Nosferatu (BRD/F, 1979)

  • Wie ich sehe gibt es zu diesem Klassiker hier noch gar kein Thema.


    Wie findet Ihr den Film?


    Wieso ich auf das Thema komme: In einem Konvolut alter Comics war auch eine Bravo Ausgabe vom 5. April 1979 (Nr. 15) dabei. Darin wird über den damals aktuellen Film "Nosferatu" berichtet, was ich bemerkenswert finde.


    Hier eine Rezension dazu (übrigens die allererste Rezension die bei tv-kult.com vor ca. 10 Jahren ins Netz ging): http://www.tv-kult.com/kritike…tu-phantom-der-nacht.html


    Hier das Thema zur 1922er Version: Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens (D, 1922)

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ich habe mir den Film vor einiger Zeit gekauft und hier schon vehement verteidigt bevor ich ihn nach Jahrzehnten endlich zum zweiten Mal gesehen hatte ;) Man kritisiert Werner Herzog ja z.B. häufig, dass er Murnaus Nosferatu bis in die Einstellungen hinein kopiert hat und nur ganz wenig eigenes hineingebracht hat. (Tonspur, Farbe, fahles Licht, mumifizierte Leichen am Anfang, veränderter Schluss und ein Vampir voller Weltschmerz)


    Man muss dazu sagen, dass sich Herzog natürlich eine große Aufgabe gestellt hat, als er beschlossen hat, Murnaus Nosferatu neu zu verfilmen und gleichzeitig so eng am Original zu bleiben. Ich habe noch nie eine ernstzunehmende Filmkritik gelesen, die Murnaus Film nicht gelobt hat. (Kritik wird allenfalls an Einzelheiten geübt, oft am Schauspieler Alexander Granach, aber das wirkt sich nie sehr negativ auf die Gesamtbeurteilung des Films aus - zumindest nicht bei den Rezensionen, die ich kenne.) Und auch ich finde Murnaus Film wirklich genial. Man bezeichnet Murnau ja gerne als einen Maler unter den Stummfilmregisseuren und das zurecht. In dem Film schwingt zum Beispiel eine Atmosphäre mit, die eines Caspar David Friedrichs würdig ist. (Aber das ist nur ein Beispiel und längst nicht alles. Nosferatu ist vollkommen eigenständig, und man braucht keine anderen Künstler als "Steigbügelhalter" um das zu anzuerkennen.) Außerdem stellt der Film eine echte Einheit dar, zu der alle Beteiligten etwas Eigenständiges beitragen. Besonders fällt einem da als unvoreingenommener Zuschauer natürlich Max Schreck, der Darsteller des Nosferatu, ins Auge. Aber genauso ist das, was die Kamera (trotz aller technischen Beschränktheit) leistet, phänomenal. Da erkennt man, was für Künstler Fritz Arno Wagner und Günther Krampf waren. Offenbar scheint Deutschland ja noch nie einen Mangel an hervorragenden Kameraleuten gehabt zu haben, und die beiden gehören definitiv dazu. (Ich sehe auch die Leistungen der Schauspieler bei weitem differenzierter als z.B. William K. Everson oder Lotte Eisner. Bei dem Reichtum des Films muss man sie sich einzeln anschauen und kann nicht einfach pauschal behaupten, Murnau habe die Erfahrung in der Schauspielerführung gefehlt, wie das Lotte Eisner tut.)


    Aber Werner Herzog schafft es zu keinem Zeitpunkt, diese Intensität zu erreichen. Besonders deutlich wird das bei Klaus Kinski als Nosferatu. William K. Everson schreibt, dass er einfach zu prominent war um dieses Übersinnliche zu erreichen, das von Max Schreck ausgeht. (Offenbar gab es damals, als der Film gezeigt wurde, sogar Gerüchte, Max Schreck sei selber ein Vampir. Ich will mich dieser Meinung natürlich nicht anschließen, aber das zeigt, wie beeindruckend die Leistung von Max Schreck ist.) Es mag sein, dass der Grund, den William K. Everson angibt, auch dazu beiträgt, aber mein Eindruck ist eher, dass Nosferatu in den Aufnahmen viel zu greifbar und plastisch erscheint. Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass Klaus Kinski im Vergleich zu Max Schreck einfach ein weißgeschminkter Schauspieler ist, und das werfe ich nicht Klaus Kinski vor. Ich persönlich finde er bietet eine sehr gute Leistung, aber seine Möglichkeiten sind hier einfach zu beschränkt. Ihm fehlt die Unterstützung. Mir persönlich kommt auch die Zeichnung des Vampirs recht plakativ vor. Ich finde dieser Weltschmerz hat nichts, was ihn wirklich zeitlos macht, und diese Zeichnung macht auf mich deshalb einen sehr melodramatischen Eindruck. Auf mich wirkt sie sehr selbstzweckhaft, indem man in den Film so noch etwas mit hineinbringt, was ihn für manche Zuschauer interessanter machen könnte. Aber sie geht nicht in die Tiefe. Und mit dem Schluss wird urplötzlich ein neuer Aspekt in den Film hineingebracht, den ich eher störend finde.


    Was ich hier schreibe ist natürlich mein ganz persönlicher Eindruck. Die Tatsache, dass du Herzogs Nosferatu so positiv beurteilst und ich meine Probleme mit ihm habe, scheint das übliche Bild zu sein. Was Herzog auf jeden Fall erreicht hat, ist, dass sein Film immer mit Murnaus verglichen wird. So entstehen natürlich Diskussionen, und auch schon deshalb wird sein Film nicht vergessen werden.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Oha! Das ist ja ein recht langer Text geworden :D Daran sieht man, dass mich das Thema auch schon sehr beschäftigt hat ;)

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Ich glaube ich hatte mich hier noch garnicht geäußert, wie ich den Film finde. Ich finde ihn aber großartig, was nicht heißt, dass ich ihn besser als Murnau finde. Im Grunde kann ich mich Deinen Ausführungen voll anschließen. Ich kann das nachvollziehen, bzw. sehe es gleich/ähnlich, dennoch finde ich den Herzog-Film sehr sehr gut.

    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • Ich könnte mir vorstellen, dass du mir gegenüber da tatsächlich einen Vorteil hast. Ich bin dermaßen fasziniert von Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens, dass ich Herzog nur sehr schwer unabhängig von Murnau beurteilen kann. Du hast ja auch eine eigene Rezension zu dem Film geschrieben, und bei mir gibt es nicht sehr viel, das sich wirklich nur auf Nosferatu - Phantom der Nacht bezieht.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Eine Rezension habe ich dazu nicht geschrieben. Aber ja, das ist wohl mein Vorteil, dass ich den Film als eigenen Film bewerten kann/bewerte. Das muss man wohl auch. Im direkten Vergleich ist das Original natürlich viel besser. Neben Deinen (wichtigen) Aspekten spielt die Zeit in der ein Film gedreht wurde auch eine Rolle. So ein Stoff wirkt als Stummfilm, gedreht Anfang der 1920er Jahre, natürlich viel besser als ein Tonfilm Ende der 70er Jahre. Wobei Schreck wohl der wichtigste Aspekt bei der Sache ist.

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    Konfizius

  • Ach so. Ich hatte gedacht, die Rezension auf tv-kult sei von dir.


    Ja, was du sagst, das gilt für mich auf alle Fälle. Wenn man sich das anschaut, was mich an Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens in erster Linie so stark beeindruckt, hat das alles mit seiner visuellen Kraft zu tun und damit, was bei den Bildern alles mitschwingt.


    Ein anderer Film, der mir sehr gut gefällt, ist Carl Theodor Dreyers Vampyr - Der Traum des Allan Gray (1932). Und auch da wird der Ton ja nur sehr, sehr zurückhaltend eingesetzt. Dreyer verlässt sich vor allem auf die Bilder. Irgendwo habe ich auch gelesen, dass das eigentlich eher ein Stummfilm als ein Tonfilm sei.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

  • Auch wenn ich jetzt Gefahr laufe, als Ketzer gebrandmarkt zu werden: Mir persönlich gefällt Herzogs Nosferatu tatsächlich besser.
    Selbstverständlich kann ich die Neuverfilmung nicht als historisch bedeutender oder innovativer einstufen, weil sie ohne das Original gar nicht existieren würde und knapp sechs Jahrzehnte dazwischen liegen, und auch die klassische Darstellung des Grafen Orlok ist unübertroffen. Allerdings empfand ich Murnaus Werk in manchen Strecken als zu langatmig, schleppend (was auch manche Kritiker bemängeln), wohingegen die im Erzählfluss in meinen Augen bessere 8mm-Fassung wiederum zu viel überspringt. Daher fände ich einen Kompromiss von einer Stunde Laufzeit ideal.
    Weshalb ich schlussendlich den späteren Film bevorzuge, liegt daran, dass ich seine Atmosphäre, obwohl in Farbe gedreht, als noch düsterer, beklemmender, trostloser erlebt habe.
    Um mir ein abschließendes Urteil bilden zu können, müsste ich mir dennoch beide Filme noch einmal nacheinander und in Ruhe ansehen. Wenn es schon eine Weile her ist, dass man die Filme zuletzt sah und zwischen den beiden noch Jahre (und vielleicht unterschiedliche Gemütszustände) liegen, fehlt eben der direkte Vergleich.

  • Wie ein Film auf einen wirkt weiß man halt selber am besten. Kunst geht nun mal tiefer als alle Theorie, egal wie sehr sich die Fachleute streiten. Da muss man sich eher die Frage stellen, wie sinnvoll es ist, ambitionierte Filme als "gelungen" oder "weniger gelungen" zu bewerten.


    Bei diesem Vergleich von Murnau und Herzog ist es mir übrigens tatsächlich genauso gegangen wie ich oben geschrieben habe. Max Schreck übt von Anfang bis Ende die gleiche Faszination auf mich aus. Und Klaus Kinski wird innerhalb kürzester Zeit für mich zum weißgeschminkten Schauspieler, der sich zwar nach Kräften bemüht, aber vom Film völlig alleingelassen wird. Ein Grund ist aber auch ganz sicher der, dass bei Murnau das ganze Bild eine Einheit darstellt, in die Max Schreck eingebettet ist. Und diese Einheit trägt ihn. Dafür, dass das tatsächlich so ist, spricht ja auch, dass man sich u.a. an romantischen Bildern orientiert hat, und die haben ja zum Teil eine Atmosphäre, die man noch auf dem kleinsten Quadratzentimeter spürt. Dagegen steht Klaus Kinski für mich viel zu sehr im Zentrum und wird - zumindest in diesem direkten Vergleich - vom Bild alleingelassen.


    Ob der Film Längen hat oder nicht, spielt für mich übrigens auch deshalb keine Rolle, weil ich jede einzelne Einstellung auf mich wirken lasse ohne dass mich die Handlung groß interessiert, außer als Informationsquelle wie lang der Film in etwa schon gelaufen ist.


    Aber wenn das für andere anders ist, ist das ja okay so.

    Und immer wieder erkenne ich, daß es viel schwieriger ist, ein Publikum vier Lustspielakte zum Lachen zu bringen, als es in einem sechsaktigen Schauerdrama zu Tränen zu rühren. (Ossi Oswalda, 1920)

    Einmal editiert, zuletzt von Austernprinzessin ()

  • Werner Herzog über Nosferatu und den deutschen Film


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    "Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen."


    Konfizius

  • redaktion42: Filmtipp: Nosferatu - Phantom der Nacht (1979) von Werner Herzog


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    Konfizius

  • ...Der Autor und Biologe Maarten ’t Hart erzählte 2010 in der niederländischen Fernsehsendung „Zomergasten“ über seine Mitwirkung als Rattenexperte beim Film. Gemäß ’t Hart wurden entgegen seiner Empfehlung 12.000 Ratten aus Ungarn in die Niederlande verfrachtet, wo eine Pestszene gedreht werden sollte. Entsetzt stellte ’t Hart fest, dass die Tiere auf der dreitägigen Reise weder mit Essen noch mit Trinken versorgt worden waren und sich deshalb gegenseitig auffraßen. Da die Ratten weiß und nicht wie von Herzog gewünscht schwarz waren, habe der Regisseur sie färben lassen. Für diesen Prozess seien die Tiere in kochendes Wasser getaucht worden, wobei ungefähr die Hälfte umkam. ’t Hart habe sich daraufhin vom Projekt zurückgezogen....

    Quelle: Wikipedia: Nosferatu: 1979

                                                                                                                                  animiertes-fruehling-smilies-bild-0009

  • Zitat

    Das sind die 10 bestbewerteten Vampirfilme

    1. „From Dusk Till Dawn“ - 4,298
    2. „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ - 4,220
    3. „Interview mit einem Vampir“ - 4,079
    4. „Tanz der Vampire“ - 4,060
    5. „Bram Stokers Dracula“ - 3,945
    6. „Nosferatu – Phantom der Nacht“ - 3,927
    7. „Blade“ - 3,863
    8. „So finster die Nacht“ - 3,847
    9. „Let Me In“ - 3,833
    10. „Dracula“ (1931) – 3,683

    ...

    https://www.filmstarts.de/nachrichten/1000037869.html

    R.I.P. Steve Jobs, Robin Williams, Udo Jürgens, Demis Roussos, Joe Cocker, Leonard Nimoy, Christopher Lee, Omar Sharif, Satoru Iwata, Achim Mentzel, David Bowie, Prince , Muhammad Ali, Götz George, Bud Spencer, Tamme Hanken, Manfred Krug, Robert Vaughn, George Michael, Carrie Fisher, John Hurt, Roger Moore, France Gall, Aretha Franklin, Burt Reynolds, Montserrat Caballé, Stan Lee, Doris Day, Karel Gott, Ariane Carletti, Jan Fedder & Akira Toriyama !

  • Arte zeigt den Film Mittwoch, den 29. November, von 23:25 bis 01:10.

    R.I.P. Steve Jobs, Robin Williams, Udo Jürgens, Demis Roussos, Joe Cocker, Leonard Nimoy, Christopher Lee, Omar Sharif, Satoru Iwata, Achim Mentzel, David Bowie, Prince , Muhammad Ali, Götz George, Bud Spencer, Tamme Hanken, Manfred Krug, Robert Vaughn, George Michael, Carrie Fisher, John Hurt, Roger Moore, France Gall, Aretha Franklin, Burt Reynolds, Montserrat Caballé, Stan Lee, Doris Day, Karel Gott, Ariane Carletti, Jan Fedder & Akira Toriyama !

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    Kostenlos in der Mediathek: Einer der besten deutschen Horrorfilme aller Zeiten

    https://www.kino.de/artikel/ko…der-mediathek--393c3jg246

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