Die Pest in Florenz (D, 1919)

  • Arte zeigt mal wieder eine Stummfilm-TV-Premiere!


    In der Nacht vom 11. auf den 12. Mai (Mo auf Di) zeigt Arte um 0.05 Uhr "Die Pest in Florenz" von 1919 mit Theodor BEcker, Spielleitung: Otto Rippert - Drehbuch: Fritz Lang


    "Gong"-Bewertung: 4 von 6 Punkten, Kommentar "Opulente Filmkunst"


    Hier die dazugehörige ARTE-Seite: http://www.arte.tv/guide/de/055879-000/die-pest-in-florenz


    mit Film-Ausschnitt!


    Hier die Murnau-Seite: http://murnau-stiftung.de/movie/4342

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Der Link bei arte führt mittlerweile leider ins Leere. Aber einen Ausschnitt von Die Pest in Florenz findet man jetzt hier:


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    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich hab mir den Film grade mal angesehen und muss leider sagen, dass ich den Enthusiasmus der Kritiken, die Wikipedia zitiert, nicht mehr teilen kann :( Die Stilbrüche, die sich Otto Rippert leistet, indem er mal kurz oberbayerische Flecken oder das Schloss Linderhof zu Florenz umfunktioniert, sind leider symptomatisch für den ganzen Film, der heute sehr gehetzt und schlampig inszeniert wirkt, was auch zu diversen unfreiwillig komischen Szenen führt.

    Eine in weiten Teilen schwache Bildgestaltung und statisch gestellte Massenszenen sind mir auch unangenehm aufgefallen. Gerade wenn man an vergleichbare Szenen in Filmen von Ernst Lubitsch oder Fritz Lang denkt, sticht das besonders ins Auge.

    Bei vielen recht kurzen Einstellungen, die zum Teil auch nicht ganz stimmig zusammenmontiert sind, merkt man ganz deutlich, wie sehr sich Otto Rippert darauf darauf verlassen hat, dass der Schnitt später das ausbügeln würde, was er vorher an Sorgfalt und Kreativität versäumt hat.

    Zu diesem Bild passt auch eine Höllenvision mit Pappmaché-Drachen à la Augsburger Puppenkiste, der die Verdammten am Eingang "begrüßt" und ein Rollsteg, der sie in die Hölle bringt. Später gibt es "Pestopfer", die sich kurz vor dem Rutsch ins Massengrab noch einmal passend zurechtlegen, eine wackelnde Statue aus Pappmaché usw.

    Auch das Lob für Theodor Becker als Mönch kann ich nur eingeschränkt teilen. Er ist halt unter den ganzen Darstellern der einzige, der seinen Job macht, nämlich eine Rolle zu verkörpern und verschiedene Facetten zu zeigen. Ansonsten sind die Schauspielerleistungen leider mehr als dürftig. Otto Mannstedt als Cesare, der Herrscher von Florenz, hinterlässt bei mir den Eindruck, als hätte er sich den Komiker Jack Duffy zum Vorbild genommen. Marga Kierska als Kurtisane Julia sieht hin und wieder zwar ganz nett aus, aber das war's auch schon. Was sieht ansonsten darstellerisch bietet, geht in Richtung Totalausfall.


    Das Fazit ist natürlich nur meine Meinung, aber trotzdem: Sollte der Film mal auf DVD veröffentlicht werden, würde ich empfehlen, erstmal abzuwarten und zu versuchen ein gebrauchtes Exemplar günstig zu bekommen :(

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    8 Mal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Ja, ein Meisterwerk ist der Film nicht, da stimme ich zu. Aber man muss berücksichtigen, dass der Film 1919 gedreht wurde. Für die damalige Zeit war solch ein Film schon etwas besonderes, auch was die Massenszenen, das Szenenbild usw anbelangt. Natürlich hat der Film seine Schwächen, wenn man mit heutigen Maßstäben mißt, aber auch auch wenn man ihn nur mit Filmen vergleicht, die nur 10 Jahre später entstanden sind. Seine Restaurierung, hat er auch wohl nur der Tatsache zu verdanken, dass das Drehbuch von Fritz Lang stammt. Auf DVD ist er bisher nur in der Fritz Lang Box von Kino in den USA erschienen. Dort aber mit englischen Zwischentiteln.

  • Zitat

    Aber man muss berücksichtigen, dass der Film 1919 gedreht wurde

    Da hast du natürlich vollkommen recht. Ich habe bei meiner Kritik selbstverständlich einen hohen Maßstab angelegt. Andererseits habe ich das bei dem (allerdings 5 Jahre später gedrehten) Film Helena auch gemacht und bin erfreulicherweise nicht enttäuscht worden, obwohl der Regisseur Manfred Noa und nicht Ernst Lubitsch oder Cecil B DeMille hieß.


    Helena kann ich übrigens nur jedem empfehlen. Ist als Doppel-DVD letztes Jahr bei der Edition Filmmuseum erschienen.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich hab mir grad "Die Pest in Florenz" wieder angesehen und muss sagen, dass ich den Film jetzt weitaus differenzierter betrachte als vor vier Jahren. Das liegt auch daran, dass ich mittlerweile viel mehr Filme aus den 10er Jahren kenne als damals. sisterandi, ich gebe dir vollkommen recht. Man darf nicht vergessen, dass der Film von 1919 ist und damit auch andere Vergleiche angelegt werden müssen. Er ist zum Teil den 10er Jahren verhaftet, weist in manchem aber schon deutlich darüber hinaus.

    Vor allem ist mir jetzt eine ganz eigene Dynamik in Gruppenszenen aufgefallen. Da wirkt es als ob sich verschiedene Darsteller gegenseitig anstoßen obwohl sie vordergründig nichts miteinander zu tun haben, was den Szenen einen ganz eigenen Rhythmus gibt. Oder da sind auch Szenen mit Julietta Brandt, die die Pest symbolisiert. Die sind richtig apokalyptisch, und gegen Ende hin kann man das Kratzen ihrer Geige, die den Tod durch das Strafgericht einläutet, richtiggehend hören.

    Man könnte jetzt natürlich sagen: Jaaa, Fritz Lang eben... Aber ich habe mir abgewöhnt, Filme nur Einzelpersonen zuzuschreiben.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)