Weg zu räumen. Er hat - ähnlich wie Wulff bevor er abgesägt wurde, JBK bevor er umgebraucht wurde oder eben auch Westerwelle - aussagen gemacht, die vielen nicht gefallen hat. Ich glaube es ging um das Entschulden von afrikanischen Staaten? Ich habe mal nach Videoquellen gesucht, die ich mal gesehen habe, aber nichts gefunden. Wenn mir was über den Weg läuft, gebe ich Bescheid. In Büchern scheint das Thema jedenfalls schon sehr gut aufgearbeitet zu sein.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Das wäre super.
    Ich finde es immer bitter, wenn das Gedächtnis an eine Person dermaßen beschmutzt wird. Seinen Satz "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!" habe ich jetzt schon so oft in Verbindung mit dermaßen viel Häme gehört... Ich finde das grauenvoll

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ehrenworte sind bei Politikern so eine Sache. Barschel sagte, er habe von der Abhöraktion gegen Engholm nichts gewusst. Wenn das stimmen sollte, dann hat die eigene Partei ihm womöglich Schaden wollen.


    Viele Dinge sind aber nebenbei unaufgeklärt, z.B. warum diese Affäre unmittelbar vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein publik wurde. Fast als hätte das einer so gewollt.


    Makaber: Wenige Monate zuvor hatte Barschel einen Flugzeugabsturz überlebt.


    Für die Selbstmordtheorie könnte sprechen, dass Barschel womöglich nicht ertragen konnte, dass man ihn zum Kriminellen machte. Für die Mordtheorie spräche bestenfalls, dass er auspacken wollte, weil er wusste, man würde ihn überführen. Dann bliebe allerdings die Frage, wer sonst noch etwas zu verbergen haben sollte. Also, ich kann mir weder das eine noch das andere vorstellen. Daher will ich mich nicht festlegen.

  • Also ich habe den Eindruck, dass Heiko SChrang in fast jedem Gespräch Barschel anspricht, wenn man dann aber mal was finden möchte wirds schwer.


    Wie korrekt die Aussagen sind, kann ich nicht beurteilen. Wie gesagt, mit "Barschel" beschäftige ich mich kaum. Ich bin immer nur in Gespräche mit Hrn. Schrang drauf gestoßen. Ab Minute 17:10 werden einige angebilche Unegreimtheiten angesprochen: https://www.youtube.com/watch?v=zeD5Qb174Vw Wie korrekt die Aussagen sind, müsste man dann erst noch recherchieren.

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    Konfizius

  • Für die Selbstmordtheorie könnte sprechen, dass Barschel womöglich nicht ertragen konnte, dass man ihn zum Kriminellen machte.


    Ach so, dass Barschels Selbstmord keine rationale Aktion war, sondern etwas Emotionales aus der unerträglichen Situation raus? Das hatte ich tatsächlich nicht bedacht.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Viele Dinge sind aber nebenbei unaufgeklärt, z.B. warum diese Affäre unmittelbar vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein publik wurde. Fast als hätte das einer so gewollt.


    Du hast doch mal geschrieben, dass du findest, dass Björn Engholm sehr schnell zurückgetreten ist. Kann es sein, dass da vielleicht etwas zum Selbstläufer geworden ist, wo alle irgendwie ihre Finger drin hatten?

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  • Mann, muss das lange her sein. Ja, ich habe es nie verstanden, warum Engholm zurücktreten musste, nur weil er früher davon wusste, als er es sagte. Dieser Zusammenhang ist in der politischen Auseinandersetzung nicht wirklich hervorgehoben worden, nur dann hätte es Sinn gehabt, wobei ich bei Engholm glaube, dass er sich in der Rolle des SPD-Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten nie so richtig wohl gefühlt hat. Vielleicht kam ihm das ganz recht.


    Zitat

    Ach so, dass Barschels Selbstmord keine rationale Aktion war, sondern etwas Emotionales aus der unerträglichen Situation raus? Das hatte ich tatsächlich nicht bedacht.


    Ja, vielleicht hatte er Depressionen oder war generell sensibel, was für einen Politiker nicht unbedingt die günstigste Eigenschaft wäre.


    Vogel Specht: Ich habe mir die Stelle angesehen. Nicht uninteressant das, aber warum sollte der Stern mit den Fotos des toten Barschal irgendetwas vertuschen wollen? Das hieße ja, der Stern selbst hätte auch etwas zu verbergen. Es wird behauptet, blaue Flecken sähe man so nicht.


    Man sieht sie doch.

  • Ja aber man muss in dem Beispiel von Dir schon genau hinschauen. Ich behaupte auch nicht dass das stimmt. Es ist nur eine Quelle die ich kenne die von der Nicht-Selbstmord-Theorie ausgeht und die einige Fakten nennt. Das in diesem Gespräch sind nur ein paar davon. In anderen Gesprächen findet man noch mehr, wahrscheinlich ist es am besten die Literatur des Autoren zu studieren, da hat er sicher auch seine Fußnoten alle mit drin.


    Für mich ist das kein Thema, das mich brennend interessiert, es ist ja nur eines von vielen Fällen, wo es berechtigte Zweifel am Selbstmord gibt. Dass es solche Fälle gibt, dass Leute um die Ecke gebracht werden, weil sie unangenehm werden, davon bin ich überzeugt (das Thema hatten wir ja auch schonmal). Deswegen schließe ich es hier auch nicht aus. Kann aber nichts näheres dazu sagen. Am Fall Barschel hängt für mich jetzt auch kein Weltbild, das steht oder fällt, wenn er sich nun selbst umgebracht hat oder nicht. Da finde ich die Kennedy-Angelegenheit viel wichtiger und weitreichender.


    Zu den blauen Flecken wäre es mal interessant die Farbfotos zu sehen, wo man angeblich die Hämatome so gut sehen kann. Dem Spiegel traue ich nebenbei bemerkt alles zu :) Was es da für verstrickungen gibt, weiss ich nicht, deswegen schließe ich da nichts aus.


    Bearbeitet:


    Hier eines der besagten Farbfotos. Ich verlinkte es nur, weil es sich hier um einen toten Menschen handelt, einerseits will das Foto vielleicht nicht jeder sehen, andererseits ein wenig aus Respekt vor dem toten Menschen: https://deinweckruf.files.word…2010/11/uwe-barschel1.jpg


    Links an der Stirn sieht man den starken Fleck, den man auch in der Badewanne links erkennen kann: http://image.stern.de/6685030/…b129e/Zu/uwe-barschel.jpg


    Ansonsten ist bei den s/w-Fotos dieses Ausmaß an Hämatomen nicht zu erkennen. Wie authentisch diese Fotos sind, kann ich als Laie usw. hier natürlich auch nicht sagen. DAs sind lediglich Fotos die ich schnell bei der Google Bildersuche gefunden habe.


    Achja, noch eine Sache. Unter seinem rechten Auge (aus der Sicht des Betrachters) sieht man einen Schnitt/Cut/Streifen, den kann man beim s/w Foto auch erahnen, ebenso das was an der Stelle ist wo sonst die Lachalten am Auge ist.
    Wenn man nur die s/w-Fotos betrachtet, übersicht man das ganz ganz leicht, finde ich. Im direkten Vergleich kann man diese Hämatome dann finden, aber in erster Linie durch die Hilfe des Farbfotos.


    Bei den Fotos sieht man das schon fast gar nicht:
    http://www.taz.de/picture/979680/948/15234639.jpeg
    http://img.welt.de/img/kino/cr…r-Fall-Barschel-AT-6-.jpg
    (ist im grunde das Gleiche Foto in unterschiedlichen Farbstärken)


    Dies mal als Laienanalyse von meiner Seite aus. Alles ohne Gewähr, mit solchen Themen habe ich mich noch nie genauer beschäftigt. :)

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    Konfizius

  • Ich habe gerade in der Wikipedia gelesen, dass Uwe Barschel seinen Schuldirektor in den Selbstmord trieb, wohl sicher ungewollt. Am 22. Januar 1963 lud er den ehemaligen Großadmiral Dönitz, der einst von Hitler zu dessen Nachfolger bestimmt war, auf Anregung seines Geschichtslehrers an seine Schule ein, um dort über das Dritte Reich zu referieren. Weil die Schüler aber nicht darauf vorbereitet waren, gab es keine kritischen Stimmen. Die Bergedorfer Zeitung schrieb von "Geschichtsunterricht in höchster Vollendung", erst danach griffen andere Medien die Sache auf. Es gab Kritik an der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung. Ein Regierungsrat sprach daraufhin mit dem Schuldirektor, dieser ertränkte sich noch am selben Abend des 8. Februar 1963 in der Elbe. Seine Leiche wurde erst am 25. April gefunden.


    Dazu ist zu sagen, dass Dönitz auch nach Kriegsende ein Nationalsozialist blieb. Der Geschichtslehrer, Heinrich Kock, Jahrgang 1903, lebt möglicherweise immer noch. Ein Diskussionshinweis "Sterbedatum fehlt" steht da. Aber vielleicht ist er ja noch am Leben.

  • Für die Selbstmordtheorie könnte sprechen, dass Barschel womöglich nicht ertragen konnte, dass man ihn zum Kriminellen machte. Für die Mordtheorie spräche bestenfalls, dass er auspacken wollte, weil er wusste, man würde ihn überführen. Dann bliebe allerdings die Frage, wer sonst noch etwas zu verbergen haben sollte. Also, ich kann mir weder das eine noch das andere vorstellen. Daher will ich mich nicht festlegen.

    Ich wärme mal wieder diese Diskussion auf. Ich finde das Thema immer noch unglaublich spannend. Auf ZDFinfo kam grad eine Dokumentation aus dem Jahr 2017. Es gibt zahlreiche Theorien, warum man Barschel umgebracht haben könnte - Stasi, illegale Waffengeschäfte.... Auch die Rolle des BND ist nicht klar. Das Problem ist nur, dass man für nichts handfeste Beweise findet. Die Dokumentation hat eigentlich ziemlich deutlich gemacht, dass ein Mord - vorsichtig ausgedrückt - nicht unwahrscheinlich ist.


    Allerdings ist mittlerweile klar, dass Barschel bei seinem Ehrenwort tatsächlich gelogen hat.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ehrenworte sind bei Politikern so eine Sache.

    Ja, da gebe ich dir absolut recht. Vor vier Jahren, als wir die Diskussion geführt haben, konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen. Mittlerweile habe ich meine Meinung grundlegend geändert. Ich habe das damals in der Tat zu idealistisch gesehen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)