Kann man Filme überrekonstruieren?

  • Vor einigen Jahren habe ich einen interessanten Vortrag vom Leiter des Münchner Filmmuseums, Stefan Drößler, gehört. Er hat davor gewarnt, Filme so "gut" zu bearbeiten, dass sie jetzt schärfer sind als zu ihrer Entstehungszeit. Er nannte das "Überrekonstruktion".
    Ich finde diese Warnung sehr interessant und auch berechtigt. Zum einen ist das Ziel einer Rekonstruktion ja auch die Wiederherstellung eines Films, eine zu perfekte Rekonstruktion würde ja teilweise eine Neuschaffung bedeuten.
    Dazu kommt, dass das ja auch eine gewisse Überheblichkeit darstellt. Die Maxime ist "umso klarer umso besser". Das bedeutet zwangsläufig, in mancher Hinsicht kann man es heute besser als früher. Aber die Regisseure, Kameraleute etc., die diese Filme geschaffen haben, wussten ja auch wie ihr Material war und hatten das bei ihrer Arbeit im Blick. Bei einigen Filmen wurde ein schlechteres Bild ja sogar bewusst mit einbezogen. Spontan fällt mir da Vampyr ein.
    Was noch dazukommt: Wo sollen die Grenzen gezogen werden, wenn nicht beim Original? Offenbar ist es jetzt noch nicht möglich, einzelne Bilder, die nicht wiederhergestellt werden konnten, digital zu konstruieren. Deshalb gibt es ja manchmal kurze Sprünge in Filmen. Aber irgendwann wird es diese Möglichkeit geben. Das heißt, wenn man sich einen Film anschaut, kann man nie ganz sicher sein, ob man grad das Originalbild sieht oder eine digitale Neuschaffung. Auch wenn das immer nur einige ganz wenige Bilder sind, man weiß ja nicht wo sie eingefügt wurden.


    Als ich diese Meinung mal in einem amerikanischen Stummfilmforum vertreten habe, gab es gewaltigen Widerspruch: Nein, man muss alles so "perfekt" wie möglich machen, egal wie Bild und Ton im Vergleich zum Original aussehen. Allerdings hat sich auch ein Filmhistoriker gemeldet, der an einer DVD mitgearbeitet hatte, wo man bewusst darauf verzichtet hatte, das Bild zu stabilisieren um dem Film sein Alter zuzugestehen.


    Was ist eure Ansicht zum Thema "Überrekonstruktion"?

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich glaube so 100%tig kann man das nie machen. Während die einen recht zufrieden sind, werden die anderen etwas finden, was ihnen nicht so egfällt an der Bearbeitung. Jede Restaurierung ist von daher ein eigener Film für sich. Gerade beim Ton hab es ja auch viele Beschwerden (auch hier im Forum), weil man das so überbearbeitet hat, dass es kein Hörgenuß mehr ist.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius